religiöse Integration

Religionen sind Modelle, die versuchen, das Letzliche, Gott, sowie auch die Welt und uns selber zu deuten. So wie ein wissenschaftliches Modell ständig verändert und der Wirklichkeit angeglichen wird, so muss sich auch die vom Menschen verstandene Religion ihr Modell neu gestalten, muss die heiligen Bücher für die jeweilige Zeit, für das Hier und Jetzt ausdeuten. 

Wie Menschen brauchen nach wie vor Rituale und Zeremonien. Wie wollen ja feiern, was wir zutiefst sind.

Wer ein Glaubensbekenntnis verabsolutiert, isoliert den Menschen in eben diesem Bekenntnis. Er wird gehalten, Gott und die Welt in Begriffen und Konzepten zu erfassen und erkennen. Das Bekenntnis kann aber die Sicht auf die Wirklichkeit verstellen. 

Die heutige Zeit braucht eine Transkonfessionalität.

 

Viele Menschen in Europa gehören keiner Religion mehr an. Eine grosse Zahl ist nicht mehr getauft. Unter diesen Menschen sind nicht wenige, die sehr religiös sind, aber keiner Konfession mehr angehören wollen. Man kann durchaus ohne Konfession einen spirituellen Weg gehen, denn jeder Weg führt letztlich über die Konfession heraus. 

 

 

 

Jede religiöse Tradition kann sich heute nicht mehr genügen und braucht den Anstoss von aussen um ihren Kern zu vertiefen und den heutigen Umständen gerecht zu werden.

Die Begegnung der Religionen ist heutzutage nicht mehr eine Begegnung im Banne der Feindschaft oder mindestens der Konkurrenz, sondern eine der gegenseitigen Befruchtung. 

 

Unverträglichkeiten gibt es nicht nur zwischen den verschiedenen Traditionen, sondern auch innerhalb der eigenen Traditionen (Shankara und Madhva sind genauso weit auseinander entfernt wie Thomas und Bonaventura).

 

Drei Perspektiven, die Absolutheit einer religiösen Tradition zu deuten

 

-Es ist die absolute Religion. Alle anderen sind entweder keine Religion oder befinden sich auf dem Weg, Religion zu werden. 

 

-Die Religion ist eine Religion neben den anderen. Es ist eine wahre und echte Religion, kann aber keinen Exklusivitätsanspruch erheben. Die Wahrheit einer Religion bedeutet nicht die Unwahrheit einer anderen. 

Dass Gott zum Beispiel Israel oder die Kirche auserwählt hat (Identitätsprinzip) , heisst nicht, dass Gott ein anderes Volk oder eine andere Religion nicht auserwählt hat (Widerspruchsprinzip). Die Aussage, meine Religion sei die wahre Religion, schliesst die Wahrheit der anderen Religionen nicht aus. 

 

-Die Religion hat ewig wahre und gültige Inhalte. Sie zielt auf ein Mysterium hin, das in den verschiedenen Traditionen verschieden benannt wird, welches auf je eigene Art in jeder echten Religion wirksam wird. 

 

Das Verhältnis der Religionen ist nicht mit der Beziehung zweier Handelsfirmen zu vergleichen, die jede die eigene Ware denselben Kunden verkaufen will. Es ist auch nicht zu vergleichen mit dem diplomatischen Gespräch zweier Weltmächte, die sich gegenseitig verstehen müssen, um die Welt nicht zu vernichten. 

Die Religionen sind weder Konkurrenten noch Feinde. Sie sind eher wie zwei Sprachen, die alle sagen, was sie sagen wollen, jede auf ihre Weise. Zwei Lebensformen, die den Reichtum menschlichen Lebens darstellen. 

 

 

Religiöse Begegnung

 

Man studiert die Doktrinen der verschiedenen Religionen. Das ist ein zwischenreligiöser Dialog. 

Wenn sich aber das Gespräch im Innersten der Person entzündet, ist das innerreligiöser Dialog, der in sich eigentlich die Grundhaltung jeglicher Spiritualität darstellt.

Man stellt sich die Frage nach der Wahrheit und lässt die Erfahrungen der verschiedenen Überlieferungen in sich nachklingen.

Dieser innerreligiöse Dialog führt die Seele in eine Wüste, die reinigend, aber auch auflösend sein kann. Die Mauern der Mikrodoxie stürzen ein, aber man wird umso weniger unter den Trümmern begraben, als es einen gelingt, die Steine aufzusammeln, um anstelle des bestehenden Hauses ein neues Haus zu bauen. Es geht dabei nicht um den Bau eines isolierten Bunkers, sondern um ein Bei-sich-sein, ein offenes Domizil für die Kommunikation mit der Wirklichkeit.

Die Suche wird zu einem nach allen Seiten offenen Gebet. 

Dabei wird die Religion des anderen wird zu einer persönlichen existentiellen religiösen Frage, die nicht um das eigene Ich zentriert bleibt, sondern sich ganz für die unerwartete Führung Gottes öffnet.

Solange der Kontakt mit der Spiritualität des anderen oberflächlich bleibt, ist es leicht, Toleranz und sogar Sympathie zu zeigen – man stellt sich aber nicht die persönliche Frage nach der Wahrheit – die alles Bisherige in einem wieder in Frage stellen könnte.

Manchmal verbirgt sich hinter dem nach aussen hin respektvollen Verhalten eine verächtliche Gleichgültigkeit. Man mag, angestiftet aus Kuriosität, die Weltanschauung des anderen erforschen, aber ohne innerreligiösen Dialog bleibt man verschlossen in sich selbst und meidet das Gespräch über den Sinn und das Ziel des Lebens. 

Innerreligiöser Dialog akzeptiert, sich durch den anderen belehren zu lassen und nicht nur durch seine eigene Clique. Man verlässt das mehr oder weniger unbewusste Verhalten, dem die Idee eines privaten Eigentums im Bereich des Religiösen zugrunde liegt. Der innerreligiöse Dialog ist ein Akt der Assimilierung.