Religiöse Institutionen als Regressions-Mechanismus

 

 

Die Mutter schenkte dem neugeborenen Wesen in dieser ständig bedrohlichen Welt erst einmal das Gefühl von Sicherheit, Wärme und Schutz. Diese Aufgehobenheit ist hier so stark, dass auch im Erwachsenenalter eine Sehnsucht danach bestehen bleibt. Dieses Gefühl der Verortung wird dann von religiösen Institutionen übernommen, um sich als Teil einer Einheit und nicht als isoliertes Individuum wahrzunehmen. Doch es zeugt eigentlich von grosser Unreife, wenn ein Mensch seine infantile Verwurzelungs-Sehnsucht in der gefährlichen Welt mit Religion nur weiter aufrecht zu halten versucht. Die Ablösung von der Mutter ist ein beängstigender, doch notwendiger Prozess zur Menschwerdung des Einzelnen. Nur so ist es möglich, Fortschritte auf dem Weg zu unabhängigem Urteilen und Handeln zu machen. In einer längeren Abhandlung (Psychoanalyse und Religion) erklärt Erich Fromm bereits 1949 die bewusstseinsmässige Regression, die in religiösen Institutionen statt findet. 
Das Verhalten der Tiere ist von Instinkten geleitet. Der Mensch hat nun aber nicht so eine klare Massregelung und Weisung von aussen her. Es ist ihm keine klare Handlungsdevise auferlegt. Er ist eigentlich ein forschendes und fragendes Wesen, dessen Lebensweg sich schrittweise offenbaren darf. Der Mensch darf nicht einfach nur klar gegebene Strukturen in sein Leben hineinkopieren, sondern soll eine fundamentale Weltschau ergründen. Doch einigen Menschen scheint genau diese Herausforderung zu anstrengend und sie präferieren, einfach nur klaren und gegebenen Richtlinien zu folgen. Die Komplexität der Wirklichkeit bedroht ihr eng gestecktes Verständnis. 
Dieses Nachfolgertum, das man am einfachsten noch religiös legitimieren kann, stellt eigentlich eine Regression in den tierischen Bereich dar.