ethische Integrität - Yama und Niyama

Die vier Grundbedürfnisse

 

 

In der vedischen Literatur werden vier Grundbedürfnisse beschrieben, die sowohl Mensch als auch Tier gemein haben.

 

ahara-nidra-bhaya-maithunam ca

samanyam etat pashubhih naranam

dharmo hi tesham adhiko vishesho

dharmena hina pashubhiù samanah

 

Ernährung, Schlaf, Sexualität, und Selbsterhaltung (Schutz vor Bedrohung, Verletzung und Tod)

Diese mächtigen Antriebe erzeugen aus sich selbst heraus Bewegungen des Geistes, die subjektiv als Emotionen und Handlungsimpulse erlebt werden.

Diese Grundbedürfnisse verschleiern somit die ursprüngliche Sehnsucht der Seele und wirken als Bedeckung und Verfärbung der Wesens-Wünsche.

 

Deshalb muss ein übender Spiritualist sich aus den zwanghaften Tendenzen dieser Grundbedürfnisse befreien, sie harmonisieren und kontrollieren. Damit soll ihr Störungspotential, welches den Geist stets erneut in Bewegung und Unausgeglichenheit bringt, gemildert und letztlich gänzlich zur Ruhe gebracht werden.

 

In diesem Sinne der Regulierung der triebhaften Strebungen ist auch der Yama „Brahmacarya zu verstehen. Brahmacarya wird oft missverstanden als Forderung nach Unterdrückung von Antrieben und Emotionen. Harmonisierung und Beruhigung von Triebbedürfnissen bedeutet, ihren verformenden Einfluss auf den Geist zu verringern und seine Sattvischen Qualitäten zu fördern. Im Verlauf des Übungsweges mag sodann ein natürliches Abnehmen des Interesses an Bedürfnisbefriedigungen zu beobachten sein. Ein Disinteresse.

Eine rigide Unterdrückung von Triebimpulsen andererseits hätte das Gegenteil zur Folge, nämlich das Anwachsen einer Bedürfnisspannung, die den Geist entweder ständig mit ihrer Verdrängung oder Kontrolle beschäftigt (und somit den Geist in Bewegung setzt und die Klarheit der Seele verdeckt), oder ihn aber irgendwann wie aufgestautes Wasser überflutet.

 

Yoga bedeutet, einen Lebensrhythmus zu wählen, der nicht eine ständige innere Beschäftigung mit den Grundbedürfnissen provoziert (BG 6.16), und damit den Geist in seiner Konzentrationsfähigkeit nicht zu stark zu binden. Es geht darum, ihn frei zu machen von schlechten Gewohnheiten, die über viele Leben hin angeeignet wurden, damit das Gemüt nicht eine Beute heftiger oder kaum merklicher emotionaler Erregungen wird.

Deshalb beginnt Yoga stets mit der Integration von Yama und Niyama in unserem Leben.

 

 

Durch Yama und Niyama entwickeln wir unsere Persönlichkeit. In traditionellen Yoga-Klöstern (Ashrams) wurde-und wird- kein Schüler in tieferen spirituellen Übungen unterrichtet, wenn er nicht in der Lage ist, nach Yama und Niyama zu leben. Dies sind die inneren Disziplinen, die unser Verhalten regeln sollen.

 

Yama (moralisch verbietend, soll ethische Grundlage liefern)

 

a) Ahimsa bedeutet Gewaltlosigkeit. Bereits ein schlechter Gedanke ist Gewalt. Ich denke schlecht über eine Person, daher spreche ich auch schlecht über sie. Und dies führt dazu, dass ich eine innere Bereitschaft entwickle, etwas Schlechtes zu tun, und so wird also aus Konsequenz auf mein Denken eine schlechte Handlung folgen.

