Heilige geliebte Ungewissheit
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
So wie ein Kind im Weitergehen
Von jedem Wehen
Sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach Neuem seine Hände hin.
(R.M.Rilke in seinen „Duineser Elegien“)
Einleitung
Wenn Religion Inseln der Geborgenheit in einem Meer der Unübersichtlichkeit liefern soll, gesicherte Werte in einer konfusen Welt oder die Einstellung, einer Gemeinschaft von Wissenden anzugehören, die sich von der unwissenden Welt abhebt, wird sie nicht nur fragwürdig, sondern gefährlich. Sie erhöht so nur die Hoffnungen des Eigennutz.
Religion fordert erst einmal zum Aufbruch in die absolute Ungesichertheit auf.
Sie legt ein Urvertrauen in die Seele hinein, dass im Abbau aller Sicherheit das Allerwesentlichste nicht verloren geht.
Unser Verstand kann von der Welt, vom Leben selber nicht mehr erkennen als einen Blick durch ein Schilfrohr in den Himmel.
Vertrauen ist der Ruf der Seele, nicht mehr umzukehren zurück zum Fassbaren, Kontrollierbaren, Sichtbaren, Wissbaren, Verstehbaren.... Einfach rücksichtslos, alle inneren Ängste ignorierend, weiter zu schreiten, ist der innere Fall, welcher das Verlassen der Welt darstellt.
Verständliches Bedürfnis nach Abgesichertheit
Die Struktur des Geistes ist eine Wiederholung des Vergangenen in immer neuen Facetten und Variationen. Er ist eine Wiederbelebung des Alten, denn für das Neue hat jede Gewohnheit eine Abwehr, eine Nichtbereitschaft. Es ist für diese eine Überforderung, einzuwilligen, dass die Wolkendecke sich aufreisst und etwas gänzlich Neues entsteht. Die alte Ordnung, die sich der Geist geschaffen hat, scheint halt bequem und man will sich von dort nicht mehr wegbewegen.
Die Durchbrechung scheint erst einmal Chaos zu sein, und genau der angewöhnte Ordnungs-Sinn des Geistes will dieses Durcheinander-Geworfen-Werden meiden.
Früher hat Gott die Lücke zwischen der Unerklärbarkeit der Welt, der Natur mit ihren schicksalshaften Abhängigkeiten Schicksalsabhängigkeit und der Sehnsucht nach Erkenntnis gefüllt. Die Menschen haben Gott angerufen in ihren Nöten. Da man die Welt und ihre Abläufe nicht verstand, bedurfte man Gott als Lückenfüller. Das aber ist der Gott einer Vertröstung, der die klare abgesteckte Welt stabilisieren möchte.
Dieser Gott ist tot. Wissenschaft und technischen Fortschritt haben Gott in diesem menschlichen Bedürfnis ersetzt.
Auch spirituelle Sucher haben sich grossteils von naivem Kinderglauben emanzipiert, dass Gott nur Gewissheit und Aufgehobenheit vermittelt, sondern viel eher erst einmal gewaltiger Aufbruch aus der wohltemperierten Behaglichkeit.
Das Heilige, Gott, kann demnach nicht mehr eingespannt werden für die Umsetzung eigener Vorstellungen.
Plötzlich merkt man, dass diese Einsicht des Enthobenseins von vermeintlichen Gewissheiten einem wieder ins Staunen versetzt, bereit macht für die effektive Überraschung Gottes und den Beginn des Liebesaustausches darstellt...
Friedrich Nietzsche beschreibt in seinem Werk "Die fröhliche Wissenschaft" die Stimmung der Erleichterung, wenn das vermeintlich Feststehende, die bisher fest geglaubte Ordnung, wegfällt:
"In der Tat, wir Philosophen und ‘freien Geister’ fühlen uns bei der Nachricht, dass der ‘alte Gott tot’ ist, wie von einer neuen Morgenröte angestrahlt; unser Herz strömt dabei über von Dankbarkeit, Erstaunen, Ahnung, Erwartung, — endlich erscheint uns der Horizont wieder frei, endlich dürfen unsre Schiffe wieder auslaufen, auf jede Gefahr hin auslaufen, jedes Wagnis des Erkennenden ist wieder erlaubt, das Meer, unser Meer liegt wieder offen da, vielleicht gab es noch niemals ein so offenes Meer.“
In unserer Geschichte machten wir die Erfahrung, dass unsere Unwissenheit bestraft und ausgenutzt wurde. Deshalb ist man in der materiellen Welt konditioniert, diesen Zustand möglichst schnell zu beenden. In einer solchen Situation greift man verständlicherweise vorschnell zu Schein-Erkenntnis. Wir bezeichnen dieses im Kollektiv der Zivilisation dann als „Bildung“.
