64 Aspekte von Bhakti-Yoga
Natürlich gibt es unzählige Aspekte, unsere schlafende Liebe zu Gott in unserem Herzen wieder zu erwecken, aber Srila Rupa Goswami gibt eine Liste von 64 angas (Aspekten), die alle die Haltung der einer sehnenden Seele wiederspiegeln, dass sie wirklich bereit ist für göttliche Empfängnis.
Die ersten zwanzig Punkte gelten als Einleitung – prarambha-rupata. (zehn Dinge, die getan werden sollen und zehn Dinge, die man vermeiden sollte) Sie öffnen die Türe zur Praxis von Vaidhi Bhakti.
- einen echten spirituellen Meister suchen und Zuflucht bei ihm nehmen.
- von dem spirituellen Meister eingeweiht zu werden und von ihm zu lernen, wie man hingebungsvollen Dienst verrichtet.
- den Anweisungen des spirituellen Meisters mit Vertrauen und Hingabe zu folgen in einer Stimmung der Freundschaft.
- Die Beispiele grosser Heiliger beobachten, und ihre Inspiration in Absprache mit seinem eigenen Meister ins eigene Leben integrieren.
Hier erkennt man, ob die Lehren des Guru und seine eigene Applikation übereinstimmen mit den Heiligen der Vergangenheit und der Gegenwart. Es bedeutet, dass man von vielen Sadhus hören soll, da eine einzelne Person nie die ganze Fülle der Göttlichkeit ausstrahlen kann.
- den spirituellen Meister befragen, hinterfragen. Alle Zweifel sollen ausgedrückt und formuliert werden dürfen. Sie sollen mit dem Meister diskutiert werden.
Hier wird das Prinzip des pariprashna, das Fragen nach ewiger Wahrheit, erwähnt. Man soll in der Gemeinschaft von Sadhus ständig nach sat-dharma, nach Ewigkeit fragen, nach dem Wesen der Seele, nach Gott und seiner Beziehung zu Ihm (sowie dem Ausdruck dieser Beziehung – eben den Aspekten des Bhakti-Yoga.
- Bereitschaft, für die Suche nach Wahrheit alles zu opfern – das bedeutet, sie zur ersten Priorität zu machen. Solange man nicht bereit ist, selbst die eigene Tagesordnung und das eigene Planen für seinen Geliebten zu opfern, kann die Liebesbeziehung nicht gedeihen.
- Seinen Wohnort zu einem heiligen Ort zu gestalten (damit die Ausrichtung nach Wirklichkeit auch in der Umgebung im aussen erinnert wird)
- Simplizität. Die Involviertheit mit der materiellen Energie auf einem Minimum zu halten. Das ist die Mässigung im Befriedigen persönlicher Bedürfnisse. Das Zuviel wird nur unnötige Störungen im Geist generieren, aber auch das Zuwenig (die erzwungene Entsagung verhärtet das Herz)
- Die heiligen Tage Sri Haris feiern (speziell den Fastentag des Ekadasi einzuhalten (alle 2 Wochen) und die Energie nutzen, eine geistige Bilanz zu ziehen (gehe ich voran? Bin ich zu stark im Nebensächlichen engagiert? Bekommen die Werte, die mir wirklich wichtig sind, auch die entsprechende Zeit und den Raum in meinem Leben?)
- heilige Bäume wie den Banyanbaum verehren (in Versöhnung und Harmonie leben mit der eigenen Umgebung) Das bedeutet, alle Wesen in Verbindung mit Sri Krishna zu betrachten (speziell die Kühe, Tulsi, Banyan- und Pippal-Bäume)
- Selbstbeobachtung, inwiefern man materialistische Werte von der Umgebung assimiliert hatte ohne sie zu hinterfragen oder analysieren.
- Man soll nicht jemanden unterweisen, der nicht den Wunsch hat, sein Leben ganz auf Gott hin zu richten, denn zwanghafte religiöse Indoktrination führt zu grösserer Stumpfheit und Indifferenz gegenüber dem Heiligen als die Unwissenheit selber.
(es ist die Warnung vor der Missionierung, die meistens echte Sucher abschreckt und
Menschen anzieht, die gar nicht eine Bereitschaft für echte Spiritualität haben, sondern
nur einen Ausweg suchen aufgrund des Leidensdruckes dieser Welt. Vom äusseren
Ausdruck her ähneln sich die beiden sehr, aber es ist deshalb immer wichtig nach den
Motivationen dahinter zu fragen. Wahrheit ist so kraftvoll, dass die Sucher anziehen
wird, ohne apologetisch auf die Welt hinzugehen zu müssen.
Anhänger und Schüler zu haben ist aber auch gefährlich für den Sadhaka (den
praktizierenden Spiritualisten), da dann der Wunsch nach Ehre und Position (die
falsche Vorstellung, unentbehrlich zu sein) schnell geweckt ist.
- Man soll nicht sehr bemüht sein, grosse Tempel oder Klöster zu bauen (da sonst die Energie nur in den Erhalt derjenigen hineinfliesst und nicht in die wirkliche Verinnerlichung. Auch wird mit solchen Bauten äusseres Prestige erzeugt, das wiederum viele oberflächliche Menschen anzieht. Ganz allgemein soll man vorsichtig sein mit grossen Projekten in der äusseren Welt, da sie schnell den Geist des rajas in den Vordergrund rücken. Auch lenkt es die Aufmerksamkeit weg von der spirituellen Essenz, dem meditieren über die Heiligen Namen Gottes und dem smaranam, der Kontemplation im Innern.
- Nicht zu viele Bücher lesen, nur um sich als ein Gelehrter zu etablieren. Das heisst die Gefahr des Stolzes erkennen. Nicht zu studieren mit der Motivation, andere dann zu beeindrucken oder irgendwelchen anderen weltlichen Absichten.
- Man soll im gewöhnlichen Umgang mit anderen nicht geringschätzig sein. Ständige Offenheit gegenüber allem und allen. Die eigene Überzeugung soll also nicht als eine Mauer der Abschottung wirken, sondern sie soll durch diese nicht bewerteten Konfrontationen und Begegnungen hinterfragt, relativiert und vielleicht sogar berichtigt werden. Freundlichkeit bewahren, auch wenn Gründe existierten, es nicht zu sein. Das Verlieren des Gleichmutes ist ein solcher Verlust, dass er nie gerechtfertigt oder aufgewogen werden kann mit Erfolgen in der Welt.
- Gleichmut bei Verlust oder Gewinn (die Verankerung ins Innere verlagern, was einen die Ruhe schenkt, den Umständen im Jetzt, die unwiderruflich geschehen mussten – aufgrund meiner eigenen Auslösung derer in meiner Vergangenheit – nicht zuviel Gewicht beizumessen und vor allem sich nicht von ihnen ganz besetzen zu lassen.)
- Die Devas (Halbgötter) achten (das Verständnis, in einem intelligenten Kosmos eingebettet zu sein und von höheren Wesen ständig umgeben zu sein. Die Achtung ihnen gegenüber evoziert ihre Segnungen, ohne welche Radha Krishna nicht erreichbar sind. Es impliziert aber auch der Respekt vor anderen Konfessionen und anderen spirituellen Traditionen, denn wenn man die Vielheit nicht zu respektieren, ja sogar zu lieben vermag, wird man nicht höher steigen können (da in höheren Dimensionen die Fülle der Verschiedenheit zunimmt).
- Keinem Lebewesen Schmerz zuzufügen (Ahimsa) Im Mahabharata heisst es hierzu: „Jemand, der kein Lebewesen stört oder ihm seelisches Leid zufügt, der jeden (Mensch, Tier und Pflanzen) so behandelt wie ein liebevoller Vater seine Kinder erlangt ohne Zweifel sehr bald die Gunst des Göttlichen.“ Da Krishna der Vater aller Wesen ist, liebt er es sicher nicht, wenn wir Gewalt an unseren Geschwistern verüben.
