Karma-Yoga - Die Begründung
Viele Menschen klagen, dass sie gestresst sind, ausgebrannt, erschöpft. Eigentlich ist dies ein spirituelles Problem. Wir arbeiten nur aus der eigenen Kraft (purusakara-sakti) heraus, ohne die Anbindung an die Transzendenz, ohne Yoga, ohne Verbundensein mit Sri Krishna. Wenn wir mit dieser Quelle wieder in Berührung sind (durch saranagati, dem Pfad der Hingabe zu Krishna), sind wir unter dem Mantel der daiva-sakti, der göttlichen Kraft (BG 9.13). Dann mag man selbst in der Welt wirken, arbeiten, ohne sich zu erschöpfen. Denn man hat die Anbindung an den Unerschöpflichen.
Ein Symptom der Erscheinungsweise der Leidenschaft ist die Verzerrung der reinen Wahrnehmung aufgrund zu viel Tätigkeit, was in Verwirrung und Unstetigkeit des Geistes resultiert. (SB 11.25.18)
Viele sind erschöpft, weil sie aus falschen Lebensmustern heraus arbeiten. Sie arbeiten unter dem Motto, nur der Welt entsprechen zu wollen (hoffentlich habe ich alles richtig gemacht, hoffentlich sind mir keine Fehler unterlaufen), sich in der Arbeit beweisen zu wollen, vor sich und anderen gut dazustehen (dass die Arbeit zur eigenen Identität wird), als Steigerung des Selbstwertgefühls (man arbeitet, um sich zu beweisen, da man sich für wertlos empfindet) und in der Verhaftung auf die Resultate, nur im Hinblick auf die imminenten Früchte (man sieht die eigene Bemühung als die Ursache der Früchte und nicht mehr die eigene karmische Vergangenheit, die nun das Resultat schenkt als Arrangierung der Überseele).
„Arbeit, die mit einem Wunsch, die Früchte von ihr für sich selber zu geniessen, ausgeführt wird, ist von der Erscheinungsweise der Leidenschaft geprägt und erzeugt auch ihre Resultate (Leid und unendliche Wünsche).“ ( SB 11.25.23 und 26)
Viele denken, die Arbeit nehme ihnen auch die Zeit für die spirituelle Auseinandersetzung, aber es ist oft umgekehrt – man arbeitet, um sich nicht mit Wesentlichem zu beschäftigen. Das ständige Beschäftigtsein ist eine Form der Flucht vor Selbsterkenntnis.
Ein andere Grund für das Überbeschäftigtsein ist die Existenzangst, denn es könnte ja nicht für das Überleben genügen. Der Transzendentalist lebt da in einer ökonomischen Romantik, er weigert sich das Leben mit Arbeit zu identifizieren.
Der Mensch sorgt sich um seine Behausung, seine Kleider und seine Nahrung. Das sind die ursprünglichen Motivationen für die Arbeit. Doch noch bevor wir uns all das verdienen, sollte man sich vergegenwärtigen, dass Krishna einen dies schenkt, dass es von ihm kommt und dass man unabhängig von ihm keine Bewegung tätigen kann.
In dieser Haltung bestimmt und beherrscht einen nicht die Existenzangst – und erst so kann man frei Handeln. Karma-yoga basiert auf diesen inneren Grundstimmungen.
Viele jammern, dass ihre Arbeit nicht wirklich zum Wohl der Welt beiträgt, nicht einen inhärenten Sinn hat. Das ist das Dilemma einer industriellen Gesellschaft, die sich vom Agrarleben distanziert hat. Aber es ist darin auch eine Chance, eine Hilfe zum Zugang zu karma-yoga.
Denn ob meine Arbeit Sinn hat oder nicht, hängt nicht so sehr von der Arbeit in sich ab, sondern davon, welchen Sinn ich ihr gebe, in was für einer Ausrichtung und Stimmung (bhavana) ich sie ausführe. Wenn das Tun ausgeführt wird zur Freude Gottes, wird die Verhaftung an die Nebeneffekte wie Geld, Erfolg und Erfüllung der eigenen Ambitionen gelockert. Sie mögen eintreten oder auch nicht, aber die Tätigkeit war nicht auf sie abgezielt.
