Werdet wie die Kinder

„Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ (Matthäus 18,2-3)

 

Wir alle kennen die kindliche Vorstellung: „Alles soll immer bei mir bleiben. Die Mami soll immer bei mir bleiben. Alles, was ich lieb gewonnen habe, soll für immer bei mir bleiben.“

Diese naive Vorstellung hat keine Ahnung vom Leben – und vor allem nicht vom Tod.

Diese Absicht ist aber verständlich aus der Perspektive eines Menschen, der sich selber verloren hat und somit Identitätsgefühl in die Objekte überträgt, die ihn umgeben.

Das Kind, das an der Mutterbrust hängt, hat kein Bewusstsein seiner selbst. Und weil es kein Bewusstsein seiner selbst hat, bietet sich ihm das Nahestehende, das am nächsten liegende Objekt im Aussen zur Identifikation an: Der Körper der Mutter.

 

Diese Mentalität der frühen Entwicklungsgeschichte dieses Körpers hängt uns an. Diese Suche im Aussen aufgrund mangelnder Verankerung in der eigenen Identität, diese Kompensierung, ist legitim im Babystadium des Menschseins, wirkt aber grotesk, wenn sie bis ins Erwachsenen-Alter hineingetragen wird.

Eigentlich sucht man nach der Beziehung zu Gott, nach Beständigkeit, nach Friede und Einkehr, aber man lebt noch in der Veräusserlichung des Kindes und will noch immer Identitätsgefühl aus den Dingen und den Umständen gewinnen.

Es ist die gelebte Nicht-Respektierung des Todes, denn im Bewusstsein des Kleinkindes existiert er noch nicht. Allerdings beginnt schon sehr bald in der Tiefe das Gefühl nicht vollständiger Geborgenheit aufzusteigen – speziell in der körperlichen Abwesenheit der Mutter.

Aber die Mutter ist ja nur ein Symbol für das, was sich in unserem Geist ausgebreitet hat. Nachher wird es der Beruf, die Wohnung, Gegenstände, die einen umgeben, die eigenen Kinder… für jeden Menschen ist es etwas anderes, was er nicht verlieren möchte – was nicht sterben darf.

Der Schritt aus dem Kleinkind-Bewusstsein heraus besteht darin, bewusst die Bereitschaft zum Verlieren aufzubringen. Man schaut ganz tief in die potenziellen Verlustobjekte hinein und bemerkt, dass es ja gar nicht um sie geht. Darin taucht nur seine eigene Grundangst auf und sie existiert ja gerade WEIL sie sich an den Dingen festgemacht hat.

 

Am Punkt der erfahrenen Blassheit der Umsetzung eigener Wünsche taucht die Tendenz in einem auf, einfach am liebsten wieder in den Schoss der Mutter, in die Geborgenheit einer umhegten, frommen Kindlichkeit zurückzugehen. Man macht sich jünger, abhängiger, kindlicher als man eigentlich ist. Es ist der Versuch der Wiedereingliederung in eine heile Welt, welche nur in der Vorstellung existiert.

 

Es ist die Verhaftung an die alte, geliebte, "lichte" Welt, von der wir irgendwie romantische Vorstellungen haben, die sich aber in Wirklichkeit noch nie erfüllt haben, in der man sich aber verkriechen will.

Gewiss gibt es Schönes, Zartes und Liebenswertes in der "alten" Welt (meiner Vergangenheit) und Geborgenheit in den lichten Erinnerungen. Aber eigentlich gilt das Interesse nur dem, das einem aus dem Traum erwachen lässt, und nicht dem, das ihn angenehmer erscheinen lässt. Ein wohliger Traum ist genauso irreal wie die Horrorvision, und aus diesem Grunde auch nicht erstrebenswerter.

All die hübschen Ruhepunkte, Glücksinseln und Paradiese, deren Zauber wohl keinem unbekannt blieb, muss man im Glanz der Ferne zurücklassen, und deren Repetition nicht begehren, wenn einen an Wahrheit wirklich etwas gelegen ist.

 

Die Herausforderung eines endgültigen Aufwachens, des spirituellen Lebens, verlangt viel mehr von einem, macht einem mit Antrieb und Erschütterungen aller Werte, selbständiger - doch viele gehen lieber wieder zurück in den Mutterschoss, in das eingesessene, das sie das bequemere wähnen. Das nennen die Upanishaden „das bequeme Elend“.

 

Es ist wie die Pubertät eines Kindes, das beginnt ein Doppelleben zu führen, da es ja kein Kind mehr ist, aber noch immer im Heimischen lebt.

Daneben aber kommen alle Gefühle, die gar nicht mehr in die umhegte Glückseligkeit des Kinderfriedens hineinpassen. Und die Eltern helfen mit unerschöpflicher Sorgfalt und hoffnungslosen Versuchen, diese Tatsache zu leugnen und ihr Kind weiterhin in der Kinderwelt hausen zu lassen, die für den jungen Menschen doch immer unwirklicher und verlogener wird.

Jeder Mensch durchlebt diese Schwierigkeit. Für die meisten ist dies der Punkt im Leben, wo die Forderung des eigenen Lebens am härtesten mit der Umwelt in Streit gerät, wo der Weg nach vorwärts am bittersten erkämpft werden muss.

Viele erleben dieses Sterben und Neugeborenwerden nur dies eine Mal im Leben beim Morschwerden und langsamen Zusammenbrechen der Kindheit, wenn alles Liebgewordene einen verlassen will und man plötzlich die Einsamkeit und tödliche Kälte des Weltraumes um sich zu fühlen beginnt.

 

Wenn die Sehnsucht aufzuwachen wieder in der Seele auftaucht, beginnt anfänglich ebenfalls ein Doppelleben. Die Welt, die Menschen, die einen kennen und umgeben, wollen einen nicht wegziehen lassen von den Werten der Masse, fordern Anpassung und wollen die Kooperation im Angewöhnten. Sie repräsentieren die Eltern-Strukturen.

Das Zurückholen-Wollen der langsam Erwachenden ist eine Manifestation ihrer Angst vor dem eigenen Inneren, vor dem radikalen Aufbruch, der sich in jedem Menschenleben immer wieder ankündigt.

Die Welt, in der man sich anlehnen konnte entschwindet mehr und mehr, sie wird unwirklicher und man weiss, dass es kein Zurück in ihre Nestwärme mehr gibt.

Es kostet Konsequenz, Treue zur innersten Bestimmung, zu dem, für was man existiert.

 

Jeder Aufwachende durchlebt diese Schwierigkeit. Es ist erneut, wie dazumals in der Pubertät, ein Punkt im Leben, wo eine Sehnsucht den Konflikt mit der Umwelt spüren muss, da sie nun einen ganz anderen Weg einschlagen wird. Sie will nun nicht mehr das Gefängnis schön und angenehm einrichten und gestalten, sondern ausbrechen.

 

Sehr viele bleiben an dieser Klippe hängen und kleben ihr Leben lang schmerzlich am unwiederbringlich Vergangenem, am Traum vom verlorenen Paradies...Man verweilt allzu leicht in der verklärten Kindheit und Vergangenheitsvorstellungen und beschönigt sie..

 

Viele sind begeistert von der reinen Unschuld der Kinder und wollen regredieren in den Zustand des Kindseins.

Verklebung mit dem Körperlichen und den Inhalten des Geistes macht unglaublich eng.

Ein kleines Kind ist nicht frei. Es lebt in dieser Enge drin, doch ist es noch nicht einmal an die Fühlung dieser Begrenztheit angelangt, weswegen es die Aura von Freisein hat. Es wäre ein Trugschluss, das momentane Leichtsein als Freiheit zu sehen. Es ist  Schlaf innerhalb der Gefängnismauern, den manche dem mühevollen Ausbruch vorziehen.

 

Ken Wilber nennt das eine Prä/Trans-Verwechslung. Man verwechselt den prärationalen Zustand eines Kindes mit der transrationalen Bewusstheit eines Heiligen. Obwohl sie äusserlich ähnlich aussehen und beide die Eigenschaften von Unversehrtheit, Sorglosigkeit, Frische, Lebendigkeit, Neugierde, und nicht schon Tausend Vorbehalte in sich zu tragen…. und doch sind sie unendlich weit voneinander entfernt.

 

Das Bewusstsein eines Baby ist undifferenziert von der Mutter und der Umwelt. Es ist ein proto-mystischer adualistischer Zustand einer Subjekt-Objekt-Einheit. Nur weil man in diesem infantilen Verschmelzungszustand den Unterschied zwischen Subjekt und Objekt noch nicht kennt, ist das noch lange keine unio mystica. Denn der Säugling tranzendiert die Welt nicht, sondern kann sie nur noch nicht unterscheiden. Mystiker kennen diese Unterscheidung klar und sind sich darüber hinaus einfach noch einer viel umfassenderen Existenz gewahr.
Der Säugling lebt also nicht in einem Zustand der Einheit und Jetztheit, sondern im Zustand globaler Undifferenziertheit. Was aber nicht zuerst einmal differenziert wurde, kann sich nicht in eine höhere Ganzheit hineinfliessen. Das infantile Stadium ist keineswegs die Vorform einer spirituellen mystischen Weltschau, sondern eher ihr genaues Gegenteil: der Ort der grössten Entfremdung oder Entfernung aller Bewusstseinsentwicklungen. Die Prä / trans-Stadien ähneln sich an der Oberfläche. Hat man den prärationalen infantilen Einheitszustand erst einmal mit einem transrationalen mystischen Zustand gleichgesetzt, wir man einen der beiden Falsch-Schlüsse ziehen:

 

-Man erhebt den kindlichen Zustand zu einer mystischen Vereinigung.

Diese Tendenz findet sich in den Romantikern und natürlich auch in den meisten Eltern.

 

-oder man reduziert Mystik und das Heilige zur Regression zum infantilen Narzissmus und ozeanischen Adualismus.

Das ist die Sicht von Sigmund Freud und den modernen Atheisten, die alle heiligen Zustände auf eine Prä-Ego-Phase zurückführen.

 

Bei der kindlichen Frische und der vermeintlichen Unschuld des Kindes verromantisiert man den begrenzten Bewusstseinszustand, in dem sich ein Kind befindet. Ken Wilber schreibt: „Kleine Kinder sind Narzissten… sie haben keine globale Tiefe, nicht die Fähigkeit, sich in einen anderen hineinzuversetzen, kein echtes Mitleid und keine echte Liebe. Stattdessen sind sie in die enge, erstickende Welt ihrer eigenen Empfindungen eingesperrt.“

„Aber Kinder sind doch so süss, lieb und niedlich“, werden viele einwenden.

Wenn das die Merkmale reiner Liebe und essentiellen Seins sind, dann sind Kätzchen völlig selbstverwirklicht, sagt Wilber trocken.

 

Diese Worte klingen hart in den Ohren des Verklärten und erwecken den Widerstand jener sentimentalen, regressiven Geisteshaltung, welche an die verlorene „göttliche“ Reinheit, Unschuld und Liebe in der Vergangenheit glaubt.

Der spirituelle Lehrer Ali Hameed Almaas formuliert diese romantische Vorstellung des verlorenen Paradieses sehr prägnant. Er geht davon aus, dass der Mensch bei seiner Geburt noch Zugang zur Essenz, zu Gott, hat, sie aber dann im Laufe seiner Entwicklung verliert. Dann ist ihm nur vage ein gewisser Mangel oder eine gewisse Unvollständigkeit bewusst.

 

Doch ist kein Kind unschuldig… Die Überseele verdeckt lediglich die ganzen unangenehmen Eigenschaften, die es aus Vorleben mitträgt und lässt sie erst in der Pubertät wieder manifestieren, da sonst die Eltern verzweifeln würden, ein fluchendes und lästerliches Wesen jahrelang durchzufüttern und es zu pflegen. In dem Sinne ist diese Illusion der Überidealisierung des Kindes eine notwendige Einrichtung, um überhaupt ein Wesen bis in die körperliche Unabhängigkeit führen zu können.

 

Der Zustand kindlichen Bewusstseins ist weder zu umfassender Liebe, noch zu Selbsterkenntnis fähig. Selbst die Fähigkeit zum Mitgefühl entwickelt sich spät. Erst zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr lernt das Kind, sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen.

Wenn man ein Blatt Papier nimmt, das auf der einen Seite rot und auf der anderen Seite grün ist, und man dem Kind die grüne Seite zudreht, dann gibt es auf die Frage: „Welche Farbe siehst du?“ die richtige Antwort: „Grün.“. Wenn man es aber fragt: „Welche Farbe sehe ich?“, dann sagt es ebenfalls: „Grün“. Erst ab etwa dem 6.Lebensjahr beginnen Kinder, die richtige Antwort zu geben, weil sie nun die Fähigkeit zur Empathie entwickelt haben. Ohne diese Fähigkeit, nachzufühlen, wie es einem anderen geht, gibt es kein Mitgefühl.

 

Das Kind kennt keine realisierte Freiheit und Geistesgegenwart. Die Spontaneität des Kindes ist einfach nur ein vorzeitlicher Zustand, eben ein prärationaler. Die Zeit hat in dieser Inkarnation noch nicht ihre Furchen hinterlassen und die Leidensspuren, die einen älteren Menschen oft erstarren lassen, sind bei ihm einfach noch nicht sichtbar.

Die Prä/Trans-Verwechslung betrachtet einen Vorleidenszustand als eine geistige Errungenschaft.

 

Die meisten Menschen verstehen die Elternschaft (ein Kind zu bekommen) als ein Heilmittel für die Selbstsucht, da man seine egoistischen Tendenzen zurücknehmen muss und auch als ein Heilmittel für die Flüchtigkeit, da das Kind Verbindlichkeit verlangt.

 

Die relative, momentane Aufweichung der Egozentrik kann sicher heilsam sein, doch sobald man wieder die Möglichkeiten hat, kehren die gleichen alten Tendenzen wieder zurück. Viele Eltern sagten mir, nachdem ihre Kinder in die Unabhängigkeit gingen, dass nun der Zeitpunkt sei, wieder für sich selber zu schauen… Die zwanghafte Einschränkung bestimmter Tendenzen trägt nichts zu ihrer Überwindung bei.

Der Grund, weswegen man zum Kinderkriegen veranlasst wird, ist erst einmal ein biologischer: die menschliche Rasse will überleben. Es gibt nur wenige Menschen, die in einen inneren Bereich gänzlich jenseits des Überlebensmodus und des biologischen Imperativs vorstossen. Das setzt eine vollkommene Begegnung mit dem Tod voraus.

Wenn das Bewusstsein die Verklebung mit der körperlichen Welt und letztlich mit der gesamten Erscheinungswelt zurückgelassen hat, dann erkennt man klar, dass Ewigkeit und innere Entwicklungen nicht abhängig sind von der Aussenwelt oder äusseren Gegebenheiten wie Kinderkriegen. Das Durchgehen dieser Lebensphase ist nicht nötig für den inneren Weg. Alle fluktuativen äusseren Umstände sind weder förderlich noch hinderlich.

 

Ein weiterer Grund zum Kinderkriegen ist eine bestimmte existenzielle Langeweile, denn man glaubt, im Kind eine Lebensaufgabe zu erhalten. So bürdet man sich schnell etwas auf, was im Kollektiv-Bewusstsein als Lebenserfüllung gilt. Ob diese Prämisse sich bewahrheitet, hinterfragen nur wenige. Beschäftigt zu sein bedeutet noch lange nicht, erfüllt zu sein und noch viel weniger, die Absicht Gottes zu reflektieren. Im Kinderwunsch hofft man, sein Alleinsein vermeiden zu können.

Im Betrachten der Wirklichkeit, dass man weder Mann noch Frau ist, entfällt die Übertragung des Lebenssinns in den Bereich des zeitweiligen Rollenspiels hinein ohnehin.

Die Glücksversprechungen, die man im Kinderwunsch noch mitträgt, erkennt man als substanzlos. Gerade das Thema „Kinder“ trägt eine grosse Hoffnung nach Erfüllung in sich und ist deswegen mit einer emotionalen Aufladung verknüpft.

Bhakti, die natürliche Neigung jeder Seele, deaktiviert diese Ladung nach Erfülltheit durch äussere Umstände und man macht die Erfahrung, dass erst einmal viele Wünsche im Nichts versinken, in der Bedeutungslosigkeit, in der Belanglosigkeit. Auch das Schönste in der Welt hat dann plötzlich nicht mehr diese Bedeutung, die man vorher mühsam in sie hineindrückte.

 

Die Geburt eines Kindes hat zur Folge, dass die Eltern energetisch und die Mutter sogar noch körperlich mit dem Kind verschmelzen. Das Baby als ein komplett egozentrisches Geschöpf kennt nur sich selbst und seine Bedürfnisse. Es befindet sich also in einem Zustand, der die unbewusst regressiven Kräfte im Bewusstsein der Eltern auslösen und sie dort hineinziehen werden. Und gemäss diesem Wunsch nach regressiver Einheit verliert man an Bewusstheit und Klarheit.

Das ist natürlich der Lauf der Natur. Ohne vermehrt Aufmerksamkeit dem Körperlichen und den physischen Bedürftigkeiten zu schenken, könnte ein Kleinkind gar nicht überleben. Es ist ein Opfer, welches die Tamas-Kräfte (Tamas ist das träge Zurückhaltende, Schwere. Die Erdhaftigkeit,  Stumpfheit, und völliger Identifikation mit der Materie) stärkt.

Da aber Tamas ein Grossteil der Normalität des Menschen, der keine effektive Innenschau betreibt, ausmacht,  spielt es nicht einmal eine wesentliche Rolle.

Der Wunsch nach Sexualität und damit verbunden – der Wunsch nach einem Kind - sind Wünsche nach Inkarnation, nach Momenten totaler Körperlichkeit und schon deswegen verstärken sie Tamas. Alles beginnt sich um die Verbindung mit dem Kind zu drehen und die ursprüngliche Sehnsucht nach Austausch und Beziehung, nach einem Du, verkommt in den unzähligen Besorgungen und Anstrengungen für Versorgung und Erhalt. Man glaubt, dieses Wesen sei mit einem verschmolzen. Das ist deshalb Tamas, da es eine Stabilisierung des Ichs im Aussen darstellt.

 

Im Yoga wird das Bewusstsein eines Kleinkindes anna-maya genannt, „ich esse (konsumiere), also bin ich.“ Die Verschmelzung der Eltern mit dem Kind, welche durch Anhaftung vollzogen wird, überträgt anna-maya auf sie selber, was sich eben ausdrückt in der vergrösserten Sorge um physische und äussere Umstände.

 

Wenn man Kinder hat, erhält das Leben eine neue Verankerung in der Aussenwelt. Es wird nun wichtiger, am Leben zu bleiben. Der Glaube aber, gebraucht zu werden und folgedessen am Leben hier festzukleben, nennt man im Yoga „abhinivesha“, der Durst nach weiterem Leben und stellt eine fundamentale Leidensquelle dar. Diese wird belebt und verstärkt durch die Anhaftungs-Konstellation der „eigenen Kinder“.

 

Das anfängliche Bibelzitat meint sicher nicht die Regression in einen Prä-Zustand menschlicher Entwicklung, sondern bezeichnet einen Zustand der Unschuld und Freiheit, welcher aus der vollständigen Disidentifikation mit der Materie geboren wird. Diese heilige Unbekümmertheit muss jedoch von infantiler Aufgehobenheit im Zeitweiligen scharf unterschieden werden.

 

Neulich kam eine junge Frau, die selber gerade Mutter wurde, zu einem Freund von mir und gratulierte ihm zur Geburt seines Sohnes. Mit grossen, leuchtenden Augen sagte sie: „Das ist doch das grösste Glück, das es gibt, nicht wahr?“

Ich nahm diese immense emotionale Verklärung, die Verblendung in ihren Augen wahr und schwieg. Wäre sie bereit gewesen für die Wahrheit, hätte ich vermutlich etwas geantwortet.

 

Zitiert aus:

Ken Wilber „Einfach DAS“ und „Das Wahre, Schöne, Gute“