Religiöse Gefühle

 

 

 

Glücksgefühle entstehen, wenn der Nucleus Accumbens (ein Kern im mesolimbischen System unseres Gehirns) Dopamin ausschüttet. Dies hat also nicht viel mit religiösen Gefühlen zu tun.

 

Wenn man z.B. die Schriften der heiligen Theresa von Avila studiert, dann kann man schon dort klar nachlesen, dass es dem Gläubigen durchaus bewusst ist, dass einem Gefühle in die Irre leiten können, und dass nicht aller Wert darauf gelegt werden kann.

Die Frage "Ist es von Gott?" wurde von Theresa immer wieder aufgenommen und reflektiert. Ganz radikal soll alles Erlebte hinterfragt werden und nicht zum Eigenen gemacht werden. Man ist selber der Erleber, der sich vom Erlebten unterscheidet. Die Verschmelzung des Erlebers mit dem Erlebten nennt man „Aufblähung des Ichs“ (Übertragung des Identitätsgefühls auf das Vergängliche), Identifikation mit Unwirklichem.
Wer sich angeblich viele Jahre mit Religion auseinander gesetzt hat, der müsste solches eigentlich wissen.
Die vedischen Anweisungen zu Meditation beinhalten im Besonderen auch, dass der Adept den Gefühlen, die dabei entstehen können, keine Aufmerksamkeit schenken darf, denn die Theopraxis ist nicht dazu da, schöne Gefühle zu erzeugen – diese kommen und gehen – sondern von tiefstem Wesen her verfügbar für Gott zu werden.

 

Wolken kommen und gehen -

der Himmel bleibt.

Gedanken sammeln sich und verschwinden -

das Gemüt bleibt.

Gefühle tauchen auf und verklingen -

das Herz bleibt.

Liebesgeschichten beginnen und haben ein Ende -

die Liebe bleibt.

Der Körper wird geboren und wird schon bald nicht mehr sein -

das Leben aber bleibt.

Empfindungen kommen und vergehen –

derjenige, der sie wahrnimmt aber bleibt genau der Gleiche.

Universen treten in Erscheinung und verschwinden wieder -

Sri Krishna aber bleibt. (ein Gedanke zu Srimad Bhagavatam 2.9.33)

 

 

Religiöse und spirituelle Gefühle sind eine Grundkonstante im Gemütsleben der Menschen. Die Sehnsucht nach starken Emotionen, die in Zusammenhang mit übersinnlichen Ritualen und metaphysischen Hoffnungen stehen, treibt uns ein Leben lang an. Das ist gut so, denn die starken Gefühle regen uns an, Sinnfragen zu stellen.

Man muss einfach in Betracht ziehen, dass die Gefühlsskala unspezifisch und unendlich breit ist. Ein Animist erlebt ähnlich heftige Emotionen, wenn er bei einer Feuerzeremonie um einen Totemspfahl tanzt wie ein Pilger bei einem Gottesdienst in Lourdes oder ein Gaudiya Vaishnava in Samadhi des Nam-Bhajan. Es handelt sich dabei also nicht um Inhalt, sondern um einen Nebeneffekt und wenn man diesen bereits für den Inhalt hält, ist einem die Verfügbarkeit für das Wesentliche verloren gegangen.

 

Die heiligen Schriften warnen immer wieder, sich nicht zu sehr auf Visionen einzulassen. Sie sind nur Erlebnisse, an denen man nicht hängen bleiben darf, um zur Wahrheit zu gelangen. Man kann solche geschauten Manifestationen nicht zu wichtig nehmen, seien sie nun Aspekte der physischen oder psychischen Welt, der Welt der Engel, der Götter oder des Okkulten, denn sie sind nichts Letztgültiges. Die Gefahr besteht, dass man sich zu sehr darauf einlässt und dann durch sie gefangen wird.

Oft verwechselt man seine Emotionen mit spirituellen Erfahrungen. So wundert man sich, dass man ständig hin und her schwankt zwischen euphorischen Erlebnissen und lähmender Gottesferne.



Wir können uns also bei der Suche nach der religiösen Wahrheit nicht auf unsere Gefühle verlassen. Es scheint sogar, dass spirituelle Gefühle nicht in erster Linie von den religiösen Inhalten abhängig sind, sondern vor allem von suggestiven Elementen. Je stärker die gruppendynamischen Rituale, je übersteigerter die versprochenen Heilserwartungen, desto ekstatischer die Entäusserungen, das Gefühlserleben.

Verhängnisvoll dabei ist, dass die Gläubigen oft den Fehlschluss ziehen, dass intensive Gefühle ein besonderer Ausdruck der Glaubenserfahrung und Gottesnähe seien. Gesunde Spiritualität vermittelt Hilfestellung bei der Unterscheidung der beiden.

Spirituelle Gefühle werden vorschnell als Ausdruck der Frömmigkeit gewertet. Noch mehr: Die Empfindungen können sich sogar zum Gradmesser des Glaubens hochstilisieren. Gläubige sind überzeugt, dass Gott ihnen die starken Gefühle als Beweis für den richtigen Glauben schenkt.

Das ist ein Fehlschluss. Sri Krishna erklärt in der Bhagavad Gita, dass er einer Seele das Vertrauen schenkt, das Richtige zu tun, auch wenn es sich dabei um etwas komplett Unwirkliches handelt (7.21). Die Souveränität Gottes beinhaltet, dass er einer Seele das Recht für Unwissenheit zugesteht. Wenn man sich auf die religiösen Gefühle stützen würde, könnte man sich unter Umständen für sehr fortgeschritten halten, obwohl man eigentlich an einer Sicherheits-Stütze sich festhält.

