Darf man glücklich sein in der materiellen Welt?

Gottes-Hinwendung erscheint vielen Menschen nicht als das Synonym der Lebensfreude. Religion ist für den heutigen Menschen mehrheitlich ein System weltanschaulicher Vergraulung des Frohmutes, der Ausgelassenheit und der Heiterkeit geworden.

Die vielen Versprechen auf Jenseitsverheissung und die moralische Regelung, die es zu befolgen gilt, um dieses Heil nicht zu verpassen, lasten schwer auf der Unbeschwertheit des Herzens.

Aber auch die materialistische Weltanschauung zeichnet ein recht düsteres und nicht sehr freudvolles Bild. Die säkulare Kultur beschreibt den Menschen „nicht mehr als gottgewollte Krönung einer gut gemeinten, gut gemachten Schöpfung aus der Intention der Liebe, sondern als unbeabsichtigtes, kosmologisch unbedeutendes und vorübergehendes Randphänomen eines sinnleeren Universums.“ (R. Dawkins)

 

Die Frage ist nun, inwiefern eine Seele auf dem Weg zur Transzendenz, in der Welt glücklich sein darf.

Wäre die materielle Welt gänzlich glücklos, wäre das eigene erfahrene Leiden die Grundmotivation zur Gotteshinwendung. Dies aber ist kein Antrieb der Liebe, da dieser um das eigene Selbst kreist und nicht um Krishna um Krishnas Willen.

 

Ist nun Glücklich-Sein in der Welt Sünde?

 

In der Sprache sind ureigene Wahrheiten verborgen.  Im Deutschen wird das Wort „Heide“ (= Ungläubiger) unter anderem verwendet, um andere Begriffe zu verstärken. So ist ein besonders grosses Spektakel ein „Heidenspektakel“, eine übermächtige Angst eine „Heidenangst“ und ein richtig toller Spass ein „Heidenspass“.

Im Falle des „Heidenspasses“ besitzt die Wortzusammensetzung eine zweite, tiefere Bedeutung: Das Kompositum deutet darauf hin, dass die konsequente Ausrichtung am Spass, an der Freude im Diesseits, eine zutiefst heidnische Lebenseinstellung ist. Das kleine, irdische Glück war stets eine Domäne der Heiden. Gute Christen dagegen waren auf „Höheres“ aus, auf das Himmelreich, das über das „irdische Jammertal“ hinwegtrösten sollte. Von daher hat es schon seine Richtigkeit, dass wir das Wort „Heidenspass“ kennen, aber religiöse Äquivalente wie „Christen-, Muslimen- oder Hindu-spass“ vergeblich im Wörterbuch suchen.

 

Zudem finden sich in den heiligen Unterweisungen der Bibel und auch der Bhagavad Gita viele Aussagen, die interpretiert werden könnten als Bestärkung in der Weltabkehr.

Jesus predigt, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr käme als ein Reicher in den Himmel, und die Gita (2.44) spricht von der Unmöglichkeit die klare Entschlossenheit zu entwickeln, Krishna in Liebe und Hingabe zu dienen, wenn jemand noch an Sinnengenuss oder Reichtum haftet.

 

Zugegeben: Der scharfe Gegensatz zwischen dem heidnischen Hedonismus (von griech: hēdone = Freude, Lust) und der abendländischen, christlichen Jammertalsrhetorik mag heute abgeschwächt sein,  Aber in Zeiten, in denen sich das Christentum selbst noch ernster nahm, konnten die Gläubigen gar nicht anders, als mit „heiligem Zorn“ gegen den „durch und durch unchristlichen Hedonismus“ zu Felde zu ziehen. Gute Beispiele hierfür sind Papst Innozenz III., der mit seiner Schrift „Über die Verachtung der Welt und über das Elend des Menschen“ die irdische Qual als Königsweg zu Gott bestimmte, oder der jüngst heilig gesprochene Opus-Dei-Gründer Josemaria Escriva, der - in der Mitte des 20. Jahrhunderts! – unter grossem klerikalen Beifall verkündete: „Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen lässt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis.“ (Escriva, Josemaria (1982): Der Weg. Köln, Spruch Nr. 194)

Das gesamte Mittelalter war geprägt von dieser starken Jenseits-Orientierung: Die Entbehrung in der Welt würde dann im Ewigen vergolten.

