Das Bhagavatam
Von Srila Bhaktivinod Thakur
(Auszüge aus einer englischen Vorlesung, die der Thakura 1869 in Dinaipur, West-Bengalen gegeben hat )
Es bereitet uns Freude, ein Buch zu lesen, das wir noch nie zuvor gelesen haben. Es ist die Faszination des Neuen. Wir sind begierig, daraus jegliche Informationen anzuhäufen und durch solche Erwerbung hört dann unser Suchen auch bereits auf. Die Neugier ist gestillt.
Diese Art des Studierens ist bei einer grossen Anzahl von Lesern verbreitet. Tatsächlich sind die meisten Leser nur Sammelbecken für Fakten, Meinungen und Aussagen, die von anderen Menschen gemacht wurden. Aber dies ist kein Studieren. Der Studierende sollte die Tatsachen lesen, um sein kreatives Denken anzuregen und nicht mit der Absicht, diese Information fruchtlos aufzubewahren. Die Studierenden sollten wie Satelliten alles Licht, das sie von den Autoren empfangen, zurückstrahlen und sich nicht an die Information und den Gedanken festzuklammern und ihn in sich einzusperren.
Gedanken und Ideen sind progressiv, sind etwas Lebendiges. Die Gedanken des Autors (und auch von heiligen Texten) müssen im Leser ihren Fortgang finden, entweder in Form einer Korrektur oder einer Weiterentwicklung. Der beste Kritiker ist derjenige, der die Weiterentwicklung eines alten Gedankens aufzeigen kann; wer aber etwas einfach nur verurteilt, der ist ein Feind des Fortschritts und damit ein Feind der Natur. Weiterentwicklung liegt in der Natur. In jedem Gedanken braucht es Korrekturen, Angleichungen und Entwicklungen im Verlaufe der Zeit.
(Anmerkung des Übersetzers: Auch absolute Wahrheit ist nicht statisch, auch da ergeben sich ständig neue Exegesen, denn Sri Krishna ist nava-yauvana, in jedem Augenblick wieder ganz neu)
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Ein wahrer Kritiker rät uns, das zu bewahren, was wir bereits erlangt haben und unseren Weg von dem Punkt aus fortzusetzen, den wir im Laufe unserer Entwicklung erlangt haben. Er wird uns niemals raten, an unseren Ausgangspunkt zurückzukehren, da er genau weiss, dass dadurch ein Teil unserer wertvollen Weiterentwicklung einfach brach liegen würde. Er wird vielmehr einfach eine neue Ausrichtung geben von dem Punkt aus, an dem wir uns gerade befinden. Das ist auch das Kennzeichen eines fähigen Studenten. Er wird die Werke eines alten Autors lesen und genau feststellen, wie weit dieser bei der Entwicklung seines Gedankenganges gekommen ist. Er wird niemals ein Werk zurückweisen, da es nutzlose Gedanken enthalte. Kein Gedanke ist nutzlos. .... Ein Gedanke ist wie ein Weg, der zu einem anderen führt. Auf diese Weise wird der Leser herausfinden, dass ein Gedanke, welcher heute das Ziel ist, morgen das Mittel zur Erreichung eines weiteren Zieles wird. Gedanken werden sich für den Fortschritt der Menschheit notwendigerweise als eine endlose Serie von Mitteln und Zielen erweisen. Die grossen Reformatoren werden immer darauf bestehen, dass sie nicht erschienen sind, um das alte Gesetz zu zerstören, sondern um es neu zu erfüllen. Valmiki, Vyasa, Plato, Jesus, Mohammed, Konfuzius und Caitanya Mahaprabhu bestätigen diese Tatsache entweder ausdrücklich, oder durch ihr Verhalten und Lehren.
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Das Bhagavatam lehrt uns, dass Gott uns die Wahrheit in der gleichen Weise schenkt, wie er sie Vyasa gegeben hatte: wenn wir nämlich ersthaft danach suchen. Wahrheit ist ewig und unerschöpflich. Die Seele empfängt eine Offenbarung, wenn es sie begierig danach verlangt. Die Seelen grosser Denker aus vergangenen Zeiten, die jetzt auf spirituelle Weise fortleben, nähern sich oft unserem fragenden Geist und stehen ihm in seiner Entwicklung bei. Auf diese Weise erhielt Vyasa von Narada und Brahma Beistand.