So führen die spirituellen Gefühle viele Gläubige aufs Glatteis, weil sie diese falsch interpretieren. Auch negative konzeptionelle Inhalte können starke Gefühle hervorrufen. Ein Beispiel dafür sind Zusammenkünfte der Neonazis. Diese werten ihre intensiven Gefühle durchaus auch als religiös, ist für sie doch der Faschismus ein Religionsersatz.


Es lohnt sich also, die eigenen religiösen Gefühle kritisch zu beurteilen.

 

 

 

 

Lieber Krishna

Ich weile gerne bei Deinem Namen. Der Gedanke an Dich erfüllt das Herz mit einer zärtlichen Freude und Rührung. Die Seele ist wie verliebt im ersten Taumel der Liebe: und wirklich hat ihr Zustand mit jener "ersten Liebe" das gemeinsam, dass sie viel mehr SICH in dem von ihr geliebten Wesen geniesst als dieses Wesen selbst und es um seiner selbst willen liebt und sucht.

 

...eben hier, wo ich nun einmal bin......

Aber Stufen lassen sich auch in der Entwicklung meiner Beziehung zu Dir nicht überspringen.

Aber bitte verstehe mich, mein Herz muss nun am Anfang von dieser geradezu trunkenmachenden Seligkeit zu Dir erfüllt und überströmt werden, denn zu sehr hänge ich an mir selber und an allem, was mir von der Welt schmeichelt, dass es nur so von dort weg zu Dir hin gelockt werden kann.

Hat es bislang am Irdischen sein fast ausschliessliches Gefallen gefunden und sich daran berauscht, so erfährt es jetzt, dass es ganz konkret transzendentale Lieblichkeit gibt, die mich die Erfahrungswelt von meinem bisher Bekannten tatsächlich vergessen lassen. Ich darf mich nun in den religiösen Gefühlen laben.

 

Mit einem liebenswürdigen Lächeln magst Du auf diesen ersten Eifer einer noch sehr unerleuchteten und süchtigen "Liebe" herabschauen.

 

Du siehst nun aber in meinem Inneren doch eine neue Bereitschaft schlummern.

Du kannst mich weiter führen, indem Du mir langsam jenes fühlbare Glück, jene "gefühlsmässige Seligkeit" wieder entziehst. Ich bin noch immer vorwiegend bei Dir wegen der mich-selber-beglückenden Gabe.

Nur schon durch das selbstisch motivierte Zusammensein mit Dir übt das, was ich für Dich aufgegeben habe in dieser vergänglichen Welt, nicht mehr die vorherige Anziehungskraft und Faszination auf mich aus.

 

So wird meine japa, das leise Schreien nach Dir, nicht mehr so beglückend und berauschend, es wird mir sogar mühsam und trocken erscheinen.

Manchmal beginne ich nun zu denken, dass diese "Gefühlslosigkeit" eine Strafe ist von Dir, da ich doch immer wieder gierig am Irdischen genascht habe...

 

Dann jedoch erkenne ich wieder, dass ich auch in der Treue zu Dir das Entwöhnen vom Gefühlhaften brauche, Du schenkst es mir, denn es ist das wirkliche Abtrennen von dieser Welt.

 

Oft kehrt dieses scheinbare Glück aber rasch wieder zurück, und mir scheint es, als ob Du Sorge hättest, diese noch so schwache Seele möge Dir wieder entgleiten, weil ihr Deine neue Art der Führung zu hart sei.

Doch dann werden die Zeiten der Dürre länger; sie können sich auf Wochen, Monate oder sogar noch länger erstrecken.

Ich kann es aber ertragen aufgrund Deiner so wunderbar klugen und vorsichtigen Erziehung und der Hoffnung nach Deinem Darshan.

 

Bisweilen zeigt sich die freudige Glückseligkeit in mir wieder, aber sie hat schon ihren Charakter verändert. Ich möchte nun lernen, nicht mehr nach rein Fühlbarem für mich zu fragen und gar darum zu bitten, sondern ich wünsche, dass meine rati (heilige Zuneigung) zu Dir nicht einfach eine verhüllte Form der Liebe zu mir selbst ist.

 

Irgendwann einmal will ich wirklich danach fragen, was Dir gefällt.

 

Und selbst wenn Du mich dann in meiner "Wüste" im sadhana belassen möchtest, so möchte ich es einmal hinnehmen lernen, Dir dafür danken und vielleicht sogar einmal Dich darum bitten, mir nicht mehr mentale Tröstungen zu schenken, sondern Dich selbst statt der früher so geschätzten Gaben und Früchte.

 

Lange Zeit wollte ich nur haben und nichts geben, hielt meinen Blick starr gerichtet auf Deine "Geschenke". Ich habe nie aufgeschaut zu Deinem unsäglich liebenswürdigen Antlitz, das sich mir anbot.

Du hast nur einmal die Hand zurückgezogen, damit ich aufschaue. Vielleicht war ich ein wenig erstaunt zuerst, fast erschrocken, dass die Hand mit der Gabe nicht mehr da ist, dann aber tief beglückt, weil ich etwas so unbeschreiblich viel Schöneres und Gütigeres sehen darf....

Nun schaue ich nicht wieder auf die Hand zurück, auch wenn diese wieder gibt. Ich bleibe bei Deinem Darshan.

 

na dhanam na janam na sundarim....(Gauranga Mahaprabhu)

 

O allmächtiger Herr, ich trachte weder nach Reichtum, noch begehre ich das schöne in der Welt, noch ersehne ich eine grosse Anzahl von Anhängern (die mir das Gefühl der Anerkennung schenken-als Bestätigung für mein Ego).

Ich wünsche mir nichts anderes, als Dir grundlos und voller Hingabe - Geburt für Geburt - dienen zu dürfen.