Da wir aber bei allen Yoga-Pfaden karmische Verstrickung meiden wollen, nur schon aus selbstischen Gründen, sollten wir auf Gedanken-Beobachtung und -Bewachung, oder allgemein auf Mental-hygiene grosse Sorgfalt walten lassen. Ahimsa bezeichnet eine Einstellung und Verhaltensweise gegenüber allen Lebewesen, die auf der Erkenntnis der zugrundeliegenden Einheit allen Lebens beruht. Ahimsa lässt sich nicht in festen und unbeugsamen Regeln festhalten, denn jede Lebenssituation erfordert eine neue, vitale Stellungsnahme. Um rechte Einsicht und rechtes Handeln unter den verschiedenartigsten Umständen in der Praxis zu leben fordert die Verinnerlichung von einer Mentalität, welche nicht nur im negativen Ideal des Nicht-Verletzens ruht, sondern in der dynamischen Liebe zarten Mitgefühls mit allen Lebewesen bis hin zu ihrer praktischen Form des Dienens hin.

 

b) Satya bedeutet Wahrhaftigkeit. Hier gilt wieder dasselbe Prinzip: weder in Gedanken, Worten noch in Taten unaufrichtig zu sein.

Wie sehr uns Lügen karmisch verstricken, können wir uns bewusstmachen, wenn wir aufmerksam beobachten, wie sehr wir uns bemühen müssen, uns genau zu merken, wem wir was erzählt haben, um uns nicht zu verraten. Es schafft Komplikationen, welche das Gemüt beunruhigen. Unwahrheit in jeder Form trübt die intuitiven Fähigkeiten ganz stark. Zudem zerstört jede Form der Unwahrheit die Übereinstimmung mit der Wahrheit, und schafft einen spürbaren emotionalen Druck, der uns daran hindert, unser Gemüt einzustimmen in spirituelle Themen.

Es geht aber noch um umfassendere Aspekte, nämlich die strikte Vermeidung aller Übertreibungen, Zweideutigkeiten, Vortäuschungen, Notlügen, Halbwahrheiten, die nicht in völliger Übereinstimmung mit den von uns für wahr gehaltenen Tatsachen sind. Lügen ist in der zivilisierten Gesellschaft verpönt, aber es gibt viele Varianten der Unwahrheit, die im konventionellen Leben nicht für verwerflich gelten. Doch auch diese müssen im praktizierenden Spiritualisten völlig ausgemerzt werden.

 

c) Brahmacarya bedeutet sexuelle Enthaltsamkeit. Dies bedeutet aber nicht nur die sexuelle Enthaltsamkeit.

Wir sollten uns bei allen Handlungen bewusst sein, wieviel Energie wir verbrauchen. Wie können wir denn unsere Energie zum spirituellen Wachstum kanalisieren, wenn wir uns ständig im Nebensächlichem, im Alltäglichen verzetteln?

Wir sollten uns fragen, wieviel wir wirklich sprechen, arbeiten, schlafen, essen und lesen müssen. Was lohnt sich für das Leben? Was ist nur Gewohnheit? Wir sollten uns also zurücknehmen bei allen Tätigkeiten, die uns stark in die Welt hinausziehen. Von all denen ist die Sexualität die Kraft, die einen am stärksten aus dem Selbst herauszerrt und einem mit dem Körper identifizieren lässt.

Die Freuden des Weltlebens, eben vorallem die Sexualität, ist mit dem inneren Frieden und dem transzendentalen Wissens nicht vergleichbar. Jene, die zögern, die Sinnesfreuden aufgeben zu wollen, müssen noch die starke Gewissheit und Intuition in sich wecken, die ihnen sagt, dass sie einen blossen Schatten für etwas Wirkliches aufgegeben haben, eine vergängliche Empfindung für die grösste Gabe.

Jemand, der Angst hat, der Sexualität zu entsagen oder einen Kompromiss sucht, soll sich erhrlich fragen, ob er wirklich glaubt, dass jemand, der von solchen Leidenschaften bestimmt wird, Eignung hat, sich ganz auf das göttliche Abenteuer einzulassen. Ob er wirklich an die Existenz der ewigen Seele glaubt und die Freude in deren Auseinandersetzung nicht weit grösser sei.