Wir beginnen uns wohl und sicher zu fühlen, wenn wir Recht haben. Dogmatische Glaubensgebäude der Rechthaberei dienen dazu natürlich perfekt. Sie schenken die Verheissung ontologischer Aufgehobenheit. Eigentlich war es nur verbissene Verteidigung des eigenen begrenzten Standpunktes, den man mit religiösen Glaubens-Strukturen zu sichern versuchte. Der träge Geist hat das Bedürfnis, die Dinge den eigenen Massstäben gemäss richtig gestellt zu haben. Man beurteilte etwas als „falsch“, wenn es Aufwühlung im bisherigen Verständnis auslöst. Diese Beurteilung ist eigentlich nur Ausdruck des Bedürfnisses nach dem festen Boden der Gesichertheit.
Die Armut als spirituelle Grund-Haltung (Bhagavatam 1.8.26) bedeutet die innere Freiheit dem Besitz, Geld und Immobilien, aber auch dem Erfolg gegenüber.
„Nichts gehört einem“ ist die Perspektive der Wirklichkeit. Alle Dinge um einen herum, inklusive der eigene Körper, sind nur zeitlich begrenzte Leihgaben.
Angenommene Armut bedeutet, dass man auf dem spirituellen Weg nichts erreichen will und man benutzt Gott nicht, um Eigenwünsche erfüllt zu bekommen oder um sich in Gott wohler und sicherer zu fühlen.
Armut bedeutet auch das Eingeständnis in das eigene Nicht-Wissen. Man gibt die Souveränität des Scheinwissens auf und überlässt sich einfach Sri Krishna, doch man wird keine Garantie haben, wie, wann oder wo er dann zu wirken beginnt.
Latente Ungewissheit
In der ganz dünnen Schicht unseres Wachbewusstseins, das wir für unser “ich” halten, denken wir, wir würden die Welt wahrnehmen. Aber neun Zehntel des Eisberges stehen unter Wasser. Die meisten Abläufe in unserem Inneren geschehen ohne die bewusste Entscheidung des gegenwärtigen „Ich“.
Dieser Schatten meiner eigenen Vergangenheit, meiner Samskaras (der Eindrücke meiner vergangenen Leben) begleitet die Seele und ist in den Entscheidungsprozessen von gewichtigem Einfluss. Das Koordinatengitter menschlich bedingten Verhaltens, unsere über viele Leben hinweg angewöhnten Einordnungen in "richtig", "falsch", "gut", "schlecht", lenken unsere Entscheidungen viel stärker, als wir uns eigentlich eingestehen wollen.
So leben wir einen Grossteil unseres Lebens fremdgesteuert von der eigenen Vergangenheit praktisch schlafend, nicht proaktiv auf das Handeln hinzugehend. Und unser Verstehen bleibt dementsprechend reduziert und partiell. Und mit jedem Erkenntnisbrocken kommt gleichzeitig ein grosser Schatten mit, der missinterpretiert, der verzerrt und entstellt, der verwechselt und das kleine Erkennen gleich wieder verworren macht.
Das wahrnehmende Bewusstsein ist ja bereits nur eine ganz dünne Schicht über dem Unterbewussten, welches ganz massgeblich diese Wahrnehmung prägt und was immer es aufnimmt, wird durch das drohende Gewicht des Schattens unserer unbewussten Eindrücke sofort gefiltert.
Und so glaubt und denkt man, man hätte Einsicht, man hätte etwas verstanden, man sei am Erwachen, aber es ist nichts anderes als ein erneutes Missverständnis. Die Komplexität der Überlagerungen des Missverständnisses wächst. Bald ist man in der Illusion, die Illusion überwunden zu haben.
Deshalb ist die Beobachtung der Funktionsabläufe im Unbewussten, die Introspektion, essentiell. Die Innenkehr löscht erst einmal alle vermeintlichen Gewissheiten auf. Scio me nihil scire Sokrates meint, dass er sich des Umstands bewusst sei, dass ihm Weisheit oder ein wirkliches, über jeden Zweifel erhabenes, Wissen fehle. Mit seiner Aussage behauptet Sokrates also nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint. Denn dieses vermeintliche Wissen ist nur ein beweisloses Für-selbstverständlich-Halten, das sich bei näherer Untersuchung als unhaltbares Scheinwissen entpuppt.
Aus der Erkenntnis der eigenen Begrenztheit eröffnet sich die Möglichkeit des Glaubens. Der Mensch darf den Sprung über die Grenzen des Wissens in den Glauben wagen. Doch wenn der Gottglaube dann nur zur Stabilisierung des Sicherheitsbedürfnisses dient, bedeutet dies, dass man den Sprung eben gar nicht gewagt hat.
Xenophanes von Kolophon schreibt: „Schein haftet an aller Erkenntnis.“ Auch innere Erkenntnis bleibt provisorisch. Das ist die ehrlichste Seelenhaltung auf die Unbegrenztheit Gottes.