 

Angesichts dieser enormen Verherrlichung des irdischen Leidens muss man sich nicht wundern, dass Legionen frommer Gelehrter den freundlichen Philosophen des irdischen Glücks, Epikur, zu einem der ernstesten Feinde der „frohen Botschaft“ erklärten und dafür sorgten, dass der Begriff „Epikureer“ zu einem beliebten Schmähwort avancierte. Der Name des alten Griechen, der immerhin drei Jahrhunderte vor der Ankunft des Messias lebte, musste nun zur Kennzeichnung einer verdammungswürdigen Lebensweise herhalten, wurde er doch der Inbegriff des innerweltlich Geniessenden. So wundert es nicht, dass ausgerechnet „Epikur und seine Jünger“ von Dante literarisch in die Hölle verbannt und als „Erzketzer“ einem ewigen Martyrium in „Flammensärgen“ ausgeliefert wurden.  (Dante (1321/1978): Die Göttliche Komödie. München, X. Gesang.)

 

Auch in der Vaishnava-Tradition findet man negative Bewertung des Weltgenusses. Dieser wird mit harten Worten verdammt (z.B. Bhagavatam 2.3.19). Es werden vielerlei Warnungen ausgesprochen, nicht den Sinn in den Sinnen zu finden, da man sonst als Tier wiedergeboren werden könnte. Um solche Warnungen noch zu festigen, wurden sogar Höllen erfunden (Srila Bhaktivinoda Thakur sagt in seinem Artikel „the bhagavat“, den er bereits 1869 verfasste, dass die Höllenbeschreibungen im Bhagavatam eine Interpolation von Brahmanen seien, die ihrer Morallehre mit Hilfe von Höllendrohungen ein wenig mehr Gewicht zu verleihen suchten.)

Da heisst es, dass Fleischesser für lange Zeit in siedendem Öl gekocht würden (5.26.13) und jemand, der vom moralischen Pfad der vedischen Vorschriften abweicht, erwartet eine spezielle Hölle, wo er ausgepeitscht wird und wenn er schmerzgepeinigt umher rennt, rennt er in Palmblätter, die wie die Klingen von Schwertern sind (5.26.15)….Solche Drohgebärden sind dem entkrampften Sein nicht unbedingt dienlich.

 

Epikur übrigens fand über viele Jahrhunderte weit mehr Feinde als Nachahmer. Schon die Stoiker versuchten noch in vorchristlichen Zeiten seine Schriften zu vernichten.

Die meisten Gelehrten strebten nach Höherem, nach einem alles umfassenden Sinn, der über die lächerlichen paar Erdenjahre hinausgehen und den Tod eliminieren sollte. Sie fanden diesen „Übersinn“ in den verschiedenen Religionen, die angaben, einen über den Sinnen liegenden, also übersinnlichen Sinn stiften zu können. Allerdings verbanden sie diese Sinnstiftung an einen Preis: Die Verachtung der Sinnenwelt und das Aufgeben des innerweltlichen Glücklichseins.

Bei Augustinus, dem Kirchenvater, der vor seiner Bekehrung zum Christentum ein recht ausschweifendes Leben geführt hatte, ist diese Verschiebung gut zu beobachten. In seinen berühmten „Confessiones“ (Bekenntnisse) heisst es: „Nichts hielt mich vom tiefern Abgrund der fleischlichen Lust zurück, als Furcht vor dem Tode und vor dem Gerichte.“

Allein die Angst vor dem göttlichen Richter und der Glaube an einen von ihm vorgegebenen „Sinn des Ganzen“ verhinderten, dass Augustinus sich den Genüssen des Lebens hingab. Also verzichtete er auf den „Heidenspass“, aber dieser diesseitige Verzicht verklärte sich ihm zu einem jenseitigen „Gewinn“, denn schliesslich dachte er dadurch „das eigentliche Leben“ (das Leben nach dem Tode) erwerben zu können.

