Demut
-Ich habe festgestellt, dass ich ausser in wenigen Momenten, in denen ich wirklich berührt bin, keine Demut besitze.
Wie verhinderst du Demut?
-Indem ich daran festhalte, besonders sein zu wollen.
Demut ist verlorengegangen, weil man keine höhere Instanz als das „ich“ akzeptiert. Der Geist ist Atheist. Das bedeutet, dass das „ich“ Gott spielt, dass das „ich“ sich für Gott selber hält, dass das „ich“ immer recht hat, das es das „ich“ immer besser weiss.
In unserer Gesellschaft nennen wir das „Selbstbewusstsein“.
Die letzten Erinnerungen an etwas, das höher war als „ich“, finden wir in Gotteshäusern, Kirchen und Klöstern, die noch übriggeblieben sind in unserer Gesellschaft. Aber in der sichtbaren Welt ist es nicht mehr viel, was einem noch erinnert an eine viel umfassendere Ordnung, von der man einfach Teil davon ist.
Doch in diesem atheistischen Zustand der säkularisierten Welt steckt auch eine grosse Chance und Herausforderung – nämlich sich dieser Arroganz wieder bewusst zu werden und der Verblendung, die darin liegt – die Vergessenheit.
Die Arroganz glaubt, man wisse so viel – genau dieser Stolz des falschen Wissens muss zerstört werden.
Wir können viel erreichen, indem wir uns Konzepte aneignen, wertvolle, machtvolle Konzepte, die vorgeben, spirituell zu sein.
Wenn man sich auf dem spirituellen Weg nicht ent-eignet, sondern sich noch mehr an-eignet, noch mehr sogennantes spirituelles Wissen anhäuft, als man schon hat, dann kann man bald nicht mehr unterscheiden, was eigentlich die eigene wirkliche Erfahrung ist oder was nur angenommen und übernommen wurde. Wann weiss nicht mehr sehr klar, was innig erlebte Erfahrung ist und was nur repetitiv gehört wurde, also totes Wissen ist. Es geschieht eine Vermischung von direkter Erfahrung und Introjektion (Übernahme von Werten, Wahrnehmungen und Einstellungen).
In all dem angehäuften spirituellen Wissen ist diese Unterscheidungskraft unscharf geworden.
Der Weg der Selbsterkenntnis kümmert sich nicht um spirituelle Konzepte – er ist die direkte Erforschung, das nackte Sein. Doch damit das geschehen kann, muss erst der Stolz des falschen Wissens brechen und das ist besonders für diejenigen schwierig, die sich mühsam so viel angeeignet haben.
Selbsterforschung wird korrumpiert durch jeden Gedanken, durch jedes Konzept, durch jede Idee. Nichts kann erforscht werden, nichts kann gesehen werden, nichts kann erfüllt werden, wenn man zulässt, dass das, was der eigene Geist sich angeeignet hat, sich zwischen einem selbst und dem tritt, was man im Moment wirklich erforschen will.
Die Begegung mit Erkenntnis erfordert den Bruch des Stolzes falschen Wissens und die Demut für den Zustand des Nicht-Wissens, des Staunens.
Und da sind viele, die in spirituellen Kreisen (auch Vaishnava-Kreisen) lernen und lehren, sehr viel weiter entfernt als so mancher Mensch, der einfach ist und gar nicht erst damit begonnen hat, spirituelles Wissen anzuhäufen.
Darin besteht der Missbrauch spirituellen Wissens. Die Anhäufung und das Festhalten von Konzeptwissen kann zu einem der allergrössten Hindernisse für Erkenntnis werden.
Viele Menschen verwechseln Verstehen mit Erkennen!
Sie halten es für das gleiche. Aber etwas zu verstehen bedeutet keineswegs, es auch erkannt zu haben. Im Gegenteil, meistens ist es der Hinweis darauf, dass etwas nicht erkannt worden ist.
Menschen, die von sich behaupten, einen spirituellen Weg zu gehen, können völlig unterschiedliche Absichten haben. Es bedeutet nicht unbedingt, dass ein solcher Mensch den Wunsch nach Freiheit lebt. Vielleicht hat er den Wunsch nach mehr Macht durch Wissen oder den Wunsch, das Leiden loszuwerden oder er will einfach nur mehr Annehmlichkeiten und sozialem Eingebettet-sein und nennt das „Friede“.
Es gibt viele Absichten, die verwechselt werden mit dem spirituellen Weg.
Es ist das grosse Problem mit all diesen Krücken, die man sich aneignet. Der Geist fängt an, sie sich anzueigenen, geht dann auf Krücken und bildet sich ein, er hätte Flügel.
Es gibt Krücken, die sich so anfühlen wie Flügel – doch für wie lange?
Jedes benutzte Konzept führt potentiell zu bestimmten Missverständnissen. Das Konzept der Vorherbestimmung kann zu dem Missverständnis führen, dass die Verantwortung, die Macht des Willens ausserhalb des eigenen Selbst liege.
Das Konzept des freien Willens kann für das tragische Missverständnis benutzt werden, das „ich“ könne sich selber verwirklichen „wenn es nur will“.