Stumme Schreie

 

Im Menschen steckt eine Ursehnsucht, dass die Täter nicht über ihre Opfer triumphieren. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit steckt tief in uns – und wir dürfen sie nicht überspringen.

 

Gleichgültigkeit vor dem Leiden anderer ist Stumpfheit. Wie kann man sich vor dem Leidensschrei unserer Geschwister in der Tierwelt verschliessen? Das wäre unaushaltbare Verantwortungslosigkeit.

Es ist irrelevant, von was für Grundwerten wir sprechen. Das Wesentliche ist, was wir leben. Fleischessen ist direkter Auftrag zur Auslöschung von Leben.

 

Die Bibel berichtet vom Brudermord in der Genesis. Als Gott Kain zur Rechenschaft zieht und ihn fragt: „Wo ist dein Bruder Abel?“ , antwortet Kain: „Ich weiss es nicht.“ (Gen 4.9)

Kain verweigert die Verantwortung für sein Tun. Doch das führt dazu, dass er sein Leben lang mit existentieller Unruhe umerherwandern muss.

 

 

Tiere sind entweder geliebte Haus- und Kuscheltiere oder tauchen unter in einer anonymen Masse, die wir dann töten lassen und auf dem Teller verspeisen.

Diese Irrationalität im Umgang mit Tieren bedeutet, dass man einige Tiere vermenschlicht und zur Kompensation mangelnder sozialer Beziehungen werden lässt und auf der anderen Seite Tiere instumentalisiert für Eigeninteressen. Zwecks Gaumen- und anderen Selbst-Interessen werden sie entindividualisiert.

 

Der Mensch hat sich eingeredet, die Krönung der Schöpfung zu sein. Anstatt nun voller Mitgefühl und Segen diese Verantwortung anzunehmen, sind wir Ausbeuter geworden und leben eine Weltanschauung, die einen glauben lässt, dass alle anderen Kreaturen nur dazu geschaffen seien, dem Menschen Nahrung und Pelze zu liefern, um gequält und ausgerottet zu werden. Man spricht den Tieren willkürlich ihren eigenen Existenzzweck ab. 

 

Wenn wir über die Beziehung des Menschen zu seinen Mitgeschöpfen, den Tieren, nachdenken, nimmt man in erschreckendem Masse wahr, wie sehr unsere Gesellschaft auf institutionalisierte Gewalt gegen Tiere gegründet ist.

 

Wir befinden uns mit den anderen Geschöpfen dieser Erde im Krieg. Überall hat der menschliche Imperialismus die Tiervölker versklavt, unterdrückt, ermordet und verstümmelt. Überall um uns herum liegen die Sklaven- und Vernichtungslager, die wir für unsere Mitgeschöpfe errichtet haben: Zuchtfabriken und Schlachthäuser – Dachaus und Buchenwalds für die besiegten Arten.

 

Das Angewöhnte ist bequem. Die Frage des Gewissens aber lautet: Ist es gerecht?

Alles, was das Tier kann, darf es auch. Der Mensch kann viele Dinge, die er nicht darf.

 

 

Aus dem Buch von Peter Longerich „'Davon haben wir  nichts gewusst!` Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933 -  1945":

 

„Frauen fielen in Ohnmacht oder weinten. Männer bedeckten ihr  Gesicht und drehten die Köpfe weg. Als die Zivilisten immer  wieder riefen: `Wir haben nichts gewußt! Wir haben nichts gewußt!`, gerieten die Ex-Häftlinge außer sich vor Wut. `Ihr habt es gewußt`, schrien sie. `Wir haben neben euch in den Fabriken gearbeitet. Wir haben es euch gesagt und dabei unser Leben riskiert. Aber ihr habt nichts getan.`"

Ein erheblicher Teil der Menschen hat vom Holocaust gewußt. Denn die Deportationen (...) geschahen ja nicht im Dunkel der Nacht, sondern vor aller Augen, am hellichten Tage. Und sie wurden begleitet von Kommentaren in der Presse, die keinen Zweifel daran ließen, welches Schicksal die Deportierten (...) erwartete."

Exakt wie heute mit Tieren! Auch heute begegnen wir täglich auf der Autobahn den Schlachttiertranporten. Und auch heute wird darüber in den Zeitungen regelmäßig berichtet. Und auch heute wollen die Menschen davon nichts wissen.
Was ist eigentlich die angemessene, die moralisch richtige individuelle Reaktion auf kollektives Unrecht, das uns umgibt? In bezug auf die Nazizeit gibt die 85jährige Verlegerin Maria Sommer folgende Antwort: „Jeder ist schuldig, der nicht im Widerstand war." (ZEITmagazin Leben, 29, 2007, S. 44 f.)

Von jedem aktiven Widerstand zu fordern, ist vielleicht zuviel verlangt, zumindest, wenn man darunter Dinge versteht, die geeignet sind, einen mit dem Gesetz in Konflikt zu bringen.

Was man hingegen auf alle Fälle verlangen kann, ist, daß sich jemand nicht bewußt und aktiv an diesen Verbrechen BETEILIGT! Genau das macht aber jeder Fleischesser. Angesichts des heutigen Wissensstandes über das, was mit den Tieren passiert, bevor sie auf unserem Teller landen und angesichts des breiten Angebots an vegetarischen Lebensmitteln, ist, wer heute noch immer Fleisch ißt, nicht Mitläufer, sondern Mittäter.

 

Mittlerweile ist eine neue und besonders gefährliche Generation von Fleischessern herangewachsen, die sich der Grausamkeit und ethischen Abstrusität des Tötens für Gaumenfreude vollkommen bewusst ist, dies aber noch für legitim hält, das es ja nur Tiere sind – und damit für unsere Interessen verfügbar.

 

Diese neue Generation ernährt sich gesund, natürlich und bewusst. Sie argumentieren, dass sie sich als Teil eines grösseren Ganzen begreifen, wo das „Fressen und Gefressenwerden"  unvermeidbar sei. Bei dieser diffusen Natürlichkeits-Folkore mutiert das Umbringen der Tiere
geradezu zum Dienst an der Schöpfung. Wer sich solcherart „naturnah" und „bewußt" mit Fleisch versorgt, klinkt sich quasi wieder aktiv ins natürliche Geschehen ein.

Das Tier kann nichts, was es nicht darf – der Mensch sehr viel. Beim Menschen existieren keine absolut notwendigen Verhaltensweisen. Er hat sich zu entscheiden.

Gerade dieses Geschöpf, das sich immer als Krone der Schöpfung betrachtet, rechtfertigt sein Lustmorden mit einer Natur-Notwendigkeit, die gar nicht besteht.

 

Die dringliche Bitte des Kalbes an dich ist deshalb: „Lass uns leben – ernähre dich vegetarisch.“