Und die Antwort, die sein Innerstes gib, wird klar und unmissverständlich sein. Brahmacarya ist nur dazu da, die Blockade zum Erleben spiritueller Freude aufzuheben.

Es existiert eine Freude nur schon im freiwilligen Aufgeben, denn in der Sinnenfreude ruht ein ständiges Potential mentaler und emotionaler Unruhe. Zu dem untergräbt die Vielverzweigtheit im Geist ausgelöst durch das ständige Hoffen für weltliches Wohl den stark ausgerichteten Willen.

Solange wir in der Welt leben, und uns zwischen Gegenständen bewegen, die auf die Sinnesorgane einwirken, sind Empfindungen der sinnlichen Annehmlichkeit unvermeidlich. Wenn wohlschmeckende Nahrung über die Geschmacksknospen der Zunge gehen, wird ein angenehmer Sinneseindruck geschaffen. Hat nun der Spiritualist die unmögliche Aufgabe, die angenehmen Empfindungen auszuschliessen? Die Schwierigkeit und Gefahr liegt nicht in der Wahrnehmung der Empfindung, die ganz natürlich ist und an sich unschädlich, sondern im Verlangen nach Wiederholung, solcher Erfahrungen, die angenehme Empfindungen auslösen. Das ist der Wunsch, der das Gemüt aufwühlt.

Der Spiritualist kommt also wie jeder andere mit Sinneseindrücken aller Art in Berührung; doch sein Denken haftet nicht an den Objekten und Umständen, die Freude bereiten und dadurch wird es auch nicht vom Unangenehmen abgestossen, sondern bleibt in beiden gleichmütig. Er empfindet alles als fluktuierende Wirklichkeit, die einfach an ihm selber vorbeigeht, ähnlich wie das Wetter. Er reagiert nicht mehr auf die Empfindungen, sondern lässt es darin Bewenden.

Brahmacarya ist das Einüben dieses freien Zustandes.

Diese Freiheit von Bindungen, die durch Brahmacarya ausgelöst wird, verleiht dem Spiritualisten unbegrenzten Seelenfrieden und innere Entschlossenheitskraft, im Vergleich dazu die sinnlichen Genüsse unerträglich erscheinen.

 

Wenn jemand in den Bergen abstürzt oder sich sein Auto auf der Autobahn überschlägt – in solchen Momenten fühlt man keine sexuelle Lust. Das innere Leben bringt den Menschen in einen Zustand tiefster Wesentlichkeit, in welchem die mentale Aufwühlung sexueller Gedanken gänzlich absent ist.

So wie in den Momenten existenzieller Bedrohung des Körpers die Lust nach anderen Körpern wollkommen abwesend ist, führt die Gottesbeziehung den Menschen nicht in eine Ablehnung oder Verneinung der Welt, sondern richtet das Bewusstsein einpünktig auf eine lebendige Essenz. Darin versagen die Strukturen bisheriger angewohnter Gedankengänge ganz natürlich.

 

d) Asteya bedeutet nicht zu stehlen. Gedanklich stehlen heisst begehren! Bedenke, du bist nur ein Durchwanderer in dieser Welt. Hier bist Du nie der Besitzer von Dingen, sondern nur der zeitweilige Verwalter. (privare -lat- bedeutet stehlen.)Wir sollten uns also mit den Dingen beschäftigen, die wir haben und nicht mit denen, die wir nicht haben!

Asteya ist gedacht, die Sicht illusionärer Trennung zu überwinden durch die Einübung, dass alles Krishna gehört.