Dass dieses Arbeiten für Krishna auch wirklich geschieht und nicht nur eine leere Formel und eine Rechtfertigung bleibt, sind Gebetspausen nötig.
„Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Gebet, ausser wenn du viel zu tun hast, dann nimm dir eine Stunde Zeit.“
Das ist eine paradoxe Intervention, die aber Raum in uns schafft. Wenn die Herausforderungen durch die Arbeit und durch das materielle Leben grösser sind, so ist auch der Anlass, mehr zu beten gleichzeitig da, damit man effektiv bleiben kann und sich in der Arbeit nicht einfach nur unnötig kreist. Das Gebet klärt den Geist, damit man sich nicht einfach blind in die Arbeit stürzt.
Es bringt einen wieder in Kontakt zur eigenen Mitte, damit die Arbeit aus dieser Inspiration getan wird und nicht einfach nur ein Wühlen im Zeitweiligen ist, was einen unruhig machen würde, da man unbewusst eben doch weiss, am Eigentlichen vorbeizuleben.
Ohne die Gebetspausen verkommt die Arbeit in der Routine, in den gelernten Handlungsabläufen und das schlimme ist, dass darin auch der Geist träge wird.
Das Vergessen seines Selbst kann geschehen in der Übereile – da geht es darum, zu entschleunigen, bewusst langsamer gehen. Aber es kann auch geschehen in der Trägheit, dem anderen Pol, also eine Langsamkeit, die nicht aus dem bewussten Tun entspringt, sondern der Antriebshemmung.
(Vaishnava bedeutet, jemand, der lernt, die Dinge aus Krishnas Perspektive zu betrachten – da man in Liebe mit Ihm verbunden ist)
Sri Krishna beurteilt meinen Tag nicht danach, wie viel Ernte ich am Abend eingefahren habe, sondern danach, welche Samen ich ausgesät habe.
Nur weil der Bauer im Frühling nichts erntet, wird er nicht aufhören, auszusäen.
Wir alle gehen durch Phasen hindurch, in denen alles zäh ist und äusserlich nichts geschieht und bewirkt wird. Karma-yoga lehrt uns, dass unser Blick nicht auf das ernten gerichtet sein soll, sondern immer nur auf die Aussaat. Und das wird in jedem Moment getan, durch jeden Gedanken.
Oft ist der Grund, weswegen man so verkrampft an der Arbeit haftet, allein die Frucht davon – das Geld.
Mehr denn je gilt heute der Grundsatz „Geld regiert die Welt“. Wer Geld hat, gehört zu den Mächtigen und Einflussreichen. Er kann sich leisten, was er möchte.
Die Kurzdefinition von Geld ist: „Geld ist eine Übereinkunft innerhalb einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden.“ Geld ist also kein Ding in sich, sondern es entsteht nur durch eine Abmachung. Nach aussen hin kann Geld als ein Stück Papier auch völlig wertlos sein. Aus sich selbst heraus hat es keine Macht und es liegt an uns, wie wir damit umgehen. Damit das Geld nicht Macht über uns ausübt, sondern dass es einen dient, ist es wichtig, es zu teilen, es freiwillig abzugeben, damit es einen nicht isoliert, sondern im Miteinander verbindet.
Im Teilen von Geld kommt man dem Leben näher.
Das Leben von Kolaveca Sridhar zeigt uns, dass es in diesem Prinzip nicht einmal darum geht, wie viel man verdient, sondern dass man einen Teil verschenkt, damit die Gefahr der Verhaftung nicht in einem wächst.
Die Frucht ist nie das, was ich der Welt vorweisen kann, sondern allein das Mass der Liebe, und das, was die Liebe zu Krishna induziert. In dem Verständnis werde ich frei vom Druck, etwas leisten zu müssen und die Arbeit wird nicht mehr zu Bindung.