- Die Prinzipien beachten, die einem selbst von der Stimmung der Verehrung abtrennen. (Siehe dazu den Artikel „Aparadha“ – in der Sparte „Praxis“)
- Blasphemie und schlechtes Geschwätz gegenüber anderen Lebewesen nicht innerlich geniessen. Sich also ständig bewusst halten, was einen erhebt und was einen nur degradiert. Die Ausrichtung auf die Fehler in anderen manifestiert genau diese aufgrund des Gesetzes der Resonanz bald in einem selber.
Jetzt folgen die Aspekte von Sadhana Bhakti. Sie sind geordnet in die neune Kategorien der Haupt-Praktiken der Bhakti, der neun Vorgängen der Hingabe zu Gott.
Pada-Sevanam – Liebes-Dienste, die wir mit den Füssen, den Händen, ja mit dem ganzen physischen Körper verrichten:
- Den Körper mit Tilaka und Tulasiperlen schmücken. (Das Gefühl wach zu halten, dass dieser Körper ein Tempel Gottes ist und deshalb die Priorität der Verehrung gilt und nicht dem Erhalten der Umstände.
- Die Heiligen Namen Gottes auf seinen Körper zu schreiben (mit Tilak). Dies drückt den Wunsch aus, sein ganze Wesen vollständig von sri harinam durchdrungen zu haben.
- Das Annehmen von Prasad (zu Gott geweihten Dingen). Dies weist auf die Mentalität hin, alles in dieser Welt mit Gott verbunden zu betrachten. Alles steht in Beziehung zu Ihm, gehört ihm und soll dementsprechend von mir nicht einfach annektiert werden, sondern in Seinem Sinne auch betrachtet werden. Dann wird die gesamte Welt zu Prasad – einem Ort der Begegnung Gottes.
- Vor dem Deity zu tanzen.
In der Bhagavad Gita (9.2) erklärt Krishna die Grundlage spiritueller Forschung: es soll ein Gefühl des Glücks sein, das die Erleichterung der Ausrichtung auf Ihn ganz natürlicherweise erzeugt.
- Sich vor Gott verneigen
Die Haltung der Demut einüben, denn sie kommt der Seele am nächsten. Die Prostration ist nicht nur mit dem Körper (denn das wäre Gymnastik), sondern eine Geisteshaltung. Diese Haltung drückt die Bewusstheit aus, dass heilige Erfahrungen nicht selber produziert werden können, sondern man sich in der empfangenden Haltung der Verneigung, der Demut sich für diese Geschenke nur vorbereitet.
- Den Herrn empfangen
Das soll zu einer Konstanten Haltung werden. Er spricht durch alle und alles zu mir. Wenn die Seele empfangend ist, wird sie die Führung Gottes zu ihm hin in jedem Augenblick konkret spüren. Den Herrn zu empfangen bezieht sich auch auf die Haltung in der japa, der Meditation über die Heiligen Namen Gottes. In jedem Moment auf den Durchbruch von Gottes Seite zu hoffen, in jedem Moment für diese grundlegende Erschütterung bereit zu sein, bedeutet, den Herrn zu empfangen.
Was würde ich in Seiner Gegenwart anders tun? Dies jetzt bereits zu tun, bedeutet, sich für Seinen Empfang bereit zu erklären.
- Gott nachzufolgen
Bin ich bereit, mit Ihm zu gehen, auch wenn Er einen anderen Weg einschlägt, als den meiner eigenen Vorstellungen. Hier ist das Nachfolgen aus tiefer Liebe heraus gemeint, und nicht dasjenige aus Pflichtgefühl (weil man eben muss oder zumindest sollte)
- Tempel Sri Vishnus und Pilgerorte besuchen.
Das bedeutet, Zeiten einzuschalten, in denen das eigene Leben einmal zurückgestellt wird, und sich ganz in die Atmosphäre des Heiligen zu begeben. Man gibt sich nackt der Heiligkeit dar. In seinem eigenen Leben hat man seine Rolle, seine Tätigkeiten, seine Fertigkeiten, die Umgebung, die einen respektiert – all dies kann einen schnell in die Identifikation hineindrücken, aber wenn man einen Pilgerort besucht, und in der Gemeinschaft von Sadhus auf sein Leben zurückblickt, in das man ja wieder zurückkehren muss, wird da Vieles relativiert. yat-tirtha-buddhih salile na karhicij....sa eva go-kharah (SB 10.84.13) Pilgerorte sollen auch nie aus einem touristischen Blickwinkel gesehen werden (da man nicht eine Gegend sehen will, aber die Nähe dessen, der die Landschaft konzipiert hat, erfahren)
- Den Tempel umkreisen
Parikrama ist Verehrung. Wenn die Gedanken wieder um nama, guna, rupa,lila kreisen, wird ein anderes Kreisen überflüssig: Samsara Cakra.
Arcanam – Verehrung
- Verehrung der Gestalt des Herrn (murti-seva)
Dadurch kann die Seele verstehen lernen, dass Krishna wirklich ein direktes „Du“ ist, ein Gegenüber, das sich gerne auf uns einlässt. Die Verehrung (Puja) ist ein äusserlicher Ritus, durch den man hindurchdringen soll zu einer manasa puja, die im Bewusstsein stattfindet. Nur dann ist das äusserliche Opfer, der äusserliche Gottesdienst, auch wirklich wirksam. Aber er schafft Samskara – Eindrücke, die den Geist zur Verehrung hinzubewegen.
Murti-Seva ist auch das Eintreten vor das Angesicht Gottes, um darin sich selber zu erkennen, denn in Anbetracht Seiner bin ich nicht mehr das, was ich zu schein glaube im Bezug zu dieser Welt.
31.Dem Herrn dienen
Sich wieder auf die Wurzel zu besinnen. yatha taror mula-nisecanena (SB 4.31.14)
Dadurch werden alle Belangen erfüllt.
Dieser Punkt ist das Ziel reiner Gebete, die nicht Dinge oder Umstände von Ihm
fordern, sondern alle nur für den selbstlosen Dienst zu Ihm flehen.
Kirtanam – Verherrlichung und Lobpreis
32. Die Herrlichkeiten des Herrn besingen
Heilige Lieder zu singen ist eine wunderbare Form, in die Absorbation einzugehen. Alleine oder gemeinsam. Kirtaniyah sada harih (ständig über mich singend, weilen sie immer bei Mir – Sri Krishna in der BG 9.14)
„Lieber Krishna, ich bete, dass mir Dein Prasad einmal ebenso köstlich munden wird, wie die Lippen einer Frau für den Materialisten.
Ich bete, dass die Erzählungen über Dich mich auch wieder so ergreifen und erschüttern, wie es die Worte eines jungen Mädchens für den frisch Verliebten sind.
Ich bete, dass mich die Betrachtung und die Versenkung Deiner transzendentalen Form bald wieder ebenso erfreuen, wie es für den Bräutigam den Blick über seine Vermählte ist.
Ich bete, dass ich Deinen Heiligen Namen wieder ebenso singen kann, wie der Verliebte ganz laut den Brief von seiner von ihm getrennten Geliebten liest.
Und lasse mich wieder so nach Dir schreien, wie es der Angehaftete über seine eben gerade verstorbene Frau tut.“ Padyavali von Rupa Goswami
33. Sankirtana
Das gemeinsame Singen der Heiligen Namen, der lilas, und den wunderbaren
Eigenschaften des Herrn, und das Singen der Heiligen Namen in Sambandha (im
Verständnis seiner ewigen Beziehung zum Herrn, aus der Perspektive der Svarupa).