Asteya ist nicht nur im Sinne des Strafgesetzbuches zu verstehen. Es bezieht auch viele indirkete, subtile Formen widerrechtlicher Aneignung, die im Alltagsleben geduldet werden, mit ein. Denn das abgestunpfte Bewissen fühlt sich nicht einmal merklich belastet, wenn man für die Pflicherfüllung eine Belohnung gibt oder empfängt. Ein angehender Spiritualist darf sich nie etwas aneignen, was ihm nicht gehört, nicht nur im Falle von Gütern oder Geld, sondern auch bei immateriellen Dingen wie Anerkennung für etwas, was er nicht getan hat oder Vorrechten, die ihm nicht zustehen. Man will nicht die Verdienste anderer für sich beanspruchen oder Anrecht haben auf Ehre.

 

e) Aparigraha bedeutet Freiheit von Habgier. Genauer gesagt: " Sein Handeln nicht danach auszurichten, Belohnung und Geschenke zu erhalten." Dem traditionellen Yoga-Schüler ist es sogar verboten, Gaben für seinen Dienst anzunehmen. Wir sollten also tun, was zu tun ist, und bleiben von den "Früchten" (auch Dank und Undank, Ehre und Schmach) unberührt. Nur so können wir friedlich leben.

Zudem bedeutet es Nichthaften an Besitz. Die Neigung, weltliche Güter anzusammeln ist, aufgrund der Gleichgültigkeit zum Heiligen, heute so überwältigend geworden, dass sie beinahe als grundlegender Instinkt betrachtet wird. Solange wir in der physischen Welt leben, benötigen wir sicherlich einige Dinge, die zur Aufrechterhaltung des Körpers nötig sind. Doch wir geben uns mit diesen Notwendigkeiten nicht zufrieden und trachten nach mehr. Selbst wenn wir sämtliche Mittel zu unserer Verfügung haben, um uns alle erdenklichen Bequemlichkeiten und Vergnügen für den Rest unseres Lebens zu verschaffen, geben wir uns immer noch nicht zufrieden und fahren fort, Wohlstand und Güter anzuhäufen. Diese überflüssigen Dinge dienen keinem anderen Zwecke als der Befriedigung unserer kindischen Eitelkeit und unseres Wunsches, uns anderen Menschen gegenüber hervorzutun.

Es sind nicht einmal nur soziale und ökonomische Gründe, welche zur Aufhebung dieser Mentalität hinweisen, sondern vorallem auch die spirituelle Blockade, die dadurch erzeugt wird. Man muss Zeit und Kraft zur Anhäufung von Dingen aufwenden, welche eigentlich überflüssig wären. Dann muss man wiederum Zeit und Kraft zur Erhaltung und Bewahrung der angesammelten Objekte aufbringen, wobei Sorgen und Ängste im Verhältnis zum angehäuften Besitz wachsen. Dazu kommt die Verlustangst, das alles wieder zu verlieren, den Kummer, wenn hie und da etwas abhanden kommt, und schliesslich das Bedauern darüber, unseren Besitz zurücklassen zu müssen.

Wenn man all dies zusammenrechnet, erkennt man, welch kolossale Verschwendung an Zeit, Energie und Denkkraft es mit sich bringt. Niemand, der sich ernsthaft wesentlichen Lebensfragen widmet, kann es sich leisten, seine begrenzten Mittel auf diese Weise zu verschleudern. Deshalb ist die aparigraha der wichtigste Anfang dazu. Denn darin löst sich der Drang zum Sinnlosen auf.

 

 

Niyama (disziplinarisch konstruktiv, Gestaltung der Lebensführung, tägliche Übung)

 

a) Saucha bedeutet Reinheit.

Für eine erleuchtete Seele ist alles vom Atom hin bis zu Brahma, dem Weltenherrscher, ein Gefäss der Göttlichkeit und deshalb rein. Und heilig. Von diesem höheren Gesichtspunkt aus kann im absoluten Sinne nichts als unrein angesehen werden. Wenn also Ausdrücke wie unrein und rein verwendet werden, dann ist es im relativen Sinne.

Reinheit ist dann die Befähigung, die Transzendenz transparenter werden zu lassen.

