Der Tod

Der Philosoph ist auf den Tod bedacht, er lebt in seinem Gedenken. Er möchte schon im Leben sterben, lebend den Tod vorwegnehmen. Philosophie betrachtet den Tod nie als die Katastrophe, kein Sturz oder Umsturz wie ihn der Alltag sieht, sondern ein besonderer Anfang, ein Ausgangspunkt, an dem die von der Last des Leibes befreite Seele sich wieder wirklich orientieren vermag. Der Tod ist nicht Schlusspunkt, sondern nur ein Durchgangspunkt. Das Ich vergeht nicht, sondern geht zu "Grunde", lernt eben, den Dingen auf den Grund zu gehen. Im Tod streift sich der Einzelne seine Endlichkeit (das, was eben ein Ende hat) ab und nähert sich seinem unendlichen Grund.

Ich darf dem Vergehen und Verfallen ganz ruhig und friedlich zuschauen. Die Macht des Geistes besteht nicht im bloss Positiven, sondern darin, dass er dem Tod ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt - und nicht reagieren muss. Von diesem Punkt beim Tode geht eine Zauberkraft aus, die einem zur Essenz in unserem Leben führt, die Wichtiges und Unwichtiges, die in unserem Leben so vielschichtig übereinandergelagert sind, zu trennen beginnt (das Überflüssige wird wegsortiert).
Für alle Denker ist der Tod kein katastrophischer Schlusspunkt, sondern ein ausgezeichneter Wendepunkt, der in ein höheres Sein führt. Er kann die Seele, die als das Unwandelbare immer gleich bleibt, dem Unsichtbaren, dem Göttlichen, näher bringen.
Der Tod erhöht, vertieft und verklärt unser Sein. Tot sein heisst wach sein, in sich selbst gesammelt und nicht mehr abgelenkt und verwirrt sein vom Leib, der das Wahre trübt. Der Tod vertieft die Sammlung und Innerlichkeit der Seele. Philosophieren als das Sterben zu betrachten bedeutet, die Oberflächlichkeit (die Faszination der Oberflächen - Sinnlichkeit und Materialismus) zu töten zugunsten des Unsichtbaren und Vernünftigen.

Mit der Geburt begann mein Erdenweg... er mündet ein in das Ablegen der sterblichen Hülle, des Erdenkleides.
Dazwischen war das, was wir Leben nannten - eine Ansammlung von Höhen, Tiefen, Freuden und Leiden - der Schicksalsweg des Individuums.
Das Menschenleben zwischen Geburt und Tod ist nur eine Seite der Wirklichkeit. Die andere ist für die äusseren Augen unsichtbar.
Es ist das Sukriti - jeder Moment, in dem diese Seele sich nicht aus der Schicksalsarrangierung heraus betrachtete und definierte, sondern aus der Sicht des Beobachtenden desselben. Jeder Moment, wo sie sich zutiefst der Frage stellte, wofür sie eigentlich hingeschaffen ist. Jeder Moment, wo sie die Verbindung zu allem gespürt hat und eigentlich alles hätte umarmen können (das ist der Unterschied zwischen Verhaftung, die sich nur auf bestimmte Objekte richtet und eben der Liebe, die zur Gesamtheit hinfliesst). Jeder Moment, in dem es ihr aufleuchtete, dass Leid nicht das war, wie man es sonst definiert - es ist die Kette von Glück und Leid.
Jeder Moment, in dem sie spürte, eigentlich ganz aufgehoben zu sein in der Führung Gottes, und dass somit nicht die Ereignisse wirklich zählen, die ich dann in mein Schema des "Es war gut/Es war nicht gut" einzugliedern suche, sondern dass es um die Erkenntnisse geht, die Einsichten, die ich dabei machen durfte.
Jeder Moment, in der sie sich wieder als ewiges Wesen erlebte, und darin eine unendlich starke Sehnsucht der Heimkehr in ihre Wesensheimat auflebte, da sie in diesen Momenten sah, dass sie keinen Kontaktpunkt mit der Prakriti, der gesamten materiellen Schöpfung, besass.
Jeder Moment, in dem sie einfach Versöhnung mit allem fühlte.
Jeder Moment, in dem sie die Welt nicht als Arrangierung für ihre Unterhaltung und Belustigung erlebte, sondern einfach als ein Übungsfeld, auf dem ich meine Identität von den vielschichtig gelagerten Identifikationen heraussortieren darf.

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Und dieses Sukriti führt zu satsang, Gemeinschaft mit den Boten Gottes, die die innere feine Ahnung bestärken und sie zu einer konkreten Sehnsucht anwachsen lassen.

Durch solche Anschauung wird das menschliche Leben wieder weit, gross, wie es ihm eigentlich enspricht, und die Fragen des Lebens werden in einen grösseren Zusammenhang gestellt.

Dann wird man aus der Welt herausgeboren in ein anderes, nachtodliches Leben.
Es war nur das verlassen des Erdenhauses.


Wenn ich meinen Vater oder meine Geliebte dann selber verbrenne, dabei bin, und schlussendlich die paar hundert Gramm übrig gebliebene Asche in einen Fluss streue, so ist das ein sehr effektives Abschied nehmen, ein memento muori, das vieles relativiert in meinem kleinen verbürgerlichten Alltag.

Die Upanisaden sagen: den Tod gibt es nicht. Er ist eine Illusion, die für diejenigen bestimmt ist, die sich der Ursache aller Ursachen, der Höchsten Persönlichkeit Gottes, nicht vollständig ergeben wollen. (Denn niemand stirbt - jemand geht nur aus dem Körper, in dem er einige Jahre drin gelebt hat, wieder heraus.