34. Japa
„unter den Opfern bin ich das Opfer der Wiederholung des Gottesnamens“ (BG 10.25)
Das ist das kontemplative Gebet. Hier will man nichts mehr ausdrücken, sagen und
sprechen oder erzählen, sondern nur noch „da“ sein, bei Ihm, Ihm wieder Zeit schenken, der mir Ewigkeit schenken will.
Vandanam – Gebete darbringen
35. In eigenen Worten sich dem Herrn offenbaren, Ihn ansprechen, beten. Srila Rupa
Goswami erwähnt drei Gebetsformen und gibt kurze Beispiele von eigenen Gebeten.
Bitte (samprathanatmika): „Mein Herr, ich weiss, dass Mädchen eine natürliche
Zuneigung zu Jungen und Jungen eine natürliche Zuneigung zu Mädchen haben. Ich
bete zu Deinen Lotosfüssen, dass sich mein Geist auf die gleiche spontane Weise zu
Dir hingezogen fühlen möge.“
Geständnis/Reuegebet (dainyavodhika): „Mein lieber Herr, für so lange Zeit bin ich
nur selbstischen Zielen nachgeeifert und habe dich nicht beachtet. Ich weiss, ich habe
mich sehr weit von Dir entfernt. Nun schäme ich mich, vor Dich zu treten und meine
Trennung von Dir zu bekennen, aber ich weiss, dass Dein Wesen immer verzeihend
ist.“
Das sind Gebete, in welchen man seinen gefallenen Zustand ausdrückt, seine
Trennung wirklich erkennt, die Abwendung von Gott einem schmerzt. Es ist die
Demut.
Sehnen nach spiritueller Perfektion (siddhi-lalasa-mayi): „Mein lieber Herr, O
Lotosäugiger, wann wird der Tag kommen, an dem ich am Ufer der Yamuna wie ein
Irrsinniger ununterbrochen Deinen Heiligen Namen singe, während mir unaufhörlich
Tränen aus den Augen strömen?
Es ist das sehnsüchtige Weinen nach Gott und dem Dienst zu ihm im ewigen
spirituellen Körper in Goloka Vrindavan.
36. Gebete aus den Heiligen Schriften rezitieren
Die feste Gebetsformel erscheint uns zunächst wie etwas Mechanisches, Unbewegliches und Unlebendiges. Aber gerade in dem Sichausliefern dieser Starrheit zerbrechen eigene Verhärtungen und Verkrustungen, da man keine Ausflucht des Geistes mehr hat. Er kann nun nicht mehr fliehen.
Man könnte das Mantra mit der Lava vergleichen, die hart, kalt und tot den Weg bedeckt, und die uns völlig unfruchtbar vorkommt. Doch die Lava quoll einst als glühender Strom voll leidenschaftlicher Bewegtheit aus den Tiefen der Erde ans Licht; sie vermochte zu zünden, mitzureissen.
Unsere Gebetsformeln sind alle auch einmal solche innere geistige Glut gewesen, voll heiliger Bewegung in der Tiefe einer Seele, aus der sie geboren wurde. (Bei jedem vedischen Mantra gibt es einen Rsi, der die Kraft in das Manra hineingelegt hat. Wir chanten das Mahamantra, da in Ihm die Anwesenheit und heilige Gier nach Krishna von Caitanya Mahaprabhu noch immer wahrnehmbar ist.)
Sosehr aber das Mantra Ausdruck des Heiligen ist, von dem es stammt, so wenig ist es das Mantra damit auch schon für den jeweiligen Benutzer und Beter. In uns muss es ein neues, eigenes Leben gewinnen! Wie jene Lava erst zerkleinert werden oder verwittern muss, um wieder fruchtbar zu werden, so muss die Formel, die ich übernehme, nun von mir geistig verarbeitet und so zum Gefäss meines Umgangs mit Gott werden. Aus ihr will dann Lebendiges zu mir herein, und indem das, was in mir und was in ihr ist, sich begegnen, kommt "mein Gebet" in dieser Form zustande.
Pada-sevanam 2 – kleine Dienste zu Füssen des Herrn
37. Das Akzeptieren von Prasadam
Man isst nicht sofort, sondern legt eine Zeitschlaufe ein zwischen dem Reiz und er Aktion, indem man alle Nahrung Sri Krishna darbringt. Das Heilige soll auch das Gewöhnliche, den Alltag durchdringen. In diesen Versen wird eingeübt, die Tätigkeiten unserer Sinne auf das Heilige ausgerichtet zu haben. Hier angefangen mit der Zunge. Somit müssen die Sinnesobjekte nicht bekämpft oder die Sinne nicht ausgeschaltet werden, sondern nur die Verbindung zu Krishna, das Yoga, eingeübt werden. Das ist die Versöhnung mit der Welt, die an diesem Punkt nichts Schlechtes mehr in sich birgt, nicht mehr bekämpft werden muss, sondern sie wird zu einem Übungsfeld für die Liebesbeziehung zu Gott. An dem Moment verlieren die Objekte der Welt ihre verführerische Kraft und werden zu Uddipana, Anregungen zur Liebe zu Ihm. Krishna erklärt in der Bhagavad Gita (10.42): ekamsena sthito jagat – alles Schöne in der Welt ist nur eine tropfenhafte Reflektion meiner Lieblichkeit.“ Und die Sinne, die sonst Tore sind, uns als ewige Seele in die äussere Welt hinaus zu projizieren, werden zu Werkzeugen im Gottesdienst.
38. Caranamrita trinken, das Wasser, mit dem der Deity gebadet wurde.
39. Den Weihrauch, das Räucherwerk, die Blumen zu riechen, die dem Herrn in Liebe
dargebracht wurden. Der Geruchssinn soll auch integriert werden.
40. Das Deity des Herrn berühren und umarmen
Das ist die Integration des Berührungssinnes.
41. Das Betrachten der Bildgestalt – der Sehsinn mit einzubeziehen.
Es ist das „Vor-Gott-Stehen“. In dieser Betrachtung bin ich nicht mehr derjenige, den ich glaubte zu sein. Man sieht sich als Krishna-das. Die Rollen, die wir in dieser Welt immer wieder spielen, sind nur praktizierbar, da wir das Beziehen auf Ihn ausklammern. Dann definiert man sich in Bezug zu den zeitweiligen Gütern und Beziehungen, die wir in der Welt immer wieder haben und verlieren den Zugang zum Selbst.
Durch das Ausharren vor Ihm wird das Identifikations-Spiel beendet.
42. Teilnahme an der Arati und Festivals zu Ehren des Herrn
madhava-tithi bhaktir janani – „Spirituelle Festivals sind Geburtsstätten für Bhakti, liebende Hingabe.
Krishna erscheint in dieser Welt um uns die Möglichkeit zu schenken, uns wieder an Ihn zu erinnern. Uns an Sri Krishna zu erinnern und Ihn nicht zu vergessen – dies ist die einzige wirkliche Anleitung spiritueller Praxis – und alles Tun soll einen dahin führen. Der eigentliche Feind der Vertiefung in die Beziehung der Seele zu Radha Krishna ist die Zerstreuung der Gedanken, die durch berufliche Sorgen (Existenzängste) und zu häufige menschliche Kontakte (Versozialisierung, Oberflächlichkeit und Absorbierung in Nebensächliches) hervorgerufen wird. Dadurch wird das innere Leben, die Glut des Herzens, lau. Die Lauheit unseres Innenlebens entsteht mit dem Vergessen von Krishnas ständiger Gegenwart, Seiner Nähe.