 

1. Körperliche Reinheit. Zweimal täglich zu baden, sich sauber zu kleiden, seine Umgebung sauber zu halten. Auch keine Berauschung zu sich zu nehmen, und nicht unreine Dinge zu essen (in tama- und raja-guna)

 

2. Mentale Reinheit bezieht sich auf das, was wir lesen, denken, reden etc. Denn alles, was wir durch die Sinne in unseren Geist hineinladen, bleibt dort gespeichert und formt unser Wesen. (Diese samskaras, gespeicherte Sinneseindrücke, selbst aus vielen vergangenen Leben, mögen uns auch in ganz andere Lebenswege hineindrücken, als wir es nun möchten)

 

b) Santosha bedeutet Zufriedenheit. Wir sollten mit dem zufrieden sein, was uns zum Leben gegeben ist. Die Vedas mahnen uns: "Was wir bekommen, ohne harte Arbeit und Überbemühung (prayasa) und anderen Leid oder Schaden zuzufügen, ist für uns bestimmt."

Wenn ich mehr nehme, als ich wirklich benötige, nehme ich anderen weg. Horten ist karmisch gesehen Diebstahl.

Das Glück wohnt nicht im Besitze und nicht im Golde. Das Glücksgefühl ist in der Seele zuhause.

Im Yoga wird Zufriedenheit nicht als ein Zustand betrachtet, der Eintritt in der Kongruenz der äusseren Umstände mit den eigenen Vorstellungen, sondern als eine innere Eigenschaft, welche, völlig unabhängig von den äusseren Umständen, geübt werden kann. Unzufriedenheit ist nicht der Sammlung förderlich und wenn sie andauert, wird sie zu Viksepa führen, der starken Neigung des Gemüts, sich nach aussen zu bewegen.

 

c) Tapasya bedeutet Busse und Opfer (wörtlich: Glut, denn es ist die innere Glut, durch die wir uns wieder entzünden an Gottes Liebe), es ist das freiwillige Aufgeben von etwas, das einem eigentlich lieb wäre, für das Erreichen von etwas noch viel Grösserem. Tapasya bedeutet, Raum zu schaffen für etwas Grösseres. Der Platz in mir, der momentan von der Welt eingenommen ist, wieder dem zur Verfügung stellen, der eigentlich dahin gehört: Gott. 

So wie wir unseren grobstofflichen Körper reinigen durch ein Bad, so reinigen wir unseren feinstofflichen Körper durch tapasya.

So gibt es bestimmte Fasttage (Ekadashi), oder wir verzichten auf bestimmte Annehmlichkeiten, um das Geld als Opfer für Heiliges zu verwenden. Wir lernen unsere Bedürfnisse neu einzuordnen. Tapasya ist die konsequente Vereinfachung der Existenz, in der man einen Zustand durchbricht, in dem Bedürfnisse einfach nur aus Gewohnheit bereitgestellt werden müssen und deren Beschaffung einen so einnehmen, dass die Persepktive eingeschränkt wird.

Der normale Mensch identifiziert sein Bewusstsein in hohem Masse mit dem Körper, durch den dieses gerade wirkt. Die Übung von Tapas lockert diese Bindung allmählich und befähigt das Bewusstsein, sich vom Körper zu trennen und diese zunehmende Gewahrwerdung des Körpers als Nichtselbst bewirkt eine Abschwächung von Asmita, dem Ich-Gefühl innerhalb des materiellen Raumes. Durch diese Loslösung erlebt das Lebewesen, nicht das Bewusstsein zu sein und erst wenn diese Kraft erworben wurde, ist es möglich, das Bewusstsein effektiv zu transformieren.

Tapas ist auch Samatvabhava, die Indifferenz zu den Gegensatzpaaren wie Freude und Leid, Hitze und Kälte etc.

 

 

d) Svadhyaya bedeutet das Studium und Reflektion. Es ist zweierlei: das Studium seiner selbst und das Studium der offenbarten Schriften.

 

Was erhebt mich? Was wirft mich wieder zurück? Was tue ich für den Körper (meine bedingte Natur) und was für die ewige Seele (meine eigentliche Natur)?

