Ethnozentrik

 

 

In jeder spirituellen Tradition finden wir Aussagen, dass sie im Gegensatz zu anderen im Besitz der ganzen Wahrheit sei.

Wie geht man damit um?
Wenn zwanzig Laute sagen: „ich bin im Besitz der alleinigen Wahrheit“, dann ist es offensichtlich so, dass sie nicht alle recht haben können.

Religion ist ein komplexes Schulungssystem, das Menschen langsam von der Egozentrik zu einem ethnozentrischen Denken führen soll. Ethnozentrismus ist der Fachausdruck für jene Sicht der Dinge, in welcher die eigene Gruppe der Mittelpunkt von Allem ist und alle anderen mit Bezug darauf bemessen und bewertet werden. Darin wird die eigene Familie, die eigene Sippe oder das eigene Land als das Wichtigste betrachtet.

Von da aber soll der religiöse Führungspfad sich weiter entwickeln zu einem kosmopolitischen Denken bis langsam hin zu einem integralen Theo-Zentrismus. Denn ethnozentrische Begrenztheit wird Fremdgruppen generieren und somit Spaltung im Bewusstsein mit allen daraus als Konsequenz erwachsenden Folgen (Konkurrenz, Neid, Krieg etc.) generieren.

Der Kulturrelativismus, dass man die Begrenztheit der einzelnen Traditionen auch thematisiert, soll auch in religiöse Denksysteme Einzug halten. Das ist die Errungenschaft der Aufklärung.

Wenn man nun die schriftlichen Quellen der heiligen Traditionen analysiert, findet man vor, dass sie sicherlich nicht primär nur eine integrale Spiritualität intendieren und ansprechen, sondern vorallem die Egozentrik addressieren und zumeist in der Ethnozentrik stecken bleiben. Das war halt der geistige Zustand, in dem sich die meisten Menschen befanden, als diese Texte niedergeschrieben wurden.

Das Problem von ethnozentrischem Denken ist, dass es Weiterentwicklung blockiert. Deshalb haben alle Schriftreligionen nicht nur Ansätze des Fundamentalismus, sondern stellen oft Bollwerke gegen die Weiterentwicklung zum Integralen hin dar.

Die Vorstellung, dass Gott eine Art von Intelligenz darstellt die bestimmte Menschen oder Völker auserwählt, ist eine Wahrheit einer bestimmten Entwicklungsebene. Alle Zivilisationen und auch alle Menschen entwickeln sich von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch und letztlich zu einem theozentrischen Denken hin. Auf der ethnozentrischen Ebene der Entwicklung glaubt jeder, er oder seine Gemeinschaft wäre auserwählt, und daher kommen diese Aussagen, sich als die Besten zu fühlenDas ist auf der Ebene von Ethnozentrik absolut in Ordnung. Aber es ist nicht universell wahr. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller anderen Menschen, und als Folge haben sich verständlicherweise viele Menschen von der religiösen Entwicklungsschule verabschiedet.

 

Es gibt eine Notwendigkeit über die Stufe der eigenen Auserwähltheit hinauszuwachsen, und das Bewusstseinsfeld auszuweiten. Dann wird auch die eigene Tradition gänzlich neu verstanden werden. Einige Aussagen werden auch ganz wegfallen oder an Relevanz einbüssen.

Die Ausschlisslichkeit und Exklusivität des Eigenen ist nur eine bestimmte begrenzte menschliche Entwicklungsstufe.