Aber dieses Vergessen ist nichts Plötzliches. Es geschieht auch in der alltäglichen Begegnung mit Krishna immer wieder. Er rückt zunächst mehr und mehr an die Randzone des Bewusstseins und wird immer weniger zum Mass und Inhalt des gesamten Lebens. Dann bestimmt Er unser Denken, Entscheiden und Handeln nur noch gelegentlich und ohne Tiefenwirkung und Nachhaltigkeit. Schliesslich spielt die Führung Gottes dann nicht die geringste praktische Rolle mehr in der Lebensauffassung und –führung. Das bedeutet Verlust und Trennung und unweigerlich auch Verlorenheit.
Spirituelle Feste schenken uns den Einblick in die Realität Gottes. Der Schleier unserer Vergessen-Wollens kann gelüftet werden.
„Lieber Krishna, ich vergesse Deine Gaben, das, was DU mir bereits alles geschenkt hast, dann Dich selbst, dann das Verständnis, dass ich allein in Dir Erfüllung finden kann, und zuletzt vergesse ich auch noch die Gefahr, ohne Dich leben zu müssen. Der Gedanke an den Tod verblasst und die gesamte spirituelle Domäne verschliesst sich mir. Ist dann mein Vergessen Deiner vollkommen, so erkaltet das Herz und es verliert seine Sensibilität für das Heilige. Und so sinke ich in einen Zustand der Gleichgültigkeit, bald auch der Nachlässigkeit herab. Daraus erfolgt, dass mein Sadhana, meine heilige Aufgabe – Dein Geschenk an mich – auf später verschoben, dann aber schon bald ganz unterlassen wird. Dann beginne ich wieder ein Leben nach meinem eigenen Stil, in unbesorgter Nachlässigkeit, im Vergessen von Dir und der Liebe zu Dir. Meine Existenz dreht sich dann nur noch um mich und meine kleinen Bedürfnisse.
Als Mensch sind wir aufgefordert in der Übungshalle dieser Welt uns dieses „Ja“ zu Deiner weisen Führung wieder anzutrainieren. Spirituelle Festivals schenken uns Anstoss zu dieser Wiedererinnerung – was bedeutet, aufzuwachen zur Wirklichkeit.
Sravanam – das Hören von und über Gott
43. Hören über die Namen, Form, Eigenschaften Gottes und seinem Liebesaustausch mit
befreiten Seelen.
Es ist eine Freude, Krishnas Worte mit den Ohren zu ehren. Sie zu lesen ist nicht Lektüre oder Studium, sondern Gebet.
Über und von Krishna zu hören ist DIE Möglichkeit, die seit Ewigkeiten in uns schlummernde Anhaftung an Ihn wiederzuerwecken.
sthane hrsikesa tava prakirtya
jagat prahrsyaty anurajyate ca
"O Hrishikesa, die Welt wird von Freude erfüllt, wenn sie Deinen Namen hört, und so entwickelt jeder Zuneigung zu Dir." (BG 11.36)
"Wenn die Klanginkarnation Sri Krishnas (das Srimad Bhagavatam) in das Herz eines Gottgeweihten eindringt, lässt sie sich auf der Lotosblüte seiner liebevollen Beziehung nieder und reinigt sie vom Staub der materiellen Gemeinschaft wie Lust, Zorn, Begierden.... und wirkt wie ein Herbstregen auf Teiche, die mit trübem Wasser gefülllt sind." (SB 2.8.5)
yasmin sat-karna-piyuse
yasas-tirtha-vare sakrt
srotranjalir upasprsya
dhunute karma-vasanam
"Indem die Geweihten des Herrn einfach mit gereinigten transzendentalen Ohren über Seinen Ruhm hören, werden sie sogleich von den starken materiellen Wünschen und frucht-bringenden Handlungen befreit." (SB 9.24.62)
Hier heisst es srota-anjalih, man soll mit seinen Ohren anjalih (das ist die Gebetshaltung, indem man die beiden Hände zusammenfaltet als ein Zeichen der Ergebenheit) machen. Es ist also Verehrung mit den Ohren.
SB 10.52.23
sopasrutya mukundasya
rupa-virya-guna-sriyah
grhagatair giyamanas
tam mene sadrsam patim
"Viele Heilige wie Narada Muni pflegten den Palast König Bhismakas zu besuchen, und dabei bot sich natürlich auch Rukmini die Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Alleine dadurch. dass sie die Beschreibungen über Mukundas Schönheit, Füllen und transzendentalen Eigenschaften gehört hat, erwachte in ihr den Wunsch, sich vollständig seinen Lotosfüssen zu ergeben, und die verstand, dass Krishna ihr perfekter Gemahl sein werde."
Ganz am Ende der Gita spricht Sanjaya, der Schüler von Vedavyas selber:
rajan samsmrtya samsmrtya
samvadam imam adbhutam
kesavarjunayoh punyam
hrsyami ca muhur muhuh
"Indem ich mich immer wieder an dieses wunderbare und heilige Gespräch zwischen Krishna und Arjuna erinnere, erbebe ich jeden Augenblick vor Freude."
tac ca samsmrtya samsmrtya
rupam aty-adbhutam hareh
vismayo me mahan rajan
hrsyami ca punah punah
"Und wenn ich mich an die wunderbare Form Sri Krishnas erinnere, überwältigt mich immer grösseres Erstaunen, und ich erfahre ständig neue Erfülltheit." (Bg 18.76-77)
Die Weisen in Naimisaranya sprachen zu Suta Goswami (SB 1.1.19):
"Wir werden es niemals müde, von der Herrlichkeit der Höchsten Person zu hören. Diejenigen, die den besonderen Geschmack (rasa) ihrer heiligen Beziehung zu Krishna entwickelt haben, geniessen es jeden Augenblick, den Erzählungen über ihn zu hören."
Im vierten Canto spricht Narada zu König Pracinabarhi:
"Mein lieber König, an dem Ort, wo Gottgeweihte leben, die mit reinem Bewusstsein und grossem Bestreben von der Herrlichkeit der Höchsten Persönlichkeit Gottes hören und chanten - an jenem Ort wird man die Bedürfnisse des Lebens, nämlich Hunger und Durst, vergessen und gegen alle Arten von Furcht, Klage und Illusion gefeit sein..." (SB 4.29.38-39)
So wie das Gefühl des Hungers ein Zeichen für die Gesundheit des Körpers ist, so ist der lebendige Wunsch, Krishnas Worte zu hören, das sicherste Zeichen für einen gesunden Seelenzustand.
Durch seine offenbarten Worte gibt uns Krishna eine Möglichkeit der Begegnung mit Ihm. Der Grund seines Erscheinens in Form von Heiligen Worten ist nie nur Information, sondern ist Sein Anerbieten der Möglichkeit für unsere Rückkehr, die Heimkehr zu unserem ewigen Geliebten....Darin klingen bereits die Liebeslieder der ewigen Heimat an (vraja riti cintamani...)
Wir haben zu viel zu bedenken und zu besorgen und zu tun in der Welt. Die Gedanken um Krishna und für meine Beziehung zu Krishna finden zwischen so vielen Dingen, die mich beschäftigen, nicht einen rechten Raum, sie können mich nicht wirklich greifen und berühren, ansprechen - wenn sie nicht durch ausdrückliches Heranholen und Verarbeiten bewusst und gewollt in den Alltag hineingestellt werden.
Eben durch das regelmässige Hören von Ihm und über Ihn.
Genau hier habe ich meistens eine Ausrede, eine Flucht vor dieser Begegnung: mein Mangel an Zeit. Dies beweist nur, dass etwas in meiner Lebensführung nicht in Ordnung ist - und zwar etwas Entscheidendes. Das Dasein kann nicht so aufgebaut sein, dass für das Wesentliche die Zeit fehlt.