Im Alltagbewusstsein in der Umgangswelt denken wir, dass wir manchmal etwas missverstehen, dass wir aber doch das meiste erkennen und verstehen.
Sat-Sang, Gemeinschaft mit Heiligen, lässt uns das Gegenteil diagnostizieren: auch wenn man im spirituellen Leben meint, etwas verstanden zu haben, ist es mit grosser Wahrscheinlichkeit einfach ein erneutes Verkennen.
Diese Missdeutung und Verfälschung geschieht eben aufgrund des riesigen Schattens, den wir mit uns tragen. Ohne dieses Handycap wäre jegliches spirituelles Bemühen eine Einfachheit.
Dieser dicke Filter unserer eigenen selbstverursachten Vergangenheit verdunkelt nicht nur die Weltwahrnehmung, sondern auch spirituelle Erfahrungen.
Alles Verstehen, jede Verwirklichung wird dadurch verzerrt und es untersteht nicht einmal der eigenen Kontrolle, es nicht zu verzerren.
Aber was man tun kann, ist, dies einzugestehen, dieses Phänomen anzuerkennen, die Achtsamkeit vergrössern, wodurch der verzerrende Teil des Unterbewusstseins verkleinert wird.
Erst im Licht des Gewahrwerdens, in konstanter Aufmerksamkeit löst sich der Schatten allmählich auf. Der Erwachte erst versteht wirklich. Und bis dahin ist die Erkenntnisfähigkeit gefärbt und getrübt, das Wissen auch immer noch teilweise Täuschung. In der Annahme und der Akzeptanz dessen wird die Wucht der alten Persönlichkeits-Struktur geringer, da sie sich einzugestehen hat, dass all ihr Verstehen sehr relativiert wird von einem gleichzeitigen Missverstehen. All das, auf das sich das Ego behaupten möchte, ist gar nicht so gesichert. Das Ego verliert seine Sicherheit, wenn es sich eingestehen muss, dass all seine Annahmen Eventualitäten sind. Es wird durchlässiger. Auf jeden Fall wird man einfacher und unschuldiger. Man beginnt wieder zu staunen. Es ist die Gnade des Nichtwissens, das in die frische Unschuld und Demut mündet.
Wenn die Widerstände gegen die Ungewissheit meiner Wahrnehmung und meines Verstehens sich auflösen, wird man offener und sensibler für die Möglichkeiten, die sich ausserhalb meines gegenwärtigen Verständnisses befinden. Man wird weniger bestimmt, und festgesetzt, denn jeglicher Wissens-und Erkenntnis-Stand ist noch nichts Abgeschlossenes. Die arrogante Sicherheit löst sich auf, die gerade im Religiösen den eigenen Zugang zur Wirklichkeit blockiert.
Ein grosser buddhistischer Heiliger, Mahavira, benützte auch als wache Seele das Wort “vielleicht” “wahrscheinlich” in jeder Antwort, die er den Fragenden gab, was natürlich jede Aussage relativierte.
Aus diesem Grund hatte er nicht viele Schüler, denn die bedingte Seele möchte Gewissheit, auch wenn es in ihrem Zustand gar nicht möglich ist. So lässt der Wunsch nach Sicherheit alles Gehörte zu einem Konzept versteifen, was die Erfahrbarkeit, die Verwirklichung des Verständnisses natürlich verunmöglicht.
Die Menschen leben bereits in einer unsicheren Existenz. In dieser durchdringenden Ungewissheit ist es verständlich, dass der Mensch nun wenigstens ein klares und absolutes Glaubenssystem haben möchte. Da aber gerade diese Haltung in die Einengung des Bewusstseins führt, spricht Krishna in der Bhagavad Gita davon, dass man für die Begegnung mit der ewigen Wahrheit (sanatan dharma) alle Eigen-Hoffnung aufgeben (2.55) und alle Schein-Sicherheiten hinter sich lassen muss (18.66).
Mahavira vermittelte keine Konzepte, denn diese sind es ja, welche die konfessionelle Religion so langweilig machen. Als ihn jemand nach Gott gefragt hat, antwortete er: „Vielleicht“. Aber wenn man ein Gott verehren möchte, der ein „Vielleicht“ ist, dann würden sich die Scheingewissheiten der etablierten Glaubenssysteme relativieren. Aber in den konfessionellen organisierten Religionen sind „vielleicht“ und „aber“ gebannt. Die Arroganz will sich eben behaupten.
In aller Verwirrtheit und Konfusion des Alltags will der nicht ernsthafte Gottsucher nun einfach Gewissheit und Sicherheit. Er will sich nicht der ewigen Suche nach Gott ausliefern, die ihn zunächst einmal noch in viel existentiellere Unklarheit hineinbringt, in der dann alle bisherigen akzeptierten Grundlagen auch noch zerfallen.
