Ideale

Wer seinen Karren an einen Stern bindet - das heisst Orientierung aus einer ganz anderen Wirklichkeit her nimmt und sich nicht nur nach Zielen in dieser Welt richtet - der sieht über die Hindernisse hinweg und bleibt nicht an ihnen haften. Sein Ziel liegt jenseits des Augenscheinlichen und Banalen. Man verliert sich nicht in der Dumpfheit des Alltags. 

 

Die Sehnsucht ist keine Flucht vor dem Alltag. Sie ermöglicht es uns, ja zu sagen zur Durchschnittlichkeit und Normalität unseres Lebens. Weder unser Beruf noch unsere Familie, weder unsere Partnerschaft noch unsere Freundschaften müssen unsere Sehnsucht restlos erfüllen. Sie wecken vielmehr unsere Sehnsucht nach einer Erfüllung, die uns das Leben hier nie zu bieten vermag. Aber weil man den Karren am Stern angebunden hat, das heisst die Erfüllung nicht mehr hier sucht, wird man nicht enttäuscht wenn man die Flachheit  des Glücks in dieser Welt betrachtet.

Wir gehen weiter. Wir sind auch hier glücklich in dem, was wir erleben, aber der Weg führt uns durch alle Erfüllung und Enttäuschung hindurch weiter an den Ort, an dem man das Grenzenlose erfahren darf und deshalb sagt Krishna in der Bhagavad Gita: "ist es der Ort, von dem man, wenn man ihn einmal erreicht, nie wieder zurückkehrt." (8.15 und 8.16)

 

Dann kann man sich verabschieden von Illusionen, die man sich vom Leben gemacht hat. Der Illusion, dass einem sein Beruf völlig erfüllen müsse, dass die Familie immer in Harmonie leben könne oder dass man bei anderen immer beliebt sein könne. Viele halten hartnäckig an diesen Illusionen fest. 

Und wenn das Leben sie nicht erfüllt, dann verdrängen sie das dadurch, dass sie ihr Leben in rosigen Farben schildern. Wenn sie anderen etwas erzählen, übertreiben sie gerne. Sie stellen es immer spannender dar, als es ist. Alles in ihnen ist Besonders. Wenn sie von sich sprechen, so erzählen sie immer, wie aussergewöhnlich der Prozess ist, der in ihnen gerade abläuft. 

Damit will man überdecken, dass man in einer Krise steckt. 

Man verschliesst die Augen vor der Banalität seines Lebens und hält durch eine übertriebene Beschreibung der Situation die Illusion seiner Besonderheit aufrecht. 

 

Die Sehnsucht hält einen davon ab, sein Leben mit Erwartungen zu überfordern und Menschen mit seinen Wünschen zu erdrücken. 

Man kann dann dann Menschen annehmen, wie sie sind. Die Sehnsucht führt einen über die Welt hinaus. Sie verweist auf etwas in mir, über das alle Umstände in dieser Welt keinen Einfluss haben. Die Sehnsucht befreit einen vom Verhaftetsein an die Welt. 

Man akzeptiert, dass kein Mensch seine tiefste Sehnsucht erfüllen kann. Aus einer solchen Haltung heraus kann man dem Menschen in Freiheit begegnen, ohne ihn durch überhöhte Erwartungen in ein festes Bild zu pressen. Menschliche Liebe zu überfordern, in dem man etwas von ihr erhofft, was sie niemals schenken kann.

Die Sehnsucht ermöglicht eine vorurteilslose Begegnung anderen gegenüber. 

Der andere verweist mich auf Gott, ohne für mich Gott sein zu müssen.