44. Das spezifische Hören über die Barmherzigkeit Gottes und sie in seinem eigenen
Leben sehnsüchtig erwarten.
„Mein lieber Herr, jeder, der ständig darauf wartet, dass Du ihn mit Deiner grundlosen Barmherzigkeit segnen mögest, und der weiter die Auswirkungen seiner vergangenen Missetaten geduldig erleidet (also die Barmherzigkeit nicht einfach als die Erleichterung meiner eigenen selbstverursachten Leiden betrachtet), während er Dir aus dem Inneren seines Herzens achtungsvolle Ehre erweist, ist sicherlich geeignet, befreit zu werden, denn sie ist sein rechtmässiger Anspruch geworden.“ (SB 10.14.8)
Smaranam – sich an den Geliebten erinnern
45. Die Erinnerung an den Herrn
Das Sterben für die Welt (maranam) eröffnet das beständige Erinnern an den Geliebten. Sada tad bhava bhavitah (Bg 8.6) „Was uns wirklich im Herzen bewegt – an was wir uns beständig erinnern, wird unsere Realität.“
„Einfach durch die Erinnerung an Sri Krishna werden alle Lebewesen geeignet, unendliches Glück zu empfangen. Lasst mich immer des Herrn gedenken, der ungeboren und ewig ist.“ Vishnu Purana
46. Wenn die Tendenzen des denkenden Verstandes in die Ablenkung in der
äusseren Welt sich zu verzetteln sich beruhigt haben, wird Konzentration
möglich. Wenn sich nun das gebündelte, konzentrierte Bewusstsein auf Dinge dieser Welt richtet, nennt man dies „weltliche Verstrickung.“ Konzentration wird zur Meditation, wenn das Objekt der Vertiefung Gott ist (dem man frei von eigenen Hoffnungen und Vorstellungen empfangend nachspürt).
a) Meditation über die Schönheit der Gestalt des Herrn (rupa-dhyan)
b) Meditation über die transzendentalen Eigenschaften des Herrn (guna-dhyan)
c) Meditation über den Liebesaustausch des Herrn mit den Seelen in der ewigen transzendentalen Welt (lila-dhyan)
d) Meditation, wie man dem Herrn einen Dienst darbringen könnte (seva-dhyan) Dabei ist nicht das Resultat, das, was man erwirkt hat, von Bedeutung, sondern einzig und allein der Moment der Vereinigung mit Ihm.
Im Brahma Vaivarta Purana wird ein Brahmana erwähnt, dem es wirtschaftlich sehr schlecht ging, der aber trotzdem zufrieden und glücklich war (da Zufriedenheit ja niemals abhängt von den Umständen, sondern eine Haltung ist, die in jedem Moment eingenommen werden kann). Zuweilen machte er sich auf, Vorlesungen von verwirklichten Seelen anzuhören. Bei einer dieser Zusammenkünfte wurde ihm mitgeteilt, dass hingebungsvolle Handlungen auch in der Meditation ausgeführt werden können. Anstatt sie mit dem Körper auszuführen, kann man sie einfach im Geiste tun und erhält dadurch die gleichen Ergebnisse. So nahm er sein Bad im Fluss Godavari, setzte sich danach an einen einsamen Ort am Flussufer hin und sammelte seinen Geist, indem er Yoga-Übungen und pranayama (Atemtechniken) praktizierte.
Danach begann er, einen wunderbaren Tempel für den Herrn zu bauen, und lud seinen ewigen Herrn ein, darin Residenz zu nehmen (natürlich ist Er allgegenwärtig in allem, was ist, aber im Tempel erbittet man um Seine ganz direkte und persönliche Gegenwart). Dann begann er seinen Herrn mit Kleidern und Blumen zu schmücken. Dann verneigte er sich liebevoll vor dem Herrn. Nachdem er das Ankleiden beendet hatte, begann er, in seiner Meditation den Tempel zu säubern. Danach stellte er sich vor, dass er viele Wasserkrüge aus Gold und Silber besitze, und dass er mit diesen Krügen zum Fluss gehe und sie mit dem heiligen Wasser fülle – nicht nur mit dem Wasser der Godavari, sondern auch der Ganga, der Yamuna, der Narmada und der Kaveri. Während ein Vaishnava den Herrn verehrt, ruft er diese heiligen Flüsse mit mantras herbei. Aber der Brahmana ging in der Meditation zu all diesen Flüssen. Darauf trug er alle möglichen Gegenstände zur Verehrung zusammen wie Blumen, Früchte, Weihrauch und Sandelholzpaste. Voller Zuneigung verehrte er seinen Herrn und brachte Ihm eine wunderschöne Arati dar.
Diese Verehrungen führte der Brahmana viele Jahre lang aus. Eines Tages stellte sich der Brahmana in seiner Meditation vor, er habe Reis mit Milch und Zucker zubereitet, den er Seinem Herrn darbringen wollte. Jedoch war er mit seiner Zubereitung nicht sehr zufrieden, denn der süsse Reis war erst kürzlich zubereitet worden und war immer noch heiss. (Je kühler dieser Süssreis ist, desto besser schmeckt er.) So prüfte er ihn, indem er seinen Finger hineinsteckte – und er verbrannte sich. Er wachte aus der Meditation auf und freute sich so, da er wusste, dass der Herr seine Darbringung angenommen hatte.
In Vaikuntha begann Sri Narayana, der neben der Glücksgöttin sass, humorvoll zu lächeln. Alle Glücksgöttinnen, die den Herrn umgaben, befragten Ihn neugierig über den Grund Seines Lächelns. Der Herr gab keine Antwort sondern liess statt dessen den Brahmana sogleich holen. Ein Fluggefährt aus Vaikuntha brachte den Brahman zu Sri Narayana und als er so vor Ihm stand, erklärte der Herr die ganze Geschichte. Der Brahmana wurde darauf mit dem Glück gesegnet, einen ewigen Platz in Vaikuntha in der Gemeinschaft des Herrn und seiner Lakshmis zu bekommen. Dies zeigt, wie der Herr alldurchdringend ist, obwohl Er Sich an einem festen Ort in Seinem Reich aufhält. Obwohl der Herr in Vaikuntha weilte, war Er auch im Herzen des Brahmana gegenwärtig, als dieser über die Verehrung des Herrn meditierte. Er ist bhava-grahi-janardana (Er akzeptiert nicht das tun, sondern die Haltung in unserem Tun)
Dasyam - die Haltung des Dienens
47. Das Darbringen eines freiwilligen Dienstes
Dies bedeutet, zu Tun, was Gott von einem erfragt, als wäre man persönlich neben
Ihm. Es beinhaltet auch das Darbringen seiner täglichen Aktivität, welche man bereits in der Stimmung eines Dieners von Ihm ausführte.
Freiwillige Bemühung ist die einzige Qualifikation für spirituelle Vollkommenheit.
Sakhyam – ein Freund Gottes werden
48. Freundschaft mit dem Herrn
Das ist vishrambha, Intimität in der Gottesbeziehung. Alle Ferne und auch die distanzierende Achtung und Erhfurcht verschwindet. Man fühlt sich ganz aufgehoben in Ihm, verstanden und freut sich immer auf den Moment der Zusammenkunft.
Im Mahabharata sagt Darupadi: „Mein lieber Govinda, Du hast versprochen, dass Dein Geweihter immer unter Deinem Schutz lebt. Ich glaube an diese Worte, und deshalb erinnere ich mich in allen Schwierigkeiten einfach an sie – und so lebe ich.“
Die Bedeutung dieser Worte ist, dass Draupadi und ihre fünf Ehemänner, die Pandavas, von ihrem Vetter Duryodhana in sehr leidvolle Umstände gebracht wurden. Die Drangsale waren so schwer, dass selbst Bishmadeva, der sein Leben lang ein Brahmacari und ein grosser Krieger war, manchmal Tränen vergoss, wenn er an Draupadi und die Pandavas dachte. Obwohl ihre Leiden keine gewöhnlichen waren, verlor Draupadi nie den Mut. Sie wusste, dass Krishna sehr bald erscheinen würde, da Krishna ihr Freund war.