Und so mag der Ursprung des Glaubens noch so heilig und transzendental sein, aber der Adept sucht ja eigentlich nur ein kleinliches Festhalten, ein verbürgerlichtes Glaubenwollen, das ihm Sicherheit und Schutz, Gewissheit und Sorglosigkeit, letztlich eine Rechtfertigung für seine Anhaftungen im Leben vermittelt - ein gerettetes Leben als eine Bürgschaft für ein gutes Gefühl.
Er will nur ein Gott, der ihn, seine Familie und sein Weinkeller beschützt, und zu dem er beten kann, wenn er gerade nicht mehr weiter weiss und wenn es ihm gerade schlecht ergeht – und will sich nicht von ihm erschüttern und entwurzeln lassen.
Hätte er den Gott nicht, würde er sich einfach verloren und einsam fühlen. Und dafür soll Gott nun sein magisches Pflaster werden.
Echte Heilige geben nicht oberflächlichen Trost und illusionären Mut, sondern zerstören ihn. Sie vermitteln nicht Behaglichkeit und Wohlergehen, sondern eine radikale Kehrtwende, in der man sich selber verliert. Srila Sridhar Maharaja sprach immer wieder davon, „zu sterben, um zu leben“. Wir haben Angst davor.
Wenn wir dieser Angst nicht begegnen, wird die ganze Spiritualität ein Ausweichen vor der Wirklichkeit, ein Einnisten in einer erneuten Illusion – die nun aber noch viel schwieriger zu durchschauen ist, da man ihr einen heiligen Deckmantel umlegte.
Die echte Spiritualität setzt sich bereitwillig dem Vakuum der Ungewissheit aus, und darin wird man zu einem wahren Sucher. Zu einem Aufgescheuchten.
Man ist bereit, selbst alle bisherige Erkenntnis in Frage zu stellen, sämtliche angewohnte Denkvorgänge kollabieren zu lassen. Und sie bereitwillig einstürzen lassen. Man will nicht Scheinsicherheit, sondern Wahrheit, und für die müssen alle Hoffnungen und Erwartungen und Ansprüche hinfällig werden.
Es braucht eine Bereitschaft für die Erschütterung.
Die Grundfesten seiner Welt müssen schwanken und zusammenbrechen.
Aber der menschliche Geist - vollgestopft mit spirituellem Wissen – flüchtet davor und versucht mit geistiger Wendigkeit immer neue Schleichwege zu finden sich in seiner weltlichen Geborgenheit zu wahren.
Wer nicht bereit ist, sich erschüttern zu lassen wird immer kleine Einsichten haben, ein kleines Verstehen, kleine Freuden und Erleichterung von der Welt- aber die wirkliche Frucht - die direkte Begegnung mit Sri Govinda - wird ihm verborgen bleiben.
„Lieber Krishna,
es ist gnadenreich, sich an die existentielle Seinsunsicherheit zu erinnern und ständig darüber bewusst zu sein. Wir aber investieren einen Grossteil unserer Lebensenergie darin, sie auflösen und bewältigen zu wollen. Diese „Heilung“ wird aber immer unvollständig sein. Ich muss ganz tief in mir zulassen, dass ich nicht geheilt werden muss und soll, denn meine Verunsicherung ist noch die einzige Erschütterung in meinem zu eingebetteten Dasein. Ein kleiner Gnaden-Spalt zu dir hin.“
Ein Weg zur freudvollen Ungewissheit
Wir verstehen „Stirb und Werde“ in den Grosszyklen... den Zyklen des Kosmos und des körperlichen Lebens und weiteren körperlichen Leben.
Aber eigentlich meinen die Weisheitslehren damit den Übergang von Augenblick zu Augenblick.
Gar nichts, keine Erfahrung, keine Begegnung, kein Erlebnis....kann in den nächsten Augenblick hinübergerettet werden.
Der Geist aber denkt, wenn er diese Übergabe, diese Hingabe, zulassen würde, würde man auf die primitive Stufe eines Neandertalers zurückfallen, weil man ja nichts mehr weiss und sich an nichts mehr erinnert. Alles, was man gelernt hat, ist abwesend, verschwunden...
Aber genau dann, wenn man sich nicht mehr auf das selbstverständlich Vorhandene stützt, ist doch der Moment, an welchem Krishnas Führung ganz konkret werden darf.
In diesem Fall ins Neue hinein stützt man sich auch nicht mehr auf bisher erhaltenes Wissen und Einsichten oder auf spirituelle Errungenschaften.
Krishna sagt in der Bhagavad gita (7.25), dass er sich selber verborgen hält damit man nicht auf die Idee kommt, ihn für sich und seine Eigeninteressen zu vereinnahmen, ihn zu besitzen und zu meinen, man wüsste ganz genau über ihn Bescheid. Sein Verborgensein zeigt uns, dass er der unverfügbare und ganz andere Gott ist, nachdem man immer wieder neu zu suchen hat.
