Wenn der Weg zur Identifikation
wird....
ein Gedicht von Bert Brecht hat mich immer berührt -
O ihr Unglücklichen!
Eurem Bruder wird Gewalt angetan, und ihr kneift die Augen zu!
Der Getroffene schreit laut auf, und ihr schweigt?
Der Gewalttätige geht herum und wählt seine Opfer
Und ihr sagt: "uns verschont er, denn wir zeigen kein Missfallen."
Was ist das für eine Stadt, was seid ihr für Menschen!?
Wenn in einer Stadt ein Unrecht geschieht, muss ein Aufruhr sein
Und wo kein Aufruhr ist, da ist es besser, dass die Stadt untergeht
Durch ein Feuer, bevor es Nacht wird."
Auch im Bereich des Heiligen muss es diesen Aufruhr geben.
Im Bhagavatam gibt es eine ergreifende Beschreibung, wie die Zerstörung des Universums eine kleinere Zerstörung darstellt wie die Auflösung unserer falschen Identität.
Eigentlich geht es doch um die Annäherung zu Gott, um die Intimität mit Krishna. Der Weg, den wir gehen, die spirituelle Praxis, soll dies ermöglichen, soll uns dahin führen; er kann es aber auch verhindern, kann einen sogar noch weiter in die Gottes-Isolation hinaustreiben. Es ist eine Frage der verborgenen Absicht und nicht dessen, was äusserlich getan wird.
Um heiliger Gnade, Gottes Wunsch, einen zu beschenken, wirklich Raum zu lassen, muss vor allem der eigene Anspruch, zu den Besseren, den Heldenhaften, den Auserwählten, den Heiligen und Besonderen zu gehören, vollkommen aufgelöst werden. Gerade spiritueller "Fortschritt" kann sich als grösste Verführung erweisen.
Wenn gewöhnlicher eigennütziger Egoismus mit hohen spirituellen Idealen vermischt wird, kann das Gemenge unverdaulich sein.
Auch in unserer säkulären Zeit haben die meisten Menschen noch ein sehr feines Gespür, um falsche oder doppelte Motivationen in religiösen Praktikanten festzustellen, und werden somit in ihrer Gleichgültigkeit Gott gegenüber bestätigt. Oberflächliche und nicht verinnerlichte Religiösität führt zu Atheismus.
Eine andere Art, wie viele spirituelle Praktikanten auf dem Weg stehen bleiben, ist zu denken, man hätte Wahrheit nun gefunden. Dann wird unter dem Vorwand zu glauben, man wäre in der Nähe Gottes, eine starke Stumpfheit generiert.
Viele Menschen missbrauchen heilige Texte und spirituelles Wissen, um sich zu entfernen - von Gott und auch im Zugang von sich selbst.
Wir glauben, wir seien so beschäftigt, unsere kleine Welt gegen das Damokles Schwert des drohenden Verlustes zu verteidigen. Ich versuche mein kleines Spiesser-Glück, meine Familie, Kinder und Besitz und vor allem auch die religiöse Überzeugung zu verteidigen - mit so viel Hoffnung. Und das Schlimmste ist, dass ich im tiefsten Ort in mir weiss, dass ich den drohenden Verlust gar nicht verhindern kann, und dass der Kampf vergeblich ist. Es ist nur ein Herauszögern meiner Konfrontation mit dem Unvermeidlichen: dass ich sowieso alles verlieren werde.
Viele Menschen missbrauchen heilige Texte und spirituelles Wissen, um sich zu entfernen - von Gott und auch im Zugang von sich selbst. IDas geschieht, wenn man aus dem Weg eine religiöse Identifikation konstruiert.
Es ist nicht so, dass man einfach einen spirituellen Weg begeht... das Problem ist, dass unser Geist, in seiner Tätigkeit als Jäger und Sammler, einen riesigen Rucksack gefüllt mit den alten Vorstellungen und Prägungen (Samskaras) und Identifikationen mit dem Zeitweiligen mit sich trägt. Eben Brillen, die die klare Sicht dem Heiligen gegenüber verzerren.
Es hat nicht gereicht, dass man bereits geistiges Gepäck aus der Vergangenheit mit sich hatte, dass man emotional schon beladen ist, dass man einen materiellen Körper als Identifikationsobjekt herumträgt, dass man sich in Schichten von falschen Identitäten als Familie-, Staat-, und Erdenbürger einhüllte... Jetzt kommen auch noch die spirituellen Identifikationen dazu (sarvopadi vinirmuktam... Im Narada Pancaratna wird bhakti definiert als das vollkommene Abstreifen all dessen, was nicht zur Svarupa - der ewigen Form der Seele zugehörig ist. Das ist auch die Definition von Mukti - Befreiung, die das Bhagavatam gibt: 2.10.6)
Das Gepäck wird immer schwerer und das ursprüngliche Begehen eines Weges wird immer mühsamer und beschwerlicher. Irgendwann wird man sogar anhalten zu gehen - bricht zusammen unter der Last des Angesammelten.
Wir leiden nicht daran, dass wir die Wahrheit nicht finden - wir leiden daran, dass wir das, was uns hindert, die Wahrheit zu erkennen, nicht aufgeben wollen.
Denn nur wer sich frei von allem Dharma macht, indem er sich nicht mehr mit demselben identifiziert, kann mit einer transzendentalen Mentalität sein Dharma erfüllen. Doch den Menschen eine gewaltige Auswahl indischem Dharma hinzuhalten, ihnen eine religiöse Folklore-Identität aufzubürden, kann tatsächlich anstelle der Bhakti-Lata die so sehr ähnlichen Unkräuter der religiösen Identifikation bewässern, und mit der Zeit sogar den ursprünglichen Samen der Gottesliebe wieder zum ersticken bringen.