Atma-nivedanam – vollständige Selbsthingabe
49. Wenn das Vertrauen wächst, und Intimität sich verstärkt, dann kann die Seele gar
nicht anders, als sich ganz hingeben zu wollen.
In der Spiegelung der materiellen Welt zeigt sich die Sehnsucht des „Sich-ganz-hingeben-wollens“ in der Sexualität, deren Dränge sich an diesem Punkt erst gänzlich auflösen, das Substitut kann nun wegfallen.
Srila Bhaktivinod Thakur singt:
„Ich biete mich dar als eine Dir ergeben Seele an. Meinen Geist, mein Haushalt, und meinen Körper – was immer in meinem Besitz ist, mein Herr – biete ich Dir alles an. Jetzt kannst Du mit mir verfahren, wie es Dir beliebt. Du bist der Höchste Besitzer aller Dinge, wenn es Dir also beliebt, kannst Du mich töten, oder wenn es Dir beliebt, kannst Du mir Schutz gewähren. In Deinen Händen ist alles wunderbar aufgehoben – was immer Du tust. Ich habe keinerlei Anspüche.“
Lieber Krishna,
Ich alleine bin nicht vollständig. Ich bin aus Dir, Ich bin zu Dir hin, ich bin von Dir und ich bin in Dir.
Nimm mich doch ganz - ich möchte nur noch für Dich dasein - so wie Du es für mich bist. Seit Ewigkeiten.
Es gibt nichts in dieser Welt, was die Seele so löst und befreit wie dieses vertrauensvolle "Sich-Dir-Überlassen".
Erst die Übereinstimmung zwischen Deinen Wünschen und mir - bis in die feinsten Verästelungen meines Seins, ist vollkommene Liebe.
Ich will Dich, Sri Krishna, und nur Dich. Ich möchte Dich wieder als das Mass meines Daseins in allem, bis ins Geringste und scheinbar Unbedeutendste.
Ich will, wie Du willst und was Du willst.
Du allein genügst mir - und nur Du genügst mir.
Mein lieber Herr, Sri Krishna
ich ergebe mich Dir.
Mache aus mir das, was Dir gefällt.
Und was immer du aus mir machst und mit mir vorhast - Ich danke Dir.
Ich bin für alles bereit. Und möchte alles akzeptieren.
Weil Dein Wille und weise Absicht wird vollbracht, ausgeführt und vollendet - in mir und in aller Kreatur.
Ich wünsche und begehre wirklich nicht anderes. Mein lieber Krishna.
Ich lege meine Seele wieder in Deine Hände zurück. Übergebe mich Dir, mein Herr, mit aller Liebe meines Herzens - weil ich Dich liebe.
Meine Liebe zu Dir will "Mich-Dir-schenken", mich wieder vollständig Deiner Führung anvertrauen, ohne Grenzen.
Mit unerschütterlichem und unendlichem Vertrauen.
Denn ich gehöre zu Dir.
Sri Yamunacarya betet: „Mein lieber Herr, ich mag im Körper eines Menschen oder eines Halbgottes leben; doch ganz gleich in welcher Lebensform ich mich gerade befinde, es bleibt sich gleich, denn alle diese Körper sind nur Umwandlungen der materiellen Energie, und ich, der ich in diesem Körper residiere, ergebe mich Dir nun ganz.“
50. Das Anbieten von dem liebsten, was man hat.
Hingabe ist nicht, das Abgeben von Dingen, die man nicht mehr braucht, sondern das
freiwillige Überreichen desjenigen, was einem am Liebsten ist. Hingabe ist erst dann vollständig, wenn man die Verstecke preisgibt, Ihm die verborgenen Verhaftungen darbringt. Das ist das echte Liebesopfer.
51. Alles Tun einzig zur Freude Sri Krishnas verrichten
Karma-yoga lehrt, dass wir alle Tätigkeiten mit Krishna verbinden sollen. (Ich bestimme noch das, WAS getan werden soll) Aber in „atma-nivedanam“ möchte ich nicht nur die Arbeit, mein Tun, Sri Krishna darbringen, sondern mich selbst. Karma-yoga lässt einen handeln und danach widmet man die Tätigkeit. Selbsthingabe bedeutet, man gibt zuerst sein Selbst, tut das, was Er will, im ständigen Bewusstsein, dass es nur für Ihn ist.
52. Zuflucht beim Schutz von Sri Krishna suchen
Das ist die vollkommene Ergebenheit, die sogar das eigene Können auf dem spirituellen Pfad hinterfragt.
Die Einstellung, dass ich Sadhana ausführe, sozusagen das Selber-machen der spirituellen Praxis, muss aufgegeben werden, wenn ich tiefer gehen will.
Gerade wenn man ernsthaft Fortschritt machen möchte, muss man zunächst gründlich scheitern - einsehen, dass die bisherige Praxis von mir selber erzeugt war - mit bestimmten Ritualen versuchte ich die Transzendenz zu zwingen, in meinem Leben zu erscheinen, aber gerade im Bereich echter Liebe hat Mechanik nichts zu suchen - und auf diese Weise langsam und mühevoll lernen, alles eigene Können und Machen loszulassen.
Viel schwieriger als alle Selbstkasteiung und Askese fällt einer Seele das Aufgeben des selbsterwählten Weges. Erst dann ist das Ergeben vollständig.
Oft glaubte ich, mich ganz in Deine Hände gegeben zu haben, und muss doch immer wieder erkennen, dass ich in subtiler Weise immer noch auf mein eigenes Machen und meine eigenen Pläne baute und selber etwas erreichen wollte.
Theoretisch habe ich eigenes Können und Machen vielleicht schon länger relativiert und lebe im Bewusstsein meiner menschlichen Gebrechlichkeit und Unzulänglichkeit, aber in der Praxis ist das Wegfallen alles Eigenen dennoch wie ein Schock, bei dem der Atem stockt.
Die natürliche Neigung, mich auf mich selbst zu stützen und auf das, was ich erreicht habe, meldet sich immer wieder zu Wort. Dann bin ich in Gefahr, mich wieder nur auf mich selber zu beziehen und mich ans Ich zu klammern, statt für Krishnas liebevolle Nähe offen zu sein.
In einem langwierigen Prozess körperlicher und psychischer Folter lernt man ganz allmählich zuzulassen, wie die eiserne Mauer von der anderen Seite aus niedergerissen wird. Der Prozess der Nichtung meiner falschen Identität ist wie eine Umkehrung des Schöpfungsvorganges, eine Entwerdung.
Tadiya-seva – Dienst zu dem, was Sri Krishna sehr lieb ist
53. Dienst zu Tulasi Devi
Sie ist nicht eine Pflanze, sondern ein ewiger Parikar, eine Gefährtin von Srimati
Radharani in Goloka Vrindavana.
54. Heilige Schriften ehren – durch das tägliche Hören in der Gemeinschaft von
gleichgesinnten Spiritualisten
Das ist die Umkehrung des Gebetes – man lässt sich ansprechen von Gott.
55. Der Aufenthalt in einem Weihekreis (Dhama), einem Heiligen Ort, gilt als Dienst,
wenn man sich voller Bewusstheit vergegenwärtigt, wo man sich eigentlich befindet.