Augustinus schreibt: ut inventus quaeratur, immensus est (Gott ist derjenige, bei welchem das Suchen weitergeht, selbst nachdem man ihn gefunden hat).
Als Krishna Narada eine Segnung anbietet, bittet dieser:
„O Sri Krishna, möge deine Gnade so wirken, dass kein Bhakta je zufrieden ist mit seiner Liebe und Hingabe zu dir, da du transzendentale Glückseligkeit in personifizierter Gestalt bist.“ (Brhad Bhagavatamrita 135)
Viele neigen dazu, einem begrenzten Urteilsvermögen Raum zu geben, bevor man wirklich versteht.... Die deutsche Sprache nennt dies „Vor-Urteile“, dass der Geist zu Urteilen gelangt und dabei einen Erkenntnisprozess schliesst, bevor man wirklich im Verstehen gegründet ist. Die Situation ist nun noch schlimmer geworden, da die vermeintliche Erkenntnis des Vorurteils als Verstehens-Blockade wirkt.
Man muss es aushalten lernen, nicht zu verstehen. Es ist ein Zustand, in dem einem
nichts mehr klar ist und in dem man sich nicht mehr festhalten kann und in dem Unsicherheit und mangelnde Geborgenheit herrschen.
Lieber hält man sich an ein Strohhalm-Konzept fest, das einem vermeintlichen Halt schenkt als sich gänzlich der Ungewissheit auszuliefern. Dies ist einem nie gelehrt worden.
Genau dies aber fordert der echte Gotteszugang.
Das Eingeständnis, dass unsere gesamte Wahrnehmung so begrenzt ist und dass folgedessen auch unser Verständnis der heiligen Offenbarung den Stempel der eigenen Begrenztheit mitträgt, wirkt weitend auf das Bewusstsein.
Der Erforschergeist , die Faszination für das Neue und das Staunen, die Grundlagen des inneren Weges, beginnen wieder in einem zu pochen.
Wenn man aufhört, rigoros an der eigenen Version der Wirklichkeit festzuhalten, öffnet sich die Aufmerksamkeit. Man verliert das Anrecht des Kleingeistes, der Richter über die Dinge zu sein.... und eine ungeheure Lebendigkeit und Wachheit durchzieht das Leben.
Selbsterforschung ist nicht die Betrachtung äusserlicher Wahrnehmungen, einfach um etwas Vorzeigbares in der Hand zu halten. Das wäre die Flucht ins Anfassbare, ins Bekannte, in das Grobe,
dorthin eben, wo man sich zurechtfindet und wo sich die alte Ich-Struktur heimisch fühlt.
Innere Zentrierung heisst, eben nicht mehr dort zu suchen, wo man sich auskennt, sondern sich dem Unbekannten auszuliefern….
Die anfängliche Abwehr dem Unbekannten gegenüber darf zunehmender Wertschätzung und Vertrauen weichen.
Dann legt sich der grosse Irrtum offen, wenn man entdeckt, dass die Welt des Ich nur durch die Macht der Gewohnheit des Alten, Nähe und Intimität mit dem eigentlichen Selbst
vorgaukelt.
Dieses vermeintlich Bekannte war eigentlich das Wesenfremde, während das Unbekannte ganz wesensnah ist.
Diese vertrauensvolle Zuneigung zu dem Ungewissen, das man zu sich einlädt, und dem man sich anheim stellt, ist eigentlich nur ein anderer Begriff für die Hingabe.
Rainer Maria Rilke schrieb ein Gedicht, das er die „heilige Ungewissheit“ nannte:
„Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heisst Hund und jenes heisst Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott.
Sie wissen alles, was wird und war;
Kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
Ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rühmt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.“
Alles ist vom Wesen her gänzlich anders, wenn man es von Gott her betrachtet . Man darf die angestammte Interpretation der Dinge gehen lassen. Dann beginnt alles, gänzlich neu und überraschend zu einem zu sprechen. Nichts ist dann mehr ordinär. Alles hat die Aura des Erstaunens. Dann klammert man sich nicht mehr einfach nur an die äusserlichen Dinge um einen herum und erhebt sie in den Status Gottes.
Wenn man aber glaubt, alles zu kennen, verliert man die Fähigkeit zum Staunen in allen Dingen.
Wenn durch eine Intervention der Gnade die äusseren Rollenspiele der Welt-Identifikation ausgespielt haben und man dem bisherigen Pfad der Lebens-Sicherung nicht mehr zu folgen vermag, gibt es zwei Handlungsoptionen: entweder in Panik zu geraten ob der Ungesichertheit und irgendwie versuchen, das alte Skript wieder zusammen zu setzen. Der Suche nach Halt und Anfassbaren ist es zuzuschreiben, dass man sich in den Rollenspielen so heimisch fühlt.
