Was ist Religion?

Religion ist der Weg, den der Mensch folgt, um zu seiner transzendenten Bestimmung zu gelangen (Heils-Pfad).

Die menschliche Grundbefindlichkeit ist weder wie sie sein sollte, noch wie sie sein könnte.

Diese Erkenntnis erzeugt die Dringlichkeit des Anliegens. Das Bedürfnis des Transzendierens der gegenwärtigen Situation. Religion ist in dem Sinn das Grundbedürfnis des Menschen.

Der Mensch so ist ein unfertiges Wesen, in Vorläufigkeit. Es ist keine Situation des Weilens, denn eine noch unerreichte Wirklichkeit erwartet ihn. Er ist ein Seiendes, das noch wächst und als Pilger unterwegs ist. 

 

Der Mensch braucht eine radikale Umwandlung. Religion ist dynamische Bewegung auf das Eschaton hin, die aus der Unzufriedenheit mit dem status quo hervorgeht. 

Der Mensch ist mehr als blosser Mensch – will er sich auf sein Menschsein beschränken, degeneriert er in einer Sinnlosigkeit der Endlichkeit.

Der Ruf Gottes macht ihn unruhig. Er ist zur theosis (Vergöttlichung) berufen.

Der Mensch kann seinen status quo nicht als etwas Endgültiges verstehen. Immer ist Raum für Veränderung, Wandel, Reue, Umkehr, Hoffnung, Erlösung. Der Mensch existiert (existere bedeutet „heraustreten“) - das ist seine Bestimmung. 

Gott wird nie Gott, aber der Mensch wird, was er noch nicht ist. 

 

 

Der Ruf der Religion fordert, nicht weiter in der Befangenheit der kulturellen und konfessionellen Inseln zu denken. Nicht in provinzialem Denken, sondern in universalen (auf Ihn hinzu) Verstehen.

 

 

Dieser Pfad umfasst drei Elemente:

 

1. Eine Schau des Menschen, wie er sich selber sieht, in seinem Sein vorfindet und wie er die  

    Welt versteht (sambandha).

 

2. Eine gewisse, mehr oder weniger entwickelte und durchdachte Vorstellung über das letzte 

    Ziel (eschaton), den endgültigen Zustand des Menschen (prayojana).

 

3. Die Mittel, dahin zu gelangen; den Weg, in dieses Bewusstsein einzutreten (abhideya).

 

 

Diese drei Grundelemente finden sich in jedem spirituellen Ansatz.

 

Selbst in nicht-theistischen Traditionen, wo die Seele und Gott nicht erwähnt werden (wie zum Beispiel im Buddhismus), finden sich diese Elemente.

 

1. anaatma-vada (Nicht-Substantialität alles Seienden)

 

2. antropokosmische Grunderfahrung des sarva-dukha (alles ist Leid) und der Sehnsucht der Auflösung davon. Sunyavada, der Pfad der völligen Auslöschung des Seins, ist nicht philosophischer Nihilismus und nicht metaphysischer Agnostizismus.

Alles, was in den Bereich unserer Erfahrung fällt, ist leer und frei von jeder ihr übergestülpten Beständigkeit, mit der wir unser vergängliches Sein auszuschmücken geneigt sind.

 

3. moralische Verpflichtung in Form des achtfachen Pfades.

 

Aus der Perspektive des Theismus (Sanatan Dharma)

1. Loslösung aus der falschen Identität der Identifikation mit grob und feinstofflicher Materie. Daraus resultiert Atma Bhava – das Wahrnehmen, noch nie etwas anderes gewesen zu sein als eine ewige Seele. Diese Seele hat eine ewige Form. 

Alle Lebewesen (jivas) sind winzig kleine, bewusste und ewige Teile Gottes. In dieser Welt beseelen sie alle Körperformen, also auch Tiere, Pflanzen. Sie behalten ihre Identität  bei, auch nach der Befreiung des Kreislaufes der Wiedergeburten. Wenn ihre aufgesetzte materielle Identifikation mit dieser Welt, die nur eine Bedeckung des jiva darstellt, vollkommen abgelegt ist, manifestiert sich erst dessen wahre Individualität (svarupa). 

 

2. Das Ziel ist Prema (reine Gottesliebe), dass das Ewige (die individuelle Seele in ihrer ursprünglichen Stellung frei von jeglicher Identifikation mit Materie) mit dem Ewigen (der Höchsten Persönlichkeit Gottes) in einer ewigen Sphäre einen liebevollen Austausch pflegt. Die Seele erfährt darin Rasa – eine ewige aussergewöhnliche Freude mit Gott gemäss seiner in ihm wie ein Same angelegter stayi-bhava (ewige Beziehung zu Gott). 

 

3. Die Seele kann bereits in dieser Welt mit der Energie der Wirklichkeit in Berührung sein. Das nennt man Sadhana. Die Pfade, die Gott aus seinem Mitgefühl zu allen Seelen in diese Welt hineinlegt als Möglichkeit der Rückkehr sind unbegrenzt. Sie sind so konzipiert, dass, unabhängig der Verhaftung und des Hineinprojezierens  des jiva in die Materie, jede Seele ein Interesse finden kann und angesprochen wird. 

Alle Yogapfade sind angelegt wie eine Leiter mit verschiedenen Sprossen, die die Seele durch verschiedene Verwirklichungen hindurchführt.