Religiöser Pluralismus

 

Die Mentalität der Dialogverweigerung „bis hierher und nicht weiter“ ist bereits Ausdruck von Nationalismus und Fundamentalismus – und führt nicht erst dazu.

 

Identität entwickelt sich dort, wo man sich auf das Fremde einlässt und sich versuchsweise vom Übernommenen distanziert. Darum ist die Angst, Begegnung mit fremden Religionen führe weg von der eigenen Spiritualität, unbegründet. Durch interreligiöses und interkulturelles Lernen und Kommunizieren wird am Fremden Eigenes wahrgenommen und bewusst; eigenes wird differenziert, erweitert und geklärt. Eigentlich ist eine günstigere und ergiebigere Lernsituation kaum vorstellbar.

 

Heute religiös zu sein heisst interreligiös zu sein. Das ist der Geist des Sanatan Dharma, der Transreligiösität.

 

Wenn die Vielfalt der Wege von Gott gewollt sind, dann geht es in der Begegnung der Religionen um mehr als nur „Freundlichkeiten“ auszutauschen.

 

"Weshalb bist du neidisch und aufgebracht über jene, die eine andere Form der Verehrung haben?

Es gibt Unterschiede in Personen, Orten und Ländern. Einige tätigen die Verehrung in einem Lendenschurz oder nur einem Tuch bekleidet, während andere es in Königskleidern tun. Einige beten gebückt, andere tanzend. Jemand ehrt das Brahman (die leuchtende Ausstrahlung Gottes) mit geschlossenen Augen, andere sitzen in einer yogischen Körperhaltung während andere absorbiert sind in die Heiligen Gottesnamen (sankirtan).
Aber sie alle verehren Ihn, den Ruheort aller Opulenzen, Sri Krishna. Deswegen, in der Stimmung einer Geschwisterlichkeit, sollten wir alle miteinander kooperieren. Im Leben und im Tod einfach Ihm dienen.“ (4. Kapitel des “Prema Pradipa” von Srila Bhaktivinoda Thakura – dies hat er vor über 100 Jahren geschrieben)

 

Mit welchem Recht betrachten wir die eigene spirituelle Tradition als etwas Abgeschlossenes? Gerade die indische Tradition betont doch immer wieder auch die mündliche Tradition, und nicht nur das geschriebene Wort.

Müssten wir nicht vermehrt den Glaubensgeschwistern begegnen und uns von ihnen herausfordern lassen? Weshalb bringen wir uns in einen offenen Austausch und Dialog, eine Begegnung mit den Erfahrungen des anderen, nicht überzeugender ein?

Darf ich es als „etwas Anderes“ gelten lassen? Zumindest mich von der Andersartigkeit bereichern lassen.

 

 

Nicht nur der inter-, aber auch der intra-religiöse Dialog befruchten. Ich habe staunenderweise immer wieder beobachtet, wie die Angst vor dem intrareligiösen Dialog fast noch grösser ist.

 

Voltaire soll einmal gesagt haben, bei nur einer Religion bestehe die Gefahr des Totalitarismus, bei zweien die Gefahr des Konfliktes, bei drei und mehr Religionen die Chance der Harmonie.

 

In der Begegnung mit anderen Religionen sollten wir die Haltung einnehmen, die Gott von Mose verlangt hat: „Ziehe deine Schuhe aus, du betrittst heiligen Boden.“

 

Interspiritualität ist Sanatan Dharma.