Lange Suche nach Dir
Lieber Krishna
Seit vielen Leben bin ich auf der Suche nach Dir. Die Menschen sagten mir einst, es gäbe einen Gott, und wenn ich mich auf die Suche nach Ihm begebe, würde ich Ihn auch finden. Ich ahnte schon da, dass meine Ursehnsucht nach Erfülltheit, eigentlich diese Suche nach Dir war, denn zu lange versuchte ich vergeblich, Dich mit den Dingen aus der Welt zu ersetzen.
Als Kind suchte ich Dich im Himmel. Ich dachte, Du würdest eines Tages aus den Wolken herab zu mir kommen, aber ich konnte Dich nirgendwo finden.
Als ich älter wurde suchte ich Dich in Sonntags-Schulen und in der Bibelklasse, und der Lehrer erklärte mir, dass ich ein guter Knabe sein solle-so würde mich Gott segnen und ich würde ihn sehen.
Ich kleidete mich ordentlich und versuchte den Erwartungen meines Lehrers zu entsprechen, musste aber bald feststellen, dass weder er noch ich Gott begegnet sind.
Später sagte man mir: "Wenn Du wirklich Gott finden möchtest, musst Du im Kirchenchor beitreten, Dich taufen lassen und wöchentlich beichten." Wie glücklich war ich, eine tiefere Unterweisung zu
erhalten. Nachdem ich all dies tat, bemerkte ich, wie diejenigen, die mich darin ermutigten aber nicht den Anschein machten, Gott erfahren zu haben.
Mit dem älterwerden differenzierten sich meine Anschauungen. Ein Freund riet mir, die Kirche zu wechseln, ein anderer lud mich in die Moschee, und ein Verwandter sagte mir: "Nein, Gott ist bei den Ba`hai." Jedoch traf ich weder Dich, noch Personen, die Dich fanden.
Die Intensität der Suche nach Dir, O Khaniya, reduzierte sich. Ich war geprägt von Enttäuschungen, denn ich traf so viele Personen, die mit Eifer von Dir sprachen, aber ihre Worte konnten mein Herz nicht berühren. Ich wurde bei ihnen das Gefühl nie los, dass sie in meiner Bekehrung zu ihrer Gruppe nur eine persönliche Bestätigung für sich selber suchten. Denn je mehr es tun würden, desto wahrer erschien es ihnen. Ich begann, Deine Vertreter zu meiden, denn ich sah mit Unbehagen, was sie praktizierten. Ich wollte mich zuerst einmal selber in der Welt etablieren, mich selbst entfalten. Bald aber bemerkte ich, als ich mich ehrlich beobachtete, dass dies eigentlich auch nur eine Ausrede war, mich Dir nicht wirklich stellen zu wollen, der intensiven Begegnung mit Dir auszuweichen. Ich wurde eingenommen von den unzähligen Dingen, die ich immer noch zuerst tun wollte, sodass die ursprüngliche Suche nach Essenz in mir verblassen ist, fast in Vergessenheit getreten. Diese Ersatzbeschäftigung erfüllte aber nicht mein inneres Vakuum.
Meine Mitstudenten erkannten meine Unerfülltheit und meine Seelenleere, und klärten mich auf: "Dein Problem ist, dass Du ein grundlegend falsches Konzept hast. Nur Kinder und kindliche Erwachsene
würden Gott in einer personifizierten Form suchen. Er ist Geist, die Totalität aller Energie, und dies kannst Du erfahren durch die mystischen Schulen.
Ich wunderte mich, ob meine Gottsuche, meine Beziehungs-sehnsucht wirklich als ein Symptom einer psychologischen Störung gesehen werden könnte? Wieso sollte der Ursprung von allem nicht auch
alles beinhalten – also auch persönliche Beziehungen?
Ein fortgeschrittener Freund offenbarte mir eines Tages: "Weisst Du, weshalb du Gott noch nicht getroffen hast? Da du Ihn bist!"
Er erklärte mir, dass ich Gott sei, aber dies war noch nicht alles. Er sei es nämlich auch und alle anderen ebenfalls. Aber wie konnte ich, als Gott, vergessen haben, wer ich bin, in Unkenntnis
über meine eigene Identität sein? Weder ich noch er waren Gott, noch haben wir ihn gefunden.
Später traf ich eine Person, die mich informierte, dass die Vereinigung der männlichen und weiblichen Energien durch sexuellen Austausch der schnellste Weg zur Gottesverwirklichung sei.
Von allen Heucheleien war dies die grösste, denn die Person hatte weder eine Kenntnis Gottes, noch den ehrlichen Wunsch nach Ihm. Dies war nur Ablenkung.
Ein Freund, der nur mein Bestes wollte, führte mich ein in das Mysterium des Gottesbewusstseins, das offenbart wird durch eine Drogenerfahrung. Dadurch könne man Gott sehen in seinem vollen Glanz. Es war aber nur Selbstentfremdung, Flucht vor dem Wahren.
Wo warst denn Du? Ich suchte doch Dich, den Unbekannten, der mir irgendwo in meinem Innern so vertraut war.
Mein hoffnungsloses Schreien nach Dir hast Du erhört und hast mich einen bhakta begegnen lassen. Heute weiss ich, wie selten dies ist.
"Ich kenne meinen Herrn auch nicht", sagte er zu mir. "Aber mein spiritueller Lehrer bat mich, den heiligen Sadhus ständig zu dienen, denn dadurch würde ihr ruci, ihre Liebe zu Krishna auch auf
mich wieder übertragen. Er riet mir Krishnas Worte aus den Shastras im Herzen zu umarmen, sie innigst aufzunehmen und kontemplativ zu überdenken. Und in ergriffener Sehnsucht nach Ihm schweigend
zu schreien. (Nam japa)"
Er gestand mir, dass er sich eigentlich gar nicht für qualifiziert hielt für saksat-darshan, dass er aber dieses Leben einfach dem Dienst der Sadhus geweiht hat.
Er berührte meine schlummernde Liebe und seine Aufrichtigkeit brachte Tränen in meine Augen. Ich umarmte ihn und bemekte, dass auch er weinte. Er spürte meine Verzweiflung, Gott endlich wieder nahe sein zu wollen und ich fühlte sein tiefes Mitleid, seine Teilnahme an mir.
Heute traf ich wieder ein Geweihter von Dir. Dies ist Dein grösstes Geschenk. Nun, da ich wieder weiss, wer Du bist, endet aber meine Suche nicht, sie wird nur gezielter. Über Dich zu hören
sättigt nicht mein Durst, sondern erweckt und intensiviert nur meine Sehnsucht nach Dir.
Lieber Krishna, Du bist Gott - ich wusste schon immer, dass es Dich gibt. So viele Leben habe ich schon von Dir gehört - als Kind von der Mutter und in der katholischen Kirche. Aber Du bist mir
eine vage Figur geblieben. Jetzt weiss ich, dass ich mehr Bemühung tun will, Dich wirklich kennenzulernen, und dass ich nicht weiter in der "Bequemheit" Deines Nichtkennens verharren
möchte.
Wieso ist die weitaus wichtigste Person aller Existenz nicht auch das Zentrum meines Lebens?
Ich will wieder werden, was ich doch immer bin - Dein ewiger Diener,
möchte Dich wieder suchen, der bereits mein ist,
und wieder auf Dich hören, der nimmer aufgehört hat, zu mir zu sprechen.
Ich möchte wirklich wieder Dir gehören, der mich bereits sein eigen nennt.
O Krishna, Du bist bei mir - wieso ich nicht auch bei Dir?