Offener Brief an denkende Menschen 2014

 

In einer offenen Gesellschaft entscheidet jedes Individuum, was es essen will, und was nicht. Wer etwas anderes will - marschiert in Richtung Staats-Diktatur.

In einer offenen Gesellschaft entscheidet auch jedes Individuum darüber, ob es gegessen werden will oder nicht. Die Interessen eines empfindungsfähigen Individuums bei der Frage, ob es getötet und verspeist werden will, nicht zu berücksichtigen, ist einer freien Gesellschaft unwürdig.

 

Es gab letztes Jahr einen Pferdefleisch.Skandal, welcher ganz Europa tangierte.

Was war der eigentliche Skandal?

Viele Pferde werden offenbar mit einem Medikament behandelt, das für den Menschen gefährlich ist: Phenylbutazon, einem Schmerzmittel, das auch bei Rennpferden als Doping eingesetzt wird.

Der Skandal ist nicht, dass Tiere getötet werden für kurzweiligen menschlichen Genuss, sondern nur, dass der Mensch die Nebenwirkungen des Medikamentes mitbekommen könnte. Aus ethischer Sicht ist diese Verschiebung der Gewichtigkeit der eigentliche Skandal.

Weshalb regen sich denn Fleischkonsumenten auf, wenn für ihre Lasagne ein Pferd statt einer Kuh oder einem Schwein getötet wurde? Es ist keine logische Argumentation mehr. Ebensowenig wie es eine ethisch relevante Begründung gibt, dass man Schweine schlechter behandelt als Hunde (da doch beide etwa ähnlich intelligent sind).

Willkürlich wird getrennt zwischen einigen Tieren, die man lebenslänglich unter schlechten Umständen halten darf, und es auch als legitim betrachtet wird, sie danach zu töten und aufzuessen.

Auf der anderen Seite halten wir Tiere, für die wir keinen Aufwand scheuen, damit es ihnen gut geht.

Für das Überleben von „Knut“, einem Eisbären im Berliner Zoo, wurde kein Aufwand gescheut. Wäre jemand hingegangen und hätte Knut getötet und verspeist, wäre er massiv bestraft und sozial geächtet worden.

Dass man zur gleichen Zeit aber andere Säugetiere, die ebenso schmerzempfindlich sind, zu Millionen in extra dazu geschaffenen Tötungsfabriken umbringen lässt um ihre Körper dann einfach aufzuessen, scheint plötzlich gesellschaftlich legitim zu sein.

 

Stellen sie sich vor, sie sind bei Freunden zum Abendessen eingeladen. Ihre Gastgeberin ist berühmt für ihre Spaghetti mit Bolognese –Sauce. Und sie tischt ihnen ein solches Gericht auf, das ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Stellen sie sich vor, dass ihnen das Gericht so gut schmeckt, dass sie die Gastgeberin nach dem Rezept fragen. Und geschmeichelt sagt diese lächelnd zu ihnen: „Nun, das Geheimnis liegt im Fleisch. Man benötigt dazu etwa 500 Gramm besonders zartes Labrador-Hunde-Fleisch.“

Nehmen sie sich einen Moment Zeit, um über ihre Gedanken und Gefühle nachzudenken. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass das, was sie eben noch lecker fanden, in ihnen nun Ekel erweckt. Das, was sie gerade zuvor noch als köstliche Nahrung erlebten, sehen sie nun als ein Stück totes Tier.“

(Dieses Gedankenexperiment stammt von der Sozialpsychologion Dr. Melanie Joy.)

 

Die Bewusstseinslücke, welche die Verbindung zwischen der Nahrung und dem lebenden  Tier dissoziiert, lässt einen auch unbewusst darüber werden, dass man eigentlich eine Wahl hätte.

 

Das Phänomen, Leiden bewusst vermeiden zu wollen und in einem anderen Bereich dennoch grausam zu handeln, gründet auf mangelndem und unvollständigen Erkenntnisprozess.

Französischen Aufklärer wie Diderot, Rousseau oder Voltaire, die sich für die Menschenrechte einsetzten, haben sich nicht an der Tatsache des Sklavenhandelns gestört. Sklavenhaltung war dermassen als eine gesellschaftliche Normalität betrachtet worden, dass diese fundamentale Ungerechtigkeit auch von gesellschaftlich wachen Menschen übersehen wurde.

Auch die Schweizer Industriellen, welche Sklavenschiffe finanzierten (wie die Patrizierfamilien Burkhard und Zellweger) waren eigentlich von den Werten der Aufklärung beeinflusst und wollten ihre Arbeiter nicht ausbeuten und setzten sich für ihre Sozialrechte ein.

Da blieb einfach der blinde Fleck, welcher in der historischen Rückschau bedenklich erscheint.

 

Die Menschen, die heute Tiere essen, sind nicht bösartig. Es sind aufgeklärte Menschen, welche die Werte des Mitgefühls und der Dringlichkeit der Leidensverringerung in sich tragen. Doch im Umgang mit den Tieren, die sie essen, existiert plötzlich der gesamte Horizont ihrer Überzeugungen nicht mehr. Da ist eine tragische Lücke in ihren ehrbaren Wertvorstellungen.

Die Argumente der Sklavenhalter sind mit denen, die noch immer das Essen von Tieren legitimieren wollen, frappanterweise identisch. Die Sklavenhalter von damals gebrauchten die gleichen Rechtfertigungen wie die Tieresser heutzutage.

"Das haben wir schon immer so gemacht. Das ist doch einfach normal.“

„Das Leben ist so angenehm und bequem, wie ich es gerade führe. "
"Jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob er sich einen Sklaven halten möchte oder nicht."
"Kommt mir nun nur nicht mit moralischen Vorwürfen... es ist doch seit Jahrtausenden eine Normalität in unserer Welt.“

Es ist mir einfach bequem, Sklaven zu halten. Ich habe es gerne.

"Ich bin noch nicht so weit, die Sklaverei aufzugeben."
"Ich halte ja schon etwas weniger Sklaven. Das ist doch schon ein grosser Schritt."
"Ich halte und ernähre meine Sklaven wirklich gut. Dies schenkt mir ein gutes Gewissen, dass ich wirklich nicht denke, etwas falsch zu machen."
"Ich brauche meine Sklaven für mein Unternehmen. Wovon soll ich leben? Würden wir die Sklaverei beenden, wäre das ein grosser wirtschaftlicher Einbruch... "
"Ich brauche einfach noch Zeit und mache nun einmal so weiter, wie es auch alle anderen tun. Daran kann doch wirklich nichts falsch sein."
"Ich ändere etwas, aber wenn überhaupt, dann nur Schritt für Schritt langsam. Die Sklaven müssen halt warten."
"Ich halte die Sklaven sehr bewusst und weiss, woher sie herkommen. Das verschafft mir ein gutes Gewissen."
"Ich muss erst einmal für mich selbst sorgen. Ich brauche die Sklaven, damit es mir gut geht."

„ich nehme nur Sklaven, die aus einem guten Haus kommen.“

„Sie haben ja ein schönes Leben.“

Gerade weil das Fleischessen meist keine beabsichtigte Bosheit, sondern eine Bewusstseinslücke im ethischen Handeln darstellt,  ist dieses Relikt barbarischen Handelns noch nicht beseitigt. Die vegetarische Lebensweise ist einfach Ausdruck ethischer Konsequenz und ein wichtiger Schritt zur Integrität.