Schmerzen

Das Leiden ändert seine Struktur, wenn man aufhört, dagegen anzukämpfen. Es sublimiert sich, wenn man die Verkrampfung einstellt, sich dem Schmerz zu widersetzen. 

 

Schmerzen lehren einen über das Verhaftetsein mit bestimmten Vorstellungen.  

 Ramana Maharsi verbrachte die letzen Monate seines Lebens unter grossen Schmerzen. Er litt unter Krebs im Endstadion und litt so fest, dass er nachts oft laut schrie und die gesamte Nachbarschaft aufweckte. Viele seiner Schüler wussten nicht, wie sie das einordnen sollten. Ein erleuchteter Meister wie er, so dachten sie, wird doch keine Schmerzen empfinden. 

 

Einer seiner Studenten befragte ihn dann darauf: „Leidest du auch am Schmerz?“

Ramanas Antwort war aufschlussreich: „Die Schmerzen sind da, aber kein Leiden.“

 

Er empfand auch Schmerz, der wie ein körperlicher Indikator ist, dass etwas mit ihm nicht stimmt, der wahrgenommen wird in dem Masse, wie Identifikation mit dem Körper existiert. Und doch sagte er: „Das ist kein Leiden.“ 

Was ist der Unterschied zwischen Leiden und Schmerzen?

 

Die Wurzel des Leidens liegt im mentalen Bereich. Man leidet, weil man im Bewusstsein, im Denken an bestimmten Vorstellungen hängt, wie das Leben zu sein habe. Alles soll auf bestimmte Weise ablaufen – nämlich so, wie es sich gut anfühlt gemäss der momentanen Selbstplazierung im Zeitweiligen. 

Danach empfindet man deutlich die Diskrepanz zwischen „dem, was ist“ und „dem, wie es eigentlich sein sollte gemäss den Vorstellungen des momentanen Ich“. 

 

Das Verhaftetsein mit einer Vorstellung, wie das Leben sein sollte, ist die Ursache des Leidens. Von da weitet sich das Leiden auf alle Aspekte unserer Erfahrung aus. Man empfindet emotionalen Schmerz, weil man mit dem Leben, wie es ist, nicht zufrieden ist. Man reagiert auf diesen Schmerz auch körperlich – mit Stress, Geschwüren, Herzkrankheiten…..

Aber die Wurzel des Schmerzes findet im Denken statt, in der fixen Vorstellung, dass die Dinge anders seien, als sie wirklich sind. 

 

Ramana fühlte die Schmerzen, die mit dem Krebs einhergingen. Dennoch konnte er aufrichtig behaupten, dass er nicht leide, weil er keiner Vorstellung nachhing, dass sein Leben anders zu sein habe, als es tatsächlich war. 

Er war nicht dem Wohlbehagen verhaftet. 

 

In der zweiten edlen Wahrheit lehrt Buddha, dass das geistige Verhaftetsein die Ursache des Leidens sei. Man klebt sich an eine Idee, wie das Leben auszusehen habe. 

Buddha lehrt, dass die Beendigung des Leidens in der Loslösung der Vorstellung des kleinen Ichs ist, das sich gerade in der Welt platziert, von dem im Kopf sitzenden Idealbild, welches gar nicht der Wirklichkeit entspricht.

In theistischen Traditionen wird das gemacht in der Auslieferung an den Willen Gottes. 



Siehe auch: Leiden und Schmerzen