Damit sind Orte gemeint, in denen Sri Krishna seine lila, sein Erdenspiel, vollführte. Sie gelten als die kraftvollsten Uddipana, Anregungen zur Erinnerung an Ihn, zur Absorbation in Ihn und Seine Welt.
56. Vaishnava Seva – der Dienst zu Vaishnavas
„Vaishnava“ ist nicht ein konfessioneller Begriff, sondern eine Bezeichnung der ewigen Natur der Seele – Gott zugehörig zu sein. Somit sind also alle Wesen „Vaishnavas“. Was hier aber spezifisch gemeint ist, ist der Dienst zu Seelen, die sich dessen wieder bewusst geworden sind. Durch die Gemeinschaft mit ihnen in Demut werden ihre Verwirklichungen in unser Herz transferiert.
Zusätzliche Aspekte
57. Dienst für den Herrn je nach den eigenen Mitteln.
Alle diese Aspekte sollen in das Leben integriert werden, aber natürlich gemäss den Möglichkeiten, die einem durch die karmische Vergangenheit zur Verfügung stehen.
58. Den Monat „Kartik“ (Oktober-November) feiern
In diesem Monat erinnern sich die Vaishnavas speziell an ein wunderbares Lila Sri Krishnas – das Damodara lila. Obwohl Er die Höchste Absolute Wahrheit ist, unlimitiert, anfangslos, ohne ein Ende, so kann er doch durch Prema (reine Gottesliebe) gebunden werden. Deswegen heisst er “Damodara“, derjenige, der durch Prema gebunden wird.
Der Name “Kartika“ ist abgeleitet von “Kirtika-Kumari”, Srimati Radharani, die Tochter Kirtida’s, denn sie ist der adhistatri-devata, die vorherrschende Persönlichkeit in Kartik.
Deshalb verehrt man in diesem Monat speziell Radhika, besucht Sri Vrindavan Dham und hört über die Spiele von Radha-Krishna. So erlangt man Yugal-Seva (der Dienst zu Radha und Krishna in den Wäldern von Vrindavan in einem ewigen spirituellen Körper) in der anugatya (Nachfolge) der gopis von Vrindavan. Bhaki, vollständige Hingabe zu Gott, ist nicht das Werk einer Seele in dieser Welt, aber eine Manifestation von Radharani.
Durch die Verehrung von Radhika erlangt man eine Prema mit der man parabrahma, den Höchsten Herrn, binden kann.
59. Das Erscheinen Gottes (Sri Krishna Janmastami) feiern
Das Mysterium, dass der Höchste Herr in Seiner ewigen Form selbst innerhalb Seiner eigenen Schöpfung wieder erscheint ist so grossartig, dass es in der Bhagavad Gita heisst, dass man alleine durch das wirkliche Verstehen dieses Wunders, nie wieder eine Geburt in der materiellen Welt nehmen wird.
Die fünf „mukhya-angas“, (wichtigsten Aspekte der Bhakti)
60. Voller Liebe und Zuneigung dem Deity dienen
Bereits in dieser Welt existiert eine Korrelation zwischen dem Bild einer Person und der Person selber (es kann über das Bild geheilt und die Aura gelesen werden etc). Je höher nun ein Lebewesen ist in der kosmischen Hierarchie, desto lichter und durchlässiger ist die Bedeckung, die Hülle des Körpers, die die zugrundeliegende Seele, das eigentliche Individuationsprinzip, begrenzt. Deswegen ist in einem dreidimensionalen Abbild eines Deva (wie zum Beispiel Ganesha) das Lebewesen in viel stärkerem Bezug mit der eigentlichen Person, und ist darin gegenwärtig.
Bei Gott, vollkommen jenseits dieser Welt, existiert überhaupt keine Dualität mehr zwischen Körper und Selbst. Es ist eine Einheit zwischen dem Wesen Gottes und Seiner ewigen Erscheinungsform. In seiner Absolutheit gibt es keinen Unterschied zwischen Ihm, Seinem Namen und Seiner Form.
Aus tiefem Mitleid uns gegenüber erscheint der Höchste Herr in Seiner Murti-Form, dass selbst bedingte Seelen in dieser Welt, deren Augen noch nicht mit der Gottesliebe gesalbt sind, (die es einen erlauben würden, Ihn überall wahrnehmen zu können) Ihn sehen und verehren können.
Wenn wir wieder beginnen einzuüben, unsere Sinne auf Ihn zu lenken (Seine Form zu sehen, für Ihn zu kochen, Sein Prasad (die Ihm geweihte Speise) zu essen, und lernen, wie alles in der Welt Gott gehört und auf Ihn bezogen werden sollte, und dass ich eigentlich nur der Verwalter Seines Besitzes bin, werden die ewigen spirituellen Sinne reaktiviert, und transzendentale Wahrnehmung erwacht. Erst dann dämmert im Bewusstsein die Verwirklichung, dass Krishna wirklich persönlich im Murti gegenwärtig ist.
Die Beziehung zum Murti lehrt den Spiritualisten in der Welt, alle seine Sinne wieder in ihrer ursprünglichen Funktion, nämlich in Yoga – in der Beziehung zu Gott – einzusetzen, und auf diese Weise die Fähigkeit einer direkten Gottes -Wahrnehmung wiedererlangen.
61. Das Srimad Bhagavatam kosten
Im Caitanya Caritamrita (antya 5.131) heisst es, dass man in der Gemeinschaft grosser Seelen das Bhagavatam diskutieren soll und somit tropft Rasa, ein transzendentaler Wohlgeschmack aus jedem Wort dieses Bhagavatam heraus.
62. Sadhu Sanga
Das ist die Gemeinschaft von Sadhus, von Personen, die Sadhya (das letztliche Ziel) genau verstehen. Man sollte Sanga haben von Personen, die eine ähnliche Gemütsstimmung haben. Im liebevollen und herzlichen Austausch erscheint Gott. Sadhu-sanga ist ein Synergie-Prinzip.
63. Das Ehren von Krishnas Namen
„Der Heilige Name ist die Knospe der Liebe zu Krishna. Er ist ein Reservoir von nicht erahnender Ekstase und entfaltet enorme Kräfte. Wenn die Knospe des Heiligen Namens ein wenig zu erblühen beginnt, offenbart der Heilige Name seine Eigenschaften und seine Schönheit, und er stiehlt das Herz und bringt es in die Hände Krishnas. Wenn der Heilige Name voll erblüht, nimmt er mich nach Vrindavan und zeigt mir Krishnas ewige Spiele. Der Heilige Name bietet mir zu diesem Zeitpunkt meinen ewigen spirituellen Körper an, stellt mich neben Krishna und vernichtet diesen materiellen Körper. Dieser Name ist die Quelle meiner ganzen Freude.“ Bhaktivinoda Thakur.
Wenn ich chante in einer Stimmung spiritueller Sinnenbefriedigung, so daß ICH dabei genießen möchte, werde ich nur einen Schatten des Harinam berühren. Er offenbart sich selbst (svapramanya) gemäß dem aufrichtigen Wunsch des Dienen-Wollens seitens der jiva.
Harinam (der Heilige Name) ist nicht lippentief, er ist herzenstief. Harinam können wir niemals mit unserer Zunge produzieren, er kann herabsteigen. Wenn irgendein Wesen „Krishna“ sagt, so ist dies noch nicht der Nam. Der irdische Klang vom Nam, der mit dem körperlichen Ohr aufgefaßt wird, ist wie ein Gefäß, ein Schatten des wirklichen Nam.
