Der Schock des Absoluten

Lieber Syamasundar

In der Oberflächlichkeit, die ich immer wieder aufsuche, in der ich versuche, mich einzurichten, und immer wieder die kleinen Momente des Glücks zu finden und vorzugeben, damit einfach zufrieden sein zu wollen - genau darin verleugne ich die Seele.

Der Ozean der Gottesliebe ist kein seichtes Gewässer. Weshalb will ich die unübersehliche Tiefe übersehen? So führe ich nur ein Ersatzleben an der Oberfläche (der Gier - dem Annehmen, was einem momentan in seinen eigenen Plan der Bequemlichkeit hineinpasst und dem Hass, dem Bekämpfen dessen, was da eben nicht hineinpasst), anstatt mich auf Seine Nähe einzulassen.

Für die alles umfassende Realität kann ich doch nicht weniger als "Alles-Hingeben". Das ist doch offensichtlich.

Der Schock dieser Begegnung lässt die gesamte Welt verschwinden.


Im Mukunda Mala Stotra singt Kulasekhara:

prthvi renur anuh payamsi kanikah phalguh sphulingo laghus
tejo nihsvasanam marut tanu-taram randhram su-suksmam nabhah
ksudra rudra-pitamaha-prabhrtayah kitah samastah sura
drste yatra sa tarako vijayate sri-pada-dhuli-kanah (14)

"Wenn ich meinem Geliebten nur einmal begegne, wird die ganze Welt im Vergleich dazu zu einem ganz kleinen Staubkörnchen, alle Gewässer werden zu kleinen Tropfen, die Gesamtheit allen Feuers zu einem winzigen Funken, alle Winde schwinden in dessen Vergleich zu einem matten Seufzer, und die Ausdehnung allen Raumes wird nur noch ein kleines Loch. Weltherrscher wie Rudra und Grossvater Brahma werden unbedeutend, und alle Devas erscheinen wie ganz kleine Insekten.
Wahrlich, selbst ein Staubpartikel von den Füssen meines Herrn übertrifft dies alles."

satyam bravimi manujah svayam urdhva-bahur
yo yo mukunda narasimha janardaneti
jivo japaty anu-dinam marane rane va
pasana-kastha-sadrsaya dadaty abhistam (40)

O Menschheit, mit hoch erhobenen Armen verkünde ich die Wahrheit! Jeder Sterbliche, der täglich von ganzem Herzen nach den Namen von Mukunda, Nrsimha, und Janardana ruft, wird sehr bald seine langehegten Wünsche, sein bisheriges Streben und alte Sehnsüchte als nicht wertvoller betrachten als einen Stein oder einen Holzblock."
Now that I have become intoxicated by tasting the nectarean mellows of devotional service to Sri Krsna, who performs pastimes in Vrndavana, impersonal liberation has become very bitter for me, the objects of the senses appear like various fearful hellish realms, the varieties of material enjoyment have become like the most virulent poisons, the great demigods appear no more significant than a host of insects, and the yogic powers appear like mirages. (VM 1.66)


Wenn dieses "ich" - ein System bestehend aus mentalen Konstrukten, Hoffnungen, sozialen Vereinnahmungen und angewöhnten Konzepten konfrontiert wird mit dem nitya dharma (meiner eigentlichen und wichtigsten Aufgabe), beginne ich zu erahnen, dass das gesamte "ich" nur eine Einbildung war, an die ich mich festhalte, und mein bisheriges "Ein- und Alles" eigentlich überflüssig ist.
Durch diese Erkennen ist das System aber noch nicht aufgelöst und zerstört, sondern nur aufgeschreckt, erschüttert.
Resignation ist nicht Aufgabe (Ergeben) - es ist nur Widerstand, der für einen Moment so schwach geworden ist, dass der Kampf kurz brachliegt. Es ist brachliegender Widerstand. Resignierte sind oft starre und hartnäckige Widerständler.
Ich leide nicht daran, dass ich die Wahrheit nicht finde, sondern nur daran, dass ich das, was mich hindert, sie zu erkennen, nicht aufgeben will.

Es ist nur das freiwillige und beständige Aushalten von Wirklichkeit, der Begegnung mit Dir, die mich wieder zu dem zurechtformt, was ich bin.

Wenn ich erkenne, dass dieses Zusammenkommen, diese höchste Liebe der letzte Sinn meiner Existenz darstellt, dann genügt das, um die Zeitspanne auf mich zu nehmen, die es noch durchzuhalten gilt, bis kommt, was vollkommen ist.

Die vollständige Wandlung und die vollendete Liebe wird mir hier nicht beschieden. Aber ich lebe auf sie zu. Und zwischen "Jetzt" und "Dann" liegen Geduld, Vertrauen - und auch Schmerz. Auch wenn ich es nicht immer fühlen mag, so kann ich es doch zumindest wissen, in Gewissheit haben: Ich bin immer aufgehoben im Herzen Krishnas. Und Seine Gegenwart hängt nicht einmal vom Registrieren Seiner Gegenwart in mir ab.

Die erkannte Hilflosigkeit tief in mir drin, sichert den Bestand der Liebe, weil diese sich nun nicht mehr auf das Ich, sondern immer nur auf dieses Höchste Du stützen wird, dem sie nun wieder zugewandt ist. Durch dieses Begegnen wird immer tiefer klar, wie sehr man "hilflos" ist, aber "geliebt".