Die andere Möglichkeit ist, der Seele treu zu bleiben. Dieser Raum bleibt unversehrt, auch wenn alle Ungewissheit angenommen wird.
Erst wenn die Seele von Krishnas Nähe berührt wird, zerbröckelt das uralte Streben nach Sicherheit. Darin versuchte man ja nur, die inhärente Ewigkeit des Seins zu kompensieren. Der vergebliche Schonungs-Raum, der künstlich geschaffene Abstands-Raum des Sicherheits-Konzeptes, vermag nur schale Erfahrungen zu schenken, niemals aber die pochende Lebens-Intensität.
Das Gottesverhältnis bedarf aber der Kunst, das Unbekannte, das sich in jedem Augenblick in jede Himmelsrichtung verändern kann, mehr zu lieben als das bisher Bekannte. Ihm mehr liebende Aufmerksamkeit zu schenken als dem Sicherheits-Denken des Ich-Systems. Das ist der Beginn zur Hingabe.
Ein buddhistischer Mönch erzählte mir einmal, von einer Reise zu einem entlegenen Kloster in Ladakh, die er mit einem Gefährten unternommen hatte. Als sie zum Eingangstor kamen, sahen sie sich einem riesigen Wachhund mit gewaltigen Fängen und roten Augen gegenüber. Der Hund knurrte zornig und riss an seiner Kette, um sie anzugreifen. Als sie näher kamen sahen sie, wie im der Speichel aus dem Mund tropfte. Sie drückten sich an der Wand entlang, um gerade noch ausser Reichweite des Hundes zum Tor zu gelangen.
Plötzlich riss die Kette und der Hund raste auf sie zu. Der Mönch schrie auf und erstarrte vor Schreck. Sein Gefährte aber drehte sich um und rannte, so schnell er nur konnte – direkt auf den Hund zu. Der war so überrascht, dass er den Schwanz einzog und die Flucht ergriff.
Wir sind gefangen von gewohnheitsmässigen Reaktionsmustern. Die Freude am Neuen, die Angstlosigkeit aufgrund der Seelenverankerung, dürfen so tief in unser System eindringen, dass sie auch in den unerwarteten Situationen zu greifen beginnen und man gerade dann nicht einfach nur geistig erstarrt das tut, was einem die Konditionierung lernte.
Sobald man bereit ist, die Hoffnung aufzugeben, dass Unsicherheit und Unannehmlichkeit jemals beseitigt werden können, entwickeln man den Mut, sich in der Bodenlosigkeit zu entspannen. Dies stellt den ersten Schritt dar.
Wenn man den religiösen Pfad, dem Weg nach Innen, der Gottesliebe, folgt, gewinnt man darin weder Sicherheit noch Bestätigung. Man findet darin nicht den Boden, auf dem man stehen könnte.
Würde er dies vermitteln, dann ginge es nicht um Gott selber, sondern um die Absicherung des kleinen Selbstes. Die Seele darf wieder erkennen, dass die stille Erfreuung von ihm bereits alles ist. Das Bhagavatam spricht von der unverzweckten Gotteshinwendung (1.2.6)
Naropas Hauptschüler war ein Tibeter namens Marpa. Auf seinen Reisen hatte er das Gold gesammelt, das man traditionell dem Lehrer als Dank überreicht. Unverfroren reiste er lange Zeit alleine, obwohl er schon recht alt war und seine Gesundheit nicht mehr in einem guten Zustand war.
So kam er zu Naropa und überreichte ihm die Gabe. Ein bisschen behielt er allerdings noch zurück, denn er hatte ja noch einen lange Rückreise vor sich.
Naropa aber sagte gleich: „Glaubst du wirklich du könntest mich täuschen?“
Also gab Marpa ihm alles.
Naropa warf das Gold weit in die Luft und sagte: „Die ganze Welt ist Gold für mich.“
Solange man nicht bereit ist, alles aufzugeben und gar rein nichts noch auf der sicheren Seite für sich zurückzuhalten, erlebt man die Welt niemals als voll und ganz.
Die Hingabe hält keinen Fluchtweg bereit, schaut nicht mehr nach Alternativen um und hält nicht noch einen kleinen Vorrat für sich selber zurück.
Atma-nikshepa ist ein Bestandteil der Selbsthingabe (saranagati) und bedeutet wörtlich, „sich gänzlich in die Arme Krishnas hinein zu werfen“.
Unvorhersehbarkeit ist die Grundlage des spirituellen Lebens. Doch in dieser Hingabe zum wunderbaren Urgrund aller Existenz hat sie ihren Schrecken und Bedrohlichkeit verloren. Sie ist jetzt zu einer immer neu überraschenden Aufgehobenheit geworden.