Wie sollte meinen Umgang mit den Lebewesen, die mich umgeben, sein, und wie kann ich ihn verbessern? Wo liegen meine Anhaftungen? Fühle ich mich wohl in meinem Sadhana (auch für die nächsten 30 Jahre) und wo bedarf es Vertiefung oder Änderung?

 

Svadhyaya ist Studium der Heiligen Schriften. Während dies anfänglich ein theoretisches Auseinadnersetzen ist, und einen auf dem Weg zur Selbstverwirklichung nicht wesentlich weiterbringt, ist es dennoch von grossem Wert. Viele Menschen, die sich auf die innere Suche begeben, haben nur eine sehr wage und verworrene intellektuelle Grundlage und ermangeln der klaren, weitreichenden Erfassung des inneren Weges, der für den Fortschritt so wichtig ist. Das führt dazu, den spirituellen Pfad zu vereinfachen und unmögliche Ergebnisse zu erwarten. Früher oder später werden sie dann entmutigt und enttäuscht und verlassen den Pfad der Wahrheit, und wenden sich oft der Spiritualität gegenüber verbittert wieder dem alten weltlichen Leben, welches man einst voller Hoffnung verlassen hatte.

 

Wenngleich ein gründliches und ausführliches Studium der Yoga-Literatur ein unerlässlicher Bestandteil von Svadhyaya ist, ist es doch nur der erste Schritt. Der nächste besteht in ständigem Sichversenken und Nachdenken über die tieferen Bedeutungen des Erlesenen und über dessen Anwendungen. Und alsdann über den Inhalt.

Diese ständige Versenkung bereitet den Verstand auf die Aufnahme wirklichen Wissens von inner her vor. Die Kontemplation über die grossen grundsätzlichen Wahrheiten des Lebens nimmt dann unmerklich die Form einer Meditation an. Der Verstand versenkt sich immer mehr in den Gegenstand seiner Suche und wird von da her absorbiert.

 

 

 

e) Isvara Pranidhana bedeutet wortwörtlich "jeden Atemzug (das heisst das ganze Leben) Gott zu geben".

Es bedeutet, eine Gott ergeben Seele zu werden. Das heisst, sein Sein auf ihn ausrichten. Ihn wieder zum Zentrum des Lebens werden lassen.

(Es ist wichtig zu beachten, dass hier nicht davon gesprochen wird, die Energie oder die Ausstrahlung Gottes, das Brahman, zu verehren. Es wird klar und deutlich auf "isvara", die Person Gottes hingewiesen.)

Klesha karma vipakasayair aparmristah purusa visesa isvarah

„Isvara ist eine individuelle göttliche Individualität, vollkommen unberührt von Betrübnis (psychologischen Aufwühlungen, Leiden), karma und allen Reaktionen.“(Yoga sutra 1.24)

 

Später heisst es im Yogasutra (2.45), dass die Perfektion in der Meditation erlangt wird durch Hingabe zum Isvara.

Sich dem Willen Gottes anheimzugeben. Mit dieser mentalen Aussage meint der Mensch tatsächlich, dass Gottes Wille das Höchste ist in der Welt, welche in seiner Fügung ist. Freudig unterwirft er sich diesem Willen, selbst wenn die Erfahrung anfänglich keine angenehme sein sollte.

Es soll aber einen noch viel tieferen Wandlungsprozess in einem bewirken als die blosse Hinnahme-Fähigkeit aller möglichen Erfahrungen, die einem im Leben zustossen mögen.

Es wird einen Bezug zur transzendenten Realität Gottes gelegt und der übende Spiritualist erkennt, dass es nicht nur darum geht, Gott auf diese Welt mit meinen Bedürfnissen zu beziehen, sondern sich selbst in die Welt Gottes. Zudem erwacht der aktive Wunsch, zu einem bewussten Instrument des Höchsten Willens zu werden. (BG 11.33)