Atah sri krishna namadi na bhaved grayam indriyaih
Sevonmukhe hi jivadau svayam eva spurathy adah
„Krishna kann mit unseren stumpfen Sinnen niemals wahrgenommen werden. Aber wenn jemand voll Sehnsucht zu dienen sein Antlitz Krishna zuwendet, dann beginnt Er sich uns in Seinem Namen zu offenbaren.“ (Padma Purana)
Der Harinam kann nicht mit einer materiellen Zunge produziert werden und schon gar nicht mit stumpfen Ohren gehört. Er steigt herunter von Goloka und erscheint auf unserer Zunge als Importprodukt der ewigen Welt und wird niemals selber hergestellt.
Damit sich dieser herzenstiefe Nam und nicht der lippentiefe Alphabetname auch wirklich uns offenbart, braucht es die Haltung des ständigen Flehens.
64. Das Wohnen an einem heiligen Ort
visayi chadiya kabe suddha ha'be mana kabe hama herabo Sri Vrindavana (Prarthana)
"Wenn alle materielle Wünsche für sinnliche und körperliche Befriedigung aufgegeben werden, ist das wirkliche Vrinavana vor einem sichtbar."
Wenn wir das äussere Vrindavan betrachten, dann stimmt dies nicht überein mit den Beschreibungen des Bhagavatam. Wir brauchen die Führung von Heiligen, um dies zu verstehen.
Der Heilige Dham ist nicht aus dem Stoff dieser Welt gemacht, weswegen er nicht mit den Instrumenten unserer Sinne wahrgenommen und nicht mit den Gefühlen erspürt werden kann.
Sri Vraja Mandala wird eine Wirklichkeit in uns durch die Barmherzigkeit von Sadhus. Wenn in ihrer Gemeinschaft die Zuneigung, die sie zu Radha Krishna verspüren, sich in unser Herz ergiesst.
Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, dass wir nicht nach Vrindavan kommen, um diesen Ort zu geniessen, wir kommen hierher um zu dienen, und auch um unsere Diensthaltung zu vertiefen.
Das ist die wirkliche Stimmung von Vrindavan.
Und dieses Vrindavan-Bewusstsein, dass hier nämlich jedes Grashalm, jedes Staubkorn erfüllt ist von krishna-seva-vasana (dem spontanen Wunsch alles zur Freude von Radha Krishna zu tun), ist eigentlich auch der natürliche Bewusstseinszustand von uns.
Was wir hier in Vrindavan alle gemeinsam haben ist die Gelegenheit, in jedem Moment Krishna kontaktieren zu können. Er ist wirklich da.
Wie kann ich es mir dann leisten, mich an der Oberfläche ablenken zu wollen?
Wenn ich da Mühe habe einzutreten, kann ich ja zumindest zu Vaishnavas gehen, und sie befragen, was ihnen Vrindavan bedeutet, weshalb sie hier sind, und so erhellt sich meine Ausrichtung des Bewusstseins.
Und dann spürt man doch wieder deutlich, dass hier noch viel mehr ist, als auch der Vaishnava mir mit Worten zu vermitteln sucht.
Selbst im für uns sichtbaren Vrindavan erkennt man, speziell wenn man abends die Tempel besucht, dass diese Einwohner Vrindavans authentisch, ernsthaft, aufrichtig und ungekünstelt sind. Eine natürliche Anziehung zu Radha und Krishna wohnt in ihnen - und genau dies lehrt mir doch schon so viel - einem zweifelnden "Devotee" aus einer unbalancierten Welt, aus der hedonistischen westlichen Hemisphäre.
Hier lernen wir, wie das RadhaKrishna-Bewusstsein ein natürlicher Teil des Lebens sein kann und nicht, wie wir es oft im Westen beobachten, eine sich selbst aufgesetzte Philosophie und ein aufgebürdetes Verhalten ist. Krishnabewusstsein ist die natürliche Umgangsform.
Hast du diese alte Frau gesehen, wie sie ein kleines Stücklein Prasadam, das herunter fiel und gerade die Füsse berührte, um Verzeihung bat?
Hast du gesehen, wie der Babaji seine Ehrerbietung zum Deity darbrachte?
Hast du die Vrajavasis bemerkt wie sie "Radhe Radhe" singen während des Parikramas?
Hast du die Andacht der Pilger beim Darshan im Krishna Balarama Tempel beobachtet?
Hast du gehört, wie selbst der Busfahrer freudvoll "Sri Sri Radha Vrindavana Bihari Lal ki jaya....jaya Sri Radheeeeeee Syam" ausrief, wie er von der Dehli-Agra Road abbog um nach Vrindavan zu fahren?
Hast du in der Stille den Sonnenuntergang in Vrindavan erlebt auf dem Hügel des Madan-Mohan Tempels, den sanften Nebel zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Yamuna? Hast du den kühlen Sand unter deinen Füssen gespürt beim nächtlichen Parikrama um Giriraja?
Hast du die Süsse des Bhajans aufgenommen? Die Leichtigkeit des Gemütes gefühlt, einfach an diesem lila-sthan zu sitzen? Die Erfülltheit beim Satsang wahrgenommen? Die Ergriffenheit des Sadhu in seiner Absorbation in den Harinam gesehen? Und die dich einladende Lieblichkeit von Kishori-Vallabha vermerkt?
Hast du die Träne in den Augen des Pilgers bemerkt, als er Vrindavan wieder verlassen musste?
Ich sitze mit alten Gaudiya Vaisnavas im Samadhi von Syamananda Pandit. Sie sind vertieft in lila-smaranam. Ich sitze zwischen Welten. Die Arati Glocken erfüllen die frühe Morgenatmosphäre.
Vrindavan ist auch ein Ort, an dem sich die Wahrnehmung meines alten Lebens völlig ändern kann.
Jetzt hier in Vrindavan muss ich mich ehrlich fragen:
Was will ich wirklich?
Wie kann ich die Intensität meines inneren Lebens beibehalten - verstehend dass ich im Zuhause des Herrn lebe?
Bin ich bereit immer und immer weiter zu gehen und mich nach neuen Entdeckungen zu sehnen, und nicht auf den Lorbeeren des bereits Erhaltenen auszuruhen? Bin ich bereit aufzubrechen, den Exodus aus dieser Welt wirklich zu vollziehen ohne mich dabei einfach nur auf die bereits gemachten Verwirklichungen und Einsichten zu stützen.
Die Theorie, dass ein Lebewesen eine Seele ist und nicht der Körper und dass Vrindavan ein Ort der Freude ist, reicht hier nun nicht mehr aus. Auch ein Verständnis oder eine Erfahrung von den Prinzipien des Krishnabewusstseins (den 64 angas des Bhakti Rasamrta Sindhu) die wir in der Vergangenheit einmal haben durften, reicht nun nicht mehr aus, ist nicht genug für ein enthusiastisches Weitergehen auf dem Pfad der Bhakti.
Wir benötigen das Verständnis und die Erfahrung, WIE das Lebewesen eine Seele ist, Krishnas ewiger Diener, und WIE Vrindavana der Ort der Glückseligkeit ist - und was das alles praktisch für uns bedeutet.
Srila Prabhodhananda Sarasvati schreibt im Vrindavan Mahimamrta (1. 65)
stri-matre matr-buddhih sthira-cara-nikhila-pranisupasya-buddhir
bahyasesartha-labhesv api hrdaya-mukha-mlani-krd-dhani-buddhih
deha-stri-vitta-putradisu na hi mama-dhir mitra-buddhih svasatrusv
apidayam samastat sukha matir amitananda-vrndavane 'stu
Considering all women as mother, thinking all moving and non-moving living entities to be worshipable, considering all material opulences to be valueless things which wither the face and the heart, considering that I am not the proprietor of my material body, the material bodies of my wife and children, and whatever wealth and other things are under my jurisdiction, considering all my enemies to actually be friends, and remaining cheerful at heart even in the midst of the greatest suffering, may I reside in this land of Vrndavana, which is full of limitless spiritual bliss.