Offener Brief an denkende


Menschen

 

Tiere haben Rechte. Tiere haben wie Menschen einen Anspruch darauf, auf eine bestimmte Weise behandelt zu werden.

 

So haben und brauchen etwa Kinder aus offensichtlichen Gründen kein Recht, keinen Anspruch, auf einen Platz im Altenheim. Und Männer benötigen im Unterschied zu Frauen kein Recht auf Schwangerschaftsurlaub, weil sie nicht schwanger werden können. Ebensowenig brauchen Hunde im Unterschied zu Menschen ein Recht auf Religionsfreiheit, weil sie keine Religion haben.

Der Zweck von Rechten ist stets der gleiche: den Rechtsträgern ein soweit als möglich angemessenes, das heisst ihren Interessen und Bedürfnissen entsprechendes Leben zu ermöglichen. Auch Tiere haben ein Interesse daran, nicht zu leiden und nicht getötet zu werden.

 

So wie wir erkannt haben, dass die Hautfarbe, Geschlechts-und Rassenzugehörigkeit für die Gewährung von grundlegenden Rechten belanglos ist, so erkennen heute weltweit immer mehr Menschen, dass auch die Spezieszugehörigkeit hierfür belanglos ist: Warum soll man jemanden ausbeuten und quälen dürfen, nur weil er zu einer anderen Spezies gehört?

Deshalb ist die Frage "Tierrechte - ja oder nein?" auch weniger eine philosophische als vielmehr eine politische: Sind wir bereit, auch die Rechte der Schwächsten, die uns hilflos ausgeliefert sind, zu respektieren, oder wollen wir auch weiterhin gemäss dem praktischen, aber barbarischen "Recht des Stärkeren" handeln? "Wir leben zwar", schreibt Alexander Solschenizyn, "im Computerzeitalter, aber noch immer nach dem Grundgesetz der Steinzeit: Wer den grösseren Knüppel schwingt, hat auch recht. Bloss wahrhaben wollen wir es nicht."

Wir müssen vom sogenannten "Recht des Stärkeren", das, eingestanden oder nicht, de facto unser Handeln bestimmt, zum Prinzip der „Pflicht des Stärkeren“ kommen. Aus der „Berechtigung“, den Schwächeren auszubeuten, muss die Verpflichtung werden, den Schwächeren zu beschützen - und zwar nicht nur formal und auf dem Papier, sondern tatsächlich und tagtäglich.

Wir können uns auf das „Recht des Stärkeren“ berufen, aber wir müssen nicht. Genau damit verliert es für den Menschen jene Verbindlichkeit, auf die man sich berufen wollte. Es wird zu einer Entscheidungsmöglichkeit unter vielen.

Aus der Natürlichkeit des „Recht des Stärkeren“ folgt nicht seine moralische Richtigkeit. Überlegenheit gibt zwar Macht, aber nicht ethisch begründetes Recht. Der Mensch kann mehr als er darf. Ein Mensch, der seine Handlung einfach nur damit rechtfertigt, dass er es tun kann, ist ein Barbar.

Erstaunlich ist nur, dass in unserem Umgang mit Tieren das „Recht des Stärkeren“ noch immer als angemessenes Handlungsprinzip gilt. Darf ich es, nur weil ich es kann?

Wer die Berechtigung des Fleischessens mit der des Pflanzenessens begründen will, verkennt törichterweise, dass wir immer, wenn wir das Recht haben, Leid zu erzeugen, auch die Pflicht haben, es auf das geringste Mass einzuschränken. Leider glauben sehr viele Menschen, ein Übel, das sie nicht ganz beseitigen können, auch nicht einschränken zu müssen.

Ehrfurcht vor dem Leben ist die heilige Scheu vor der Vernichtung irgendwelchen Lebens, die Unmöglichkeit, etwas zu zerstören, was wir nicht neu schaffen können, einem Wesen etwas zu nehmen, was wir ihm nicht wiedergeben und nicht ersetzen können, ein Leid zu erzeugen, für das wir das leidende Wesen nicht entschädigen können und eine Tat auszuführen,  deren Folge der Mensch nur bruchstückhaft erkennt.