Unsere Shastras enthalten längst nicht alles, was wir von unserem unendlichen Vater erhalten könnten. Es gibt kein Buch ohne Fehler. Gottes Offenbarung ist die absolute Wahrheit, aber sie wird nicht in ihrer natürlichen Reinheit empfangen und bewahrt.
( Im Verlauf der Zeit, in der Weltauflösung ist dieses WORT, das Veda genannt wird, verlorengegangen.
Am Beginn der neuen Weltschöpfung wurde es von Mir dem Brahma klar verkündet und all sein Wesen bezieht sich auf Mich.
Von Brahma wurde es seinem erstgeborenen Sohn, dem Manu, verkündet und von Manu empfingen es die sieben Seher der Urzeit und von diesen Vätern die Söhne, die Devas und Dämonen und Menschen...
Aber sie alle stammen aus Rajas, Sattva und Tamas, ihre Neigungen sind von vielerlei Art. Je nach dem Vorliegen des entsprechenden Guna sind die Wesen in ihrem Charakter verschieden, und demgemäss sind ihre verschiedenen Meinungen über den Sinn des Veda, und verschieden ist das, was sie sagen.
SB 11.14.4-7 dasselbe erklärt Krishna ja auch in der Bhagavad Gita (4.2) - sa kaleneha mahata yogo nastah parantapah)
Die Absolute Wahrheit der Offenbarung Gottes nimmt die Färbung desjenigen an, der sie empfangen hat, und wird dadurch, dass sie über viele Zeitalter hinweg ständig von einem zum anderen weitergereicht wird, in etwas Falsches verwandelt. Deswegen sind ständig neue Offenbarungen notwendig, um die Wahrheit in ihrer ursprünglichen Reinheit zu bewahren. Deshalb werden wir ermahnt, bei unseren Studien der alten Autoren (die nicht mehr physisch gegenwärtig sind) sehr sorgfältig zu verfahren, für wie weise sie auch immer gehalten werden.
Hier haben wir die volle Freiheit, die falsche Vorstellung zurückzuweisen, die für unseren Seelenfrieden unannehmbar ist. Vyasa war nicht mit dem zufrieden, was er in den Veden zusammengetragen, in den Puranas bearbeitet, im Vedanta und im Mahabharata verfasst hatte. Sein Gewissen billigte seine Mühen nicht. Von innen sprach es: "Nein Vyasa! Du kannst dich nicht mit dem unvollständigen Bild der Wahrheit zufriedengeben, das dir unvermeidlich von den Weisen längst vergangener Zeitalter übermittelt worden ist. Du musst selbst an die Tür dieser unerschöpflichen Schatzkammer der Wahrheit klopfen, aus der die alten Weisen ihren Reichtum schöpften. Geh, geh bis hin zu der Quelle der Wahrheit, dorthin, wo kein Pilger auch nur die geringste Enttäuschung erlebt."
Vyasa tat es, und er empfing, was er sich wünschte. Wir alle sind angehalten, es ihm gleich zu tun. Denn es ist die Freiheit, die wir als das wertvollste Geschenk Gottes ansehen müssen. Wir dürfen uns nicht einfach nur von denen führen lassen, die vor unserer Zeit gelebt und gedacht haben. Wir müssen selbstständig denken und versuchen, andere Wahrheiten zu entdecken, die immer noch verborgen sind. Im Bhagavatam (11.21.23) wird uns empfohlen, uns an den Geist der Sastras zu halten und uns nicht allein an die blossen Worte zu klammern.
The Bhagavata: Its Philosophy, Its Ethics, and Its Theology
In fact, most readers are mere repositories of facts and statements made by other people. But this is not study. The student is to read the facts with a view to create, and not with the object of fruitless retention. . . Here we have full liberty to reject the wrong idea, which is not sanctioned by the peace of conscience. . . Liberty then is the principle that we must consider as the most valuable gift of God. We must not allow ourselves to be led by those who lived and thought before us. We must think for ourselves and try to get further truths which are still undiscovered. In the Bhagavata we have been advised to take the spirit of the Shastras and not the words. The Bhagavata is therefore a religion of liberty, unmixed truth, and absolute love. The other characteristic is progress. Liberty certainly is the father of all progress. Holy liberty is the cause of progress upwards and upwards in eternity and endless activity of love. Liberty abused causes degradation, and the Vaishnava must always carefully use this high and beautiful gift of God. [xxxiv]