Diese Hingabe zu Krishna wird dann nicht als Belohnung die Umsetzung der eigenen Vorstellung zum Resultat haben. Im Bhagavatam gibt es dazu eine wunderbare Schilderung: Als sich Bali Maharaj dem höchsten Herrn gänzlich ergeben hatte, fesselte ihn Vamanadeva und verbannte ihn in niederen Sphären. Er verblieb in der genau gleichen Glückseligkeit, ob man vom ihm nun gerettet oder verbannt würde, beschützt oder geschlachtet, da es ihm um den Akt der Hingabe ging und nicht um die instrumentalisierte Form davon, indem man denkt, dass es einem danach doch gut gehen sollte. (Bhagavatam 8.22.6-7)
Iksyate nasate byasat (Vedanta sutra)
“Die Absolute Wahrheit ist unbegreiflich.“
Selbst wenn man sie mit Tausenden von Mündern für Millionen von Jahren beschreiben würde, käme man nie zu einem Ende.
Verwirrt und orientierungslos zu sein in einem Zustand von träger Unwissenheit und Nicht-Verstehen-Wollen ist aber Faulheit. Auf Gnade hoffen darf man erst, nachdem man alle Eigenkapazität und Bemühung ausgeschöpft hat.
Verwirrung und heilige Ungewissheit nachdem man verstanden hat, ist eben Ausdruck der Gnade. Es ist das heilige Staunen, das die natürliche Antwort der Seele auf Krishnas unerschöpfliche Unbegrenztheit darstellt.
"Wenn das Endliche das Unendliche verstehen könnte, würde das Unendliche aufhören unendlich zu sein. Und wenn sich das Unendliche nicht dem Endlichen offenbaren könnte wäre das Unendliche nicht unendlich." (Bhakti Rakshak Sridhar Maharaj)
Hin zur Offenbarung
David Hume fragt, worin denn ein „Mystiker“ (Anhänger der „theologia negativa“), der von der absoluten Unbegreiflichkeit Gottes ausgeht, sich von einem Skeptiker (Agnostiker) oder Atheisten unterscheidet, welcher die erste Ursache für unbekannt und unverstehbar hält. (Dialogues concerning natural religion , erstmals 1779 veröffentlicht)
Der Unterschied liegt darin, dass der Mystiker das Geheimnis Gottes hinter allen Phänomenen erahnt und in Staunen zittert.
Der Agnostiker aber benützt den Fakt von Gottes Unergründlichkeit als Begründung seiner Gleichgültigkeit Gott gegenüber.
Der Mystiker springt vertrauensvoll dem unbekannten Gott entgegen... der gerade durch diesen waghalsigen Mut berührt ist, und sich der Seele offenbart, in dem er sie zum nächsten couragierten Schritt inspiriert.
Wer glaubt, darf sich nicht durch letzte Gewissheiten absichern, sodass die Offenheit für jenes, was auf ihn zukommen möchte, verloren geht.
Gläubig zu zweifeln stärkt diese Offenheit fürs Unbekannte.
Der innere Weg ist ein Vertrauensweg, sich auf Radha-Krishna einzulassen. Dies ist nur in Freiheit möglich. Es bedarf auch der Freiheit von ihrer Seite, nicht zu reagieren. Das bedeutet, Ungewissheit bleibt. Der Zugang auf sie hinzu wird immer ein Wagnis bleiben.
So lange war man in Gewohnheitsmustern gefangen, die einem zur Verfestigung zwangen. Das bedeutet, dass sich die alten Gedanken- und Erlebnis-Stränge endlos repetierten. Wenn es gelingt, dies einmal klar zu sehen, selbst wenn es nur für eine Sekunde alle drei Wochen ist, erwacht die innere Würde der Seele und damit verbunden ein Geschmack, den Prozess der Erstarrung umzudrehen. Jahrhundertealte Last wird abgeworfen und lässt einen in neues unbekanntes Territorium eintreten.
Der Gott der eigenen kleinen Hoffnungen, der in der eigenen Lebensbilanz ein erfreulicher Pluspunkt sein soll, ist nicht der Gott der Wahrheit. Der Allmächtige und Allbarmherzige lässt sich nicht verbuchen – weder für eine bestimmte Konfession noch für den Eigenbedarf.
Er tritt ergreifend und erschütternd in unser Leben ein, reisst uns aus allem Lebensallerlei heraus und weist uns kraftvoll den Weg.
In der Bibel gibt es da schöne Beispiele:
Mose hütet ein paar Schafe am Berge Horeb, wo plötzlich die Weisung Gottes an ihn gelangt: „Führe mein Volk aus Ägypten heraus!“ Mose weicht zunächst zurück, dann aber schlägt er all seine privaten Lebenspläne in den Wind und tut, was ihm Gott aufträgt.
Den Probheten Jona packt schlicht die Panik , als Gott ihn ruft. So schnell er kann, macht er sich zu Schiff aus dem Staub. Das Schiff kommt in ein riesiges Unwetter und als Jona sich zur Errettung der Besatzung über Bord werfen lässt, frisst ihn ein grosser Fisch, der ihn aber auf Geheiss Jahwes nach frei Tagen wieder an Land speit. Da ist ihm natürlich klar, dass er dem Rufe Gottes nicht mehr ausweichen kann.