 

„Wenn Fleischessen unentbehrlich zur Erhaltung des menschlichen Lebens wäre, so würde ich nur das Leben sehr weniger grosser Seelen für lebenswert halten; denn nur durch Taten, die nur sehr wenige Menschen vollbringen können und zu vollbringen geneigt sind, kann ein Mensch so viel Gutes schaffen, dass die Blutschuld, die er durch das Fleischessen auf sich ladet, getilgt wird. Oft wird das Wort von  Kant mit Zustimmung zitiert: "Wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben." Ich aber halte das Fleischessen für eine Verletzung der Gerechtigkeit.“

(Magnus Schwantje , 1877-1959, Vorkämpfer für den Vegetarismus)

Der Ruf nach verantwortlichem Leben in Harmonie mit dem Gewissen und der Umwelt verlangt den Mut, den Ansichten und Gewohnheiten der Umgebung entgegenzuhandeln, und Gaumenlust und Bequemlichkeit nicht als Richtlinien für unser Handeln gelten zu lassen.

Kant spricht vom moralischen Imperativ. Aus der Tatsache, dass jemand fähig ist, zu helfen, ein Leid zu vermeiden, folgt, dass er auch verpflichtet ist, zu helfen.

Wer jemanden sieht, der seiner Hilfe bedarf, und dem er helfen kann, der soll auch Helfen.

Aus ethischer Sicht ist die Frage, wem wir helfen sollen, genauso überflüssig wie die Frage, ob wir helfen sollen.

Darf ich Fremden helfen, solange es bei uns noch so viel Elend gibt? Darf ich Tieren helfen, so lange es noch so viel menschliches Leid gibt?

Auf alle diese Fragen gibt es eine einfache Antwort: Beginne zu helfen! Alle übrigen Fragen werden sich dann von selbst beantworten.

 

„Wage es, weise zu sein! Höre auf, Tiere zu töten! Wer die Stunde des rechten Lebens hinausschiebt, gleicht nur dem Bauern, der darauf wartet, dass der Fluss versiegt, ehe er ihn überquert.“ (Horaz, 65-8 v. Chr)

 

Viele denken, dass ihre Entscheidung zur vegetarischen Lebensweise ja nichts bewirken würde. Ganz abgesehen, dass der Vegetarier seine Komplizenschaft  von Tiermorden beendet, braucht diese Welt das mutige und konsequente Eintreten Einzelner für Ideale, die vom Gewissen her als richtig verstanden werden. Das ist unerlässliche Voraussetzung für jede grundlegende Veränderung und Entwicklung.

Alle grossen Verbrechen in der Weltgeschichte funktionieren nur durch die vielen kleinen Mitläufer, die sich vor der persönlichen Verantwortung drücken und deren „Rechtfertigung“ immer dieselbe ist: „Was hätte ich alleine tun können?“ Auf mich kommt es doch gar nicht an.

Der Durchschnitts-Schweizer verspeist im Leben 8 Kühe, 33 Schweine und 720 Hühner (sowie Ziegen, Schafe, Rehe, Pferde und unzählige Fische...).

Zumindest diese Wesen werden dir deinen Schritt zur vegetarischen Lebensweise verdanken.

Es ist nie zu spät, aufzuhören Fleisch zu essen, aber es ist immer ungerecht, es weiter zu tun.

Ein Unrecht ist auch dann ein Unrecht, wenn es von der Mehrheit verübt wird. Und wird es gerechter, nur weil es schon seit langer Zeit getan wird? Unser Fleischessen ist eine gedankenlose Tradition.

 

 ÜBER 20 MILLIONEN TIERE ...
... lassen jährlich in Schweizer Schlachthöfen ihr Leben.

 

 

Oberflächlich mag es zwar einfacher sein, etwas zu Verdrängen als zu Hinterfragen, doch wie könnte man auf diese Weise ehrlich leben? Während der Gaumengenuss vom Festbraten auf der Zunge schon nach Sekunden wieder schwindet, bleibt unsere Beteiligung an diesem Massaker innerlich im Herzen für immer unverdaut.