Das ist ein Tauschgeschäft mit fatalen Folgen: Denn für viele reicht die zu erwartende himmlische Glückseligkeit nicht, die Jahre hier noch zu überbrücken. Das hat eine religiöse Verdriesslichkeit als Folge.

Die Verheissung des ewigen Lebens war für Augustinus eine derart frohe Botschaft, dass er für sie nicht nur die bittere Pille der diesseitigen Lebensverneinung schluckte, sondern auch die Angst vor Gott zu seinem Lebensbegleiter machte.

 

Viele Menschen fürchten sich vor Gott. Für sie ist Gott eine Bedrohung, der sie bestrafen und an ihnen Rache üben will. Man erlebt sich hilflos ausgeliefert an einen Gott, der es nicht durch und durch gut meint. Um ihn irgendwie gnädig zu stimmen und seiner Grimmigkeit zu entgehen, tut man alles, was er erwartet. Das nennt man die religiöse Praxis in Angst. Man ist ständig auf der Hut, und lebt in Angst, es ihm nicht recht machen zu können.

Natürlich kennt Gott auch Strenge und ist nicht ein „Kuschel-Gott“, den man einfach für seine Bedürfnisse einspannen kann. Er soll einen herausfordern und ermahnen. Entscheidend darin ist, dass er die Seele darin bedingungslos annimmt und liebt. Es ist ein zentrales Verständnis, niemals aus der Liebe Gottes herausfallen zu können.

 

Bertrand Russell schreibt in „warum ich kein Christ bin“ (1927), dass Religion hauptsächlich auf Angst gründe. Die Angst vor dem Unbekannten und in einer unsicheren Welt zu leben generieren den Wunsch, bei einem grossen Bruder Sicherheit zu finden.

Es wunderte ihn nicht, dass Religion und Grausamkeit Hand in Hand durch die Geschichte gingen, da beide aus der Angst entspringen.

Wenn Gott aber als den ständigen Aufpasser und Beobachter vermittelt wird, wird statt des Urvertrauens die Urangst zum Grundgefühl.

In allem fühlt man sich kontrolliert, eingeengt, beobachtet und beurteilt.

Gott wird als ein Buchhaltergott, ein Willkürgott, angesehen.

Ein Gott, der einen nichts gönnt.

Im Buch „Die neue Geschichte der Mouchette“ von Georges Bernanos beschreibt er ein Rebhuhn, das sich in der Metallschlinge eines Wilderers verfangen hat. Ein Mann tritt nun in die Lichtung. Das Rebhuhn reisst in seiner panischen Angst an der Metallschlaufe und zerrt sich somit in den Tod.

Wir sind die Rebhühner in der Falle des Wilderers. Unsere Angst zwingt uns, uns an der Leine, die uns gefangen hält, hin und her zu zerren, um in die ersehnte Freiheit zu gelangen.

Aber was wir machen, ist tödlich.

Es gibt eine Alternative, die der denkende konditionierte Geist nie für möglich hielt. Ein Vertrauen aufzubringen, dass der Mann, der in die Lichtung tritt, gar nicht der Wilderer ist, sondern nur die Drahtschlinge öffnen will. In der genauen Selbsterforschung taucht auf, dass die Angst gar nicht die Wahrheit sprach.

 

 

 

Säkulare Weltanschauung als Heilung von religiöser Verkrampfung und der Angst

 

„Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht, nichts ausser blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit.“ Richard Dawkins in Und es entsprang ein Fluss in Eden. Das Uhrwerk der Evolution. München., S.151

Dieses Verständnis, so trostlos es anfänglich tönen mag, ist effektiv einen anfänglichen Befreiungsschlag gegen die latente Gottesfurcht, die einen den Frohmut vermasseln möchte und die als ständige Last auf dem Gemüt liegt.

Es befreit von einem verängstigen Dasein in Gottesfurcht.

Ausserdem darf nicht übersehen werden, dass das Verlöschen im Nichts immer noch die bessere Alternative ist, als postmortal für immer und ewig im Höllenfeuer zu schmoren, wie es angstmachende religiöse Traditionen lehren. Denn: Die Aussichten auf das Leben nach dem Tod sind in den meisten Religionen für die Mehrheit der Menschen (inklusive aller Andersglaubenden) alles andere als rosig. So verkündet auch der christliche Messias, der jeden, der nicht an ihn glaubt, rigoros ins ewige Feuer schickt: „…die Pforte ist weit, die ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden ihn” (Matthäus 7,13-14).

