Institutionalisierte Religion ist eine gefährliche Weltanschauung-Fabrik

 

 

Institutionalisierte Religion ist eine Weltanschauungs-Fabrik, die aus angeblich geoffanbarten Seins-Aussagen über die eigene Identität und die äussere Welt verbindliche Soll-Sätze ableiten möchte. Solche gegebenen Denksysteme kennen alle zwei grundverschiedene moralische Ansätze:

-eine religiöse Binnenmoral, die das Verhältnis zu den Glaubensgeschwistern bestimmt,

-sowie eine religiöse Aussenmoral, die den Umgang mit Nichtgruppenmitgliedern betrifft.

Dieser Dualismus erklärt auch, weshalb der allmächtige Gott der Traditionen (Jahwe oder Allah) barmherzig oder gütig erscheinen kann, andererseits auch als grausam, rachsüchtig und intolerant. (Markus Evangelium 16,16: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“)

So ist dann dieser von Menschen geschaffene Gott nur jenen gegenüber barmherzig, gütig und milde, die sich seinen Geboten unterwerfen.

Alle anderen erwartet entweder die völlige Vertilgung und Ausrottung (altes Testament) oder der „Ofen, in dem das Feuer brennt“ und in dem die „Bösen auf ewig heulen und mit den Zähnen knirschen“ (neues Testament).

Religionen sind dadurch mächtige Agenturen kultureller Gewalt, denn die Herabwürdigung von Andersdenkenden und Andersgläubigen gehört zum Kerngeschäft von instrumentalisierter Religion. Doch weltanschauliche Gewalt hat die Eigenschaft, nicht in der virtuellen Welt der Texte und Bilder zu verbleiben. Sie wird schnell zum Auslöser für direkte Gewalt. Um das zu belegen muss man nicht einmal in die dunkle Geschichte der religiösen Traditionen zurückblicken, denn die Gegenwart selbst dessen, was ich in der eigenen Tradition erleben musste, ist bereits verstörend und erschütternd genug.

Diese kulturelle Gewalt, die sich in den heiligen Schriften manifestiert, gebiert nicht nur direkte Gewalt, sondern bietet auch eine willkommene Legitimationsbasis für strukturelle Gewalt. Meinungen und Anschauungen, die dem bisherigen Muster und den Überzeugungen und den vorangegangenen Meistern entgegen laufen, sind nicht mehr willkommen.

Dass wir in der modernen Welt in einigermassen gerechten Umständen leben, ist vorallem der Aufklärung zu verdanken, die in einem langwierigen Prozess Gerechtigkeit errungen hat, die das Unrecht und die Gewalt auch dann nicht toleriert wird, auch wenn es mit jahrtausendealten heiligen Traditionen begründet wird.

Doch genau da wehren sich religiöse Fundamentalisten dagegen und möchten am liebsten das Rad der Zeit um ein paar hundert Jahre zurückdrehen und zur guten alten Zeit zurückkehren.

Fundamentalismus ist aber immer Ausdruck von Schwäche. Es ist der verzweifelte Versuch, Anschauungen zu stärken, die längst ins Wanken geraten sind.

 

Die Fundamentalisten bekämpfen in den „Ungläubigen“ vorallem ihre eigenen Glaubenszweifel, die sie selber in sich tragen, aber sich nicht eingestehen können.

 

Die Front verläuft also nicht zwischen Theisten und Atheisten, sondern zwischen Menschen, die sich weltanschaulich auf der Höhe des 21. Jahrhunderts befinden, und solchen, die noch in Denkmustern der Bronzezeit und der frühen Entstehungsgeschichte der religiösen Traditionen gefangen sind.