Petrus und Andreas werden von Jesus von ihren Fischerbooten weg berufen und folgten ihm auf der Stelle nach.
Dieser Ruf ist jetzt. Ob man aber dazu einwilligt und sich hingibt, oder ob man weiterhin Widerstand leistet, ist die individuelle Entscheidung der Seele. Das ist schicksalsprägend.
Die Intervention Gottes ist niemals harmlos und „wunschgemäss“. Der allmächtige Gott ist nicht unser Angestellter. Sein Geist weht wo, wie und wann er will. Er könnte einem jetzt beschenken... diese Gnade geht immer einher mit der freiwilligen Einwilligung unsererseits. Sind wir jetzt dazu bereit?
Geistesgegenwart bedeutet, für diesen Ruf jederzeit bereit zu sein und für die Konsequenz einzuwilligen.
Lebendiges Leben ist, das Unerwartete zuzulassen, sich dem Moment zur Verfügung zu stellen, bereit zu sein für die Intervention Krishnas. Die grundlegend religiöse Haltung ist die des Horchens, sensibel zu sein für den Ruf.
Wie weit ist man bereit, Folge zu leisten, sich in Anspruch nehmen zu lassen von Krishna, auch wenn das mit persönlichem Verzicht verbunden ist?
Simone Weil schreibt: „Wer mit Gott nicht eines seiner Wunschbilder empfangen will, der muss warten können – in gänzlicher Aufmerksamkeit.“
Die Orientierung am Bekannten und Vertrauten nennt man auch „Nostalgie für Samsara“
Doch die Würde zur Seele erträgt das bequeme Vegetieren im Altbekannten nicht. Die Neugier für Radha-Krishna wird stärker als die Sehnsucht, weiterzumachen wie gewohnt. So betritt man das Niemandsland, was das Tor ist zur Hingabe.
Was ist denn die Begründung für die Zufluchtnahme? Nur aus dem kleinlichen selbstgerechten Geist mit seinen Handlungen und Worten eine Zone der Vertrautheit für die alte Persönlichkeit zu schaffen? Oder nimmt man Zuflucht als Zeichen völliger Bereitschaft für den grossen Sprung, zum Überschreiten aller gewohnten Sicherheitszonen?
Die Frage, die Krishna an uns stellt ist immer: „Schutz oder Freiheit – was willst du?“
Wer nur Schutz begehrt, bleibt im Widerstreit mit der natürlichen Ungewissheit der Welt. Ein spiritueller Weg schenkt Freiheit, kann aber niemals Schutz gewähren und man kann ihn auch nicht für das Schutzbedürfnis instrumentalisieren.
Wenn innere Verankerung erlebt wird, ist das Sitzen unter dem Damokles-Schwert, in der grössten äusseren Gefährdung, genauso glückselig wie alles andere, da man erkennt, dass das Wirkliche nie bedroht werden kann.
Die fundamentale Tragweite der Gottesbeziehung lässt das Greifen nach Schutz natürlicherweise überflüssig werden.
Was will denn beschützt werden? Das, was ewig ist, unterliegt nie einem Wandel (Gita
2.16), und kann somit auch nicht belangt werden und erhält nie einen Kratzer. Das, was sowieso zerfällt, braucht auch nicht den angeflehten Gottes-Schutz.
Gottes wirkliche Gnade liegt also nie im Schutz und in der Absicherung dessen, was natürlicherweise vergeht.
Das Wort „Pilgern“ geht auf das lateinische Wort „peregrinus“ zurück, das „Fremdling“ bedeutet. Wer pilgert und wirklich aufbricht, verlässt das, was er vertraut nennt. Alles wird ihm neu und fremd. Das, was man „Heimat“ nannte, ist nur Fremde, an die man sich ein wenig angewöhnt hatte. Wir bleiben Fremdlinge in der Welt der Vergänglichkeit und Vorläufigkeit. Wer dies wieder wirklich versteht, versteht seinen Lebensweg als Reisender zur Ewigkeit hin. Zu Radha-Krishna.
Erst nachdem man das Vertraute verlassen hatte, darf die heilige Führung wirklich einsetzen.
Bhakti bedeutet, sich dem Unbekannten und Ungewohnten anheim zu stellen. Es ist ein diskontinuierliches Leben... das heisst: Überraschung. Der letzte Augenblick ist immer schon gestorben, wenn man ihn erlebt. Nie wird zurückgeschaut oder sich abgestützt auf das, was gewesen ist.
Das Ungewohnte beschreibt die immer neue sprudelnde und überraschende Frische. Bhakti beinhaltet die Eigenschaften dessen, auf die sie gerichtet ist: Sri Sri Radha-Krishna.