Dringlichkeit

Welchen Platz und welche Priorität hat die Frage „Was ist das, was ich wirklich will?“ in seinem Leben?

Wie stark brennt das Feuer?

Man braucht immer wieder eine Erneuerung, die eigene Entscheidung, eine radikalere Annäherung zu leben, um die Prioritäten wieder zu Recht zu rücken. Weil uns die unwesentlichen Wege gelehrt wurden, gehen wir sie auch und verlieren uns in ihnen.

Keine Zeit zu haben für den inneren Weg, für die spirituelle Praxis… ist im Grunde genommen eine ziemlich haarsträubende Aussage von Menschen, die sich im Unwesentlichen verloren haben.

Wie kann man für die alles-umfassende Wahrheit weniger geben als Alles?

 

Es gibt für jeden Pilger die Auseinandersetzung mit der scheinbaren Unvereinbarkeit der äusseren Gesellschaft und des Funktionierens in ihr, der Aufgaben und Pflichten der äusseren Welt und dem Ruf der Seele.

Man kann diese Auseinandersetzung leben, indem man sich reibt mit seiner Arbeit, mit den Menschen, die einen umgeben und mit dem Geldverdienen, mit der Familie und den Kindern und der Umgebung - und so verliert man in diesem unnötigen Kampf endlos Lebensenergie.

Diese Auseinandersetzung ist eigentlich das Ringen um die absolute Priorität des inneren Weges mit den vermeintlichen Notwendigkeiten und Sachzwängen der äusseren Welt.

Wenn die Priorität effektiv zu Recht gerückt wird, zerfällt diese Reibung mit der Welt. Es waren nur Zwänge in seinem Geist, in seiner kleinen Welt, in seiner Begrenzung der Sicht der Dinge.

Aber es besteht keinerlei Notwendigkeit für keinen Menschen auf der Erde – egal in welcher sozialen Lage er sich befindet, gleichgültig welcher Tätigkeit er nachgeht – die eigentliche wesentliche Angelegenheit des Lebens hinten anzustellen. Weil er keine Zeit hat für Meditation, für Innenkehr, für Selbsterforschung und der Wahrheit zu begegnen – gerade deshalb ist er immer zu beschäftigt und unter Druck. Man kann das innere Vakuum nicht mit Substituten der Aussenwelt aufwiegen und dann noch glauben, in Frieden zu leben.

Die Ausreden, dem effektiv Wichtigen nicht den zentralen Raum in uns zu schenken, sind unendlich – aber sie zeigen ja nur auf, dass in uns die Prioritätenverschiebung geschehen ist: dass wir bereit waren, dem Dringenden, dem, was von aussen gerade auf uns zukommt, den Vorrang zu geben und die Sehnsucht der Seele zu vernachlässigen. Das Funktionieren in der Welt ist nie wesentlicher Lebensinhalt.

 

Die gefühlte innere Dringlichkeit auch im Leben umzusetzen ist eine Frage der Konsequenz, der Würde zur Seele, der Sehnsucht für das Wesentliche.

Durch Unwissenheit und Vergessenheit, Vernachlässigung – Ausblendung - ist diese natürliche Ordnung der Dinge durcheinander geraten. Es braucht nun ein wenig bewusste Anstrengung, diese Prioritäten wieder zu ordnen, die Umkehrung aller Werte wieder zu leben, die Verdrehung wieder zu korrigieren.

Und dabei bedarf es auch der Achtsamkeit, damit die Disziplin, die Ausdauer und die Treue, die auf diesem Pfad der Prioritätenzurechtrückung notwendig sind, nicht in Rigidität, falsches Pflichtbewusstsein und Monotonie übersetzt werden. Es ist ein lebendiger Weg, auf dem man sich immer wieder überprüft und selbst Dinge, die einmal  förderlich waren, können zu Hindernissen werden.