Pratistha - Gottes-Imitation

 

 

Selbst nachdem eine Seele die Verhaftung an Familie, Sinnesbefriedigungen, Besitz, Heim und Welt-Dinge aufgegeben hat, bleibt noch immer diese tiefste weltliche Tendenz, seinen Ruf, Ansehen Berühmtheit und seine hohe Position zu geniessen, beharrlich in der Psyche bestehen. Diese Haltung ist der eigentliche Ersatz zur Seelen-Identität. 

Für viele Menschen ist der Antrieb, sich für den eigenen Ruhm einzusetzen, sogar zum Lebensinhalt geworden. Im Zeitalter von social-media kann diese erbärmliche Neigung der Selbstaufwertung durch Zuruf und Fans bis zum Exzess gelebt werden. Die Bemühung um Nachfolger («followers») ist direkt die nackte Sehnsucht nach Pratishta (Ruhmsucht, um sich als wertvoll zu erleben). 

Dieses Sanskrit-Wort ist sehr interessant zu betrachten:

prati – bedeutet «Gegenteil»

und stha – bedeutet «Stabilität und Verankerung»; 

Diese Geltungssucht, die man sich durch Zuwendung Anderer ersucht, ist also die Verankerung in dem, was genau entgegengesetzt zur ursprünglichen Sehnsucht der Seele steht.

Diese Haltung ist genau diametral entgegengesetzt zur natürlichen Stimmung des Gott-Dienens, was das einzige Anrecht der Seele darstellt.

Warum möchte der Vaishnava einfach nur dienen? Weil er sich nach Bhakti, der natürlichen Liebe der ewigen Welt, sehnt und diese offenbart sich nur in der Stimmung von Demut. Sie ist die Absenz von allen Zuschreibungen von Selbstbedeutsamkeit, da in ihr die Wesensnatur der Seele erfahrbar wird. Die Grundlage für eine wirkliche Erfahrung der Vertiefung in das Heilige ist die Aufgabe der Verbissenheit, sich selber Bedeutsamkeit und Wert künstlich von der äusseren Welt her anzuhängen. 

Die Bemühung um die Aufmerksamkeit und den Applaus von Anderen lässt einen in eine gottesähnliche Position gleiten, was die Grundlage von Imitation, also falscher Identität darstellt. Aus Pratishta erwachsen alle unerwünschten Eigenschaften. 

Dies wird auch «feinstoffliche Sexualität» genannt, denn die Essenz von sexueller Agitation ist tatsächlich die Haltung, irgendwelche Geschöpfe in Gottes Schöpfung auf das eigene Ich hin zu beziehen. Pratistha ist also die Umkehrung der natürlichen Welt-Ordnung, in welcher alles natürlicherweise auf Krishna hinbezogen ist. Diese Verdrehung der natürlichen Ordnung ist die Grund-Ursache für die Unruhe im Geist.

 

Es ist nicht einfach, diese uralte Tendenz abzulegen, da man sich ohne diese künstlichen Bedeutungs-Zuschreibungen gänzlich nackt empfindet. Es beginnt mit einem Erkennen dieser Last, die man seit unzähligen Leben um sich herumträgt. Dann beginnt ein Flehen um diese Blösse als reine Seele. Dies bedarf viel spiritueller Gemeinschaft und grosser Bemühung. 

Man kann auch auf diesem Weg wieder einschlafen und sich Bedeutung zusprechen durch spirituelle Positionen in Gruppen und Bewunderung, die man nun von anderen erhält. 

Pratistha hat eine seltsame Ironie. Ein Bhakta bemüht sich ohne jegliches Selbstinteresse auf dem Pfad der Gