Freie Wahl und Prädestination

 

jada-pradartha (unbewusste Materie)

ewig im Bestand, aber unaufhörlich wandelnd in der Form

cetana-pradartha (bewusste Wesen, jiva)

ewig, unvergänglich, immer dieselbe. Hat zwei Haupteigenschaften:

-anubhava-shakti (Kraft zu wahrzunehmen,

                             zu fühlen)

-iccha-shakti (Kraft zu wünschen, freier Wille)

cit-pradartha (das Höchste bewusste Wesen, Gott)

-hat sowohl iccha-shakti als auch

sva-tantratha (völlige Unabhängigkeit, welche das Lebewesen nicht hat)

-hat anubhava-shakti (die Kraft, wahrzunehmen, zu fühlen)

Deswegen freut er sich, wenn sich eine Seele ihm zuwendet.

 

 

 

è Es gibt Menschen, die denken, weil Gott alles kontrolliere (BG 3.27, 9.10) hätte dann die Seele keinen freien Willen mehr. Wenn die Seele keine iccha-shakti (die Freiheit, jeden Moment zu wählen, frei zu wünschen), dann würde sie ja nichts mehr von der Materie unterscheiden. Bewusstsein heisst Wünschen, frei zu wünschen.

 

è wenn man denkt, die Seele hätte keine iccha-shakti (Wunschkraft), wird man Fatalist („Ich bin schlecht, aber was kann ich schon tun? Alles ist in Händen von Gott!“) Das ist das Abtreten der Verantwortung, das Ausweichen von der Freiheit – welche immer mit Verantwortung verbunden ist – und die Rechtfertigung der gegebenen Zustände.

 

è wenn man denkt, die Seele hätte iccha-shakti (Wunscheskraft) und sva-tantratha (absolute Unabhängigkeit), versteht man die Wirklichkeit falsch (gemäss der Bhagavad gita ist man dann in einer falschen Wahrnehmung eigener Identität). Das wäre der Grössen- und Machbarkeitswahn. Und dann müsste man sich fragen, weswegen nicht alles so ist, wie ich es mir wünsche.

 

Die Seele hat freien Willen – aber nicht die Möglichkeit der Umsetzung der Wünsche, nicht die Unabhängigkeit. Manchmal hat sie nicht das karma dazu, oder es ist nicht der Moment dafür, oder die Umsetzung des Wunsches ist unmöglich.

 

Gott hat völlige Unabhängigkeit. Er wünscht, und alles ist möglich im selben Augenblick. Es braucht ihn keine Anstrengung, den Wunsch in die Umsetzung zu lenken. Ein Name Krishnas ist satya sankalpa „derjenige, dessen Wünsche ohne Arbeit oder Aufwand Wirklichkeit sind.“

 

è wenn die Seele die Materie für sich selbst in Anspruch nehmen möchte, geniessen möchte, die eigentlich eine Energie Gottes ist, kommt sie unter die Kontrolle der materiellen Energie.

Und in der Ergebenheit zu Gott, in der Harmonie mit Gottes Wünschen kommt sie unter die Kontrolle der cit-shakti (Gottes innerer Energie) (BG 9.13)

 

è Die Seele verliert iccha-shakti nie, auch nicht wenn sie in Pflanze oder Tier-Körper existiert. Je mehr die Lebensform von der Grundeigenschaft der Tamas geprägt ist, ist die Ausdrucksmöglichkeit dieses Willens allerdings geringer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

è gemäss Vedanta ist Moksha (die Befreiung) der Punkt, wo die Seele Sva-tantratha (Unabhängigkeit) erhält. Wie?

Weil dann der Wunsch der Seele Gottes Wunsch ist („Dein Wille geschehe“). Und er hat sva-tantratha. Deshalb ist wirkliche Moksha nur möglich, wenn man gleiche Wünsche hat mit der Person, die völlige Unabhängigkeit besitzt. Dies nennt man reine Bhakti, die folgendermassen definiert wird:

 

Anyabhilasita sunyam  jnana karmady-anavrtam

Anukulyena krishnanu-silanam bhaktir uttama

 

„Reine Hingabe ist das Tun, das ohne irgendwelche materiellen Wünsche, die einem von seiner Wesensnatur entfremden –  nämlich der Ambition, irgend etwas von Gott zu bekommen und dem Flehen, vor etwas bewahrt zu werden - , rein zur Freude Gottes ausgeführt wird.“

 

 

 

Deshalb ist absolute Unabhängigkeit ein Nebeneffekt von Bhakti.

 

 

 

Es gibt eine Freiheit von Zwängen. Wir nennen sie die Freiheiten der Meinungsäusserung, der Religionszugehörigkeit, die politische, die Möglichkeit, frei Dinge zu tun und nicht eingeschränkt zu sein, hinzugehen, wo wir möchten.

Wir würden leiden, wenn es Zwänge gibt, die verhindern, dass wir das tun können, was wir tun wollen.

Ganz tief  leiden aber auch darunter, dass wir wollen, was wir wollen und dass wir das ablehnen, was wir nicht wollen.

Es ist die Ankettung an die Identifikation ausserhalb der Seele.

 

Die einzige Möglichkeit, einen wirklich freien Willen zu manifestieren, wäre, etwas zu tun, wozu es keinerlei Veranlassung gibt. Also keinen Gewinn und keine Erleichterung.

Deshalb ist reine Bhakti erst der Ausdruck freien Willens.