 

Die vermeintlich „frohe Botschaft“ von der Überwindung des Todes ist in erster Linie eine brutale Drohbotschaft und das hat vor allem strukturelle Gründe: Mit einer kleinen Dosis Zuckerbrot und eine grossen Dosis Peitsche lässt sich weit besser herrschen, als wenn das Zuckerbrot für jeden jederzeit zur Verfügung stünde. Seltsamerweise werden solche Religionen auch heute noch aufgrund dieses menschenverachtenden Dressuraktes als wertvolle Sinnstiftungsagenturen geschätzt.

Deshalb ist das Distanz-Nehmen von Religion ein erster verständlicher Befreiungsschlag, ein Entledigen von Altlasten, um mit frischem Lebenspuls auf eine freudvolle Existenz hinzuzugehen. 

 

Von der Stille zur Liebe

 

Schon das Pantoffeltierchen sucht angenehme und meidet unangenehme Reize.

Doch wenn der Mensch diese reflexartige Bewegung zur Lebensmaxime macht, bleibt er unerfüllt und leer. Denn selbst wenn alle sinnlichen Impulse zufrieden gestellt sind, ist das zwar Befriedigung, aber stellt noch lange keine Zufriedenheit dar.

Der innere Weg zieht nicht in einen Krieg mit der Welt und stellt sich nicht gegen sie, sondern er erweitert nur die Perspektive über die begrenzte Welt hinaus.

Mit Ersatzbefriedigung kann man nicht Zufriedenheit ersetzen, mit kleinen Gefälligkeiten und bequemer genehmer Befriedigung überhaupt kann man sich nicht zufrieden geben. Befriedigung ist nicht Frieden, sondern nur eine Imitation davon.

Das heisst nicht, dass man keine Befriedigung mehr erfahren dürfte, sondern man vermag sie  einfach nur vom Frieden zu unterscheiden. Die stille Freude des Seins, das unspektakuläre Erleben, ewig zu sein, ist eine Freude, an welcher sich keine Befriedigung messen kann.

Im Bemühen nach Bedürfnisbefriedigung existiert nicht Zufriedenheit, sondern es generiert nur neue Bedürfnisse. Neue Waren wiederum führen zu neuen Bedürfnissen.

Wenn man selbstentfremdet lebt (ausserhalb der Seele), zwängen sich wesensfremde Bedürfnisse ständig auf und die angestrengte Erfüllung ihrer erzeugt den Nimbus von Glück. Aber in der Anhaftung daran verfestigt man eigentlich nur die Selbstentfremdung.

Erwerben, Besitzen, Erweitern…. Das sind eigentlich ausgediente Paradigmen. Die Seele sehnt sich nach Abbauen, Abgeben, Loslassen und sich zu verneigen in Freiheit. Nach der Freude der bedingungslosen Hingabe zu Gott, zu Radha Krishna.

 

Der innere Weg muss nicht unangenehm sein, doch orientiert er sich an einem gänzlich anderen Parameter. Religion vermittelt einen letztlichen Sinnhorizont, was ein Weg ist, auf Dauer Leichtigkeit und Glück zu erfahren. Philosophie geht davon aus, dass der Mensch nur glücklich wird, wenn er seinem Wesen gemäss, das heisst aus der Perspektive der Seele heraus, und im Einklang mit Gottes Wunsch lebt.

Die Verlockung des schnellen Genusses ist immer nah. Aber die Sucht nach kurzfristigem Spass verdirbt einem auf die Dauer den Zugang zu Glück.

Das deutsche Wort „Spass“ kommt von italienischen „spasso“ und meint ursprünglich: Zerstreuung, Zeitvertreib.

Spass ist etwas anderes als Freude.

Wenn die heiligen Traditionen vor maya warnen, vor der Verblendung, dann wird oft ein fundamentaler Fehler gemacht. Die Täuschung und das Irreale werden mit der materiellen Welt gleichgesetzt. Dann würde die Überwindung der Illusion die Ablehnung Welt bedeuten.

 

Maya ist aber nur eine innere Haltung eines Lebewesens, Gott, den absoluten Mittelpunkt von allem, auszuschliessen und somit die Welt um sich selbst und für seine eigene Befriedigung drehen zu lassen.

 

Im Sanskrit wird diese Unterscheidung sehr deutlich gemacht.

 

-Guna maya (die Ingredienz)

Das ist die materielle Energie, die ewig ist und den Lebewesen als Raum zur Verfügung gestellt wird, ihre Verblendung zu leben. Sie ist wirklich, da sie eine Funktion der Energie Gottes darstellt, ist aber in einem ständigen Wandel begriffen.

 

-jiva maya (die Verblendung)

Die Verblendung besteht darin, etwas nicht in Verbindung mit Gott zu sehen. Da alles einen Bezug zu ihm hat, ist die Blickweise der Ausklammerung Gottes eine unwirkliche Perspektive. Gott gewährt dem Lebewesen die Ausblendung seiner selbst durch diese verblendende Kraft von ihm, wenn das Lebewesen die Gleichgültigkeit zum Liebesaustausch mit Gott aufrecht erhalten will. 

 

Wenn mich jemand mit einem Stock schlägt, würde ich ja auch nicht den Stock bestrafen, also die guna-maya, denn dieser ist ja nur das neutrale Medium. Jiva-maya, die Täuschung, die eigentliche Täterschaft der Abwendung, wird von mir erzeugt. Die Haltung, in den Kampf gegen die Sinnesobjekte zu treten (den Stock zu schlagen) ist eine sehr direkte Art der Verknüpfung mit ihnen.

 

Wovor die Religion liebevoll warnt, ist nicht das schöne freudvolle und glückliche Leben hier in der Welt, sondern nur die Haltung, alle Hoffnung auf Erfüllung in die Welt hinein zu projizieren (Bhagavatam 5.14.23).

Materielles Leben ist nicht gleichzusetzen mit dem gegenwärtigen Aufenthaltsort dieses Körpers. Es besteht aus der Grundausrichtung des Bewusstseins. Nicht die Welt ist leidvoll oder elend, sondern der eigene Umgang mit ihr und die Art und Weise, wie man die Welt versteht, kann unter Umständen Leid erzeugen. Aber genau dieser Umgang kann auch korrigiert werden.

In der Bhagavad Gita (5.13) spricht Krishna davon, dass man glücklich in der Stadt der neun Tore leben kann. Nämlich wenn die jiva-maya als solche erkannt wird.

Die Religionen verkünden oft, dass in der Gottesausblendung Verdammung herrsche. Die Gita (14.6) spricht aber davon, dass es auch Glück in der Gottesabgewandtheit gibt. Wäre dies nicht der Fall, wäre die Zuwendung zu ihm ein alternativloser Zwang. Dann aber wäre Liebe verunmöglicht.

Der innere Weg lässt einen erkennen, dass wesenhaftes Glück nicht einfach in der Befriedigung von Reizen liegt, und dass das Loslassen von der Hoffnung und Erwartung nach Erfüllung aus den äusseren Dingen und Umständen bereits mehr Freude schenkt als die Erfüllung dieser.

 

Die unerschöpfliche kontinuierliche innere Freude lässt sich in zwei Kategorien aufteilen:

 

-Die Freude des Friedens (brahmananda), die in der Erkenntnis des Selbst, der ewigen Seele, wurzelt.

Wie Wolken am Himmel, ziehen Gedanke, Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen in diesem weiten inneren Raum vorbei, ohne effektiv Spuren zu hinterlassen. Sie alle tauchen auf und vergehen dann irgendwann wieder. Aber dieser Raum, aus welchem die klare Beobachtung der phänomenalen Welt geschieht, kommt und geht nie und bewegt sich in keiner Weise.

 

Erfahrungen, ob hohe oder tiefe, heilige oder profane, frohe oder alptraumhafte, kommen und gehen einfach wie endlose Wellen des Ozeans.

Wenn man in der Seele ruht, alles Geschehen nur aus der Ferne wahrnimmt ohne zu interpretieren, ist Stille. Dann zieht es einen nicht mehr zu den Wonnen und den Qualen der Darbietungen der Erfahrung hin. Diese Erscheinungen ziehen an der Oberfläche des Bewusstseins einfach wieder ab. Identifiziertes Zuschauen lassen diese wirklich erscheinen. Nicht identifiziertes Zuschauen bewahrt den Raum zur Seele hin.

 

Die Dinge, die man sieht, sind lustvoll oder enttäuschend, fröhlich oder traurig, ängstlich, gesund oder krank, banal oder absorbierend, aufregend oder langweilig. Aber der, welcher diese Zustände und Empfindungen erlebt, ist nie ängstlich, freudvoll und deprimiert. Er bleibt einfach frei von allen zeitweiligen Phänomenen, unberührt von Geburt und Tod.

 

Umstände und Zustände in der äusseren Welt, tauchen auf und vergehen wieder, sind erfreulich oder betrüblich, angenehm oder schmerzhaft, aber die Seele ist nichts von all dem. Sie kommt und geht nicht. Sie bleibt immer die Gleiche. Die Seele wankt nicht, wenn alles wankt und sie tritt nie in den Strom der Zeit ein.

 

Yo na hrsyati na dveshti (Bhagavad Gita 12. 17)

Das ist nicht ein Zustand grundlegender Betrübtheit und leeren Teilnahmsigkeit, sondern einer stillen beständigen Freude, die quer durch alle Lebenserfahrungen hindurch, unabhängig ob sie beglückend oder tragisch sind, bestehen bleibt.

 

 

Die Freude der Liebe (sevananda)

Wenn es heisst, die Welt sei Leiden, dann ist damit ausschliesslich meine Verhaftung an die Welt und meine Verstrickung und Verknüpfung und die Absorption des Bewusstseins mit ihr gemeint. Es gibt kein Leid in Isvara-sristhi, in der Schöpfung des Herrn. Die Lebenssituationen können wir nicht immer wählen. Vieles kommt unerwünscht. Die existenzielle Schwere aber ist selbstauferlegt.

Leid ist der Verlust der Erinnerung an unseren Ursprung.

Wenn die Seele sich in dieser Erinnerung verankert, existiert eine unzerstörbare und durch keinerlei Ereignisse eingeschränkte Freude, die auch durch Widerwärtigkeiten und unerwünschte Umstände je gestört werden könnte (Bhagavad Gita 6.22).

 

Religion tritt nicht in einen Krieg gegen das kleine Glück in der Welt, sondern betrachtet alles Schöne und Wunderbare einfach nicht als das Endgültige, sondern nur als eine zarte Spur, die Gott in die Welt hineingelegt hat als Hinweis auf ihn (Bhagavad gita 10.41).

Wenn man jedoch das Heilige angestrebt weil man die Welt vermeiden möchte, erlangt man nicht die Transzendenz, sondern wird zurückgeworfen in die Begegnung mit der Welt.

Versöhnung mit allem legt den Grundstein zum effektiven Fortschritt. Das ist der Zustand, in welchem Kompensation nicht mehr möglich ist.

Die Bhagavad Gita (9.2) erwähnt auch, dass das Grundgefühl der Gotteszuwendung die beständige grosse Freude sei.

Gott selber also möchte die Welt nicht als Jammertal sehen. Er ist nicht neidisch, wenn grosse Freude in ihr erlebt wird. Sie ist Hinweis auf ihn selber.

Der Grund weshalb er immer wieder in diese Welt hineinsteigt ist ja gerade die Einladung an die Seele, Täuschung, Identifikation mit der äusseren Welt abzulegen, welche die Ursache von Leiden darstellt.

 

„Im Kampf ist Welt und Ich, und nur in Gott ist Frieden,

Weil Welt und Ich in Gott nicht weiter sind geschieden.

Nicht durch Befriedigung befriedigst du die Triebe;

Zufriedenheit gibt nur die Friedlichkeit der Liebe.“

Friedrich Rückert

Epikur, der Philosoph des irdischen Glücks, ist also nicht ein Erzfeind des inneren Lebens. Seine Lehre legt nur die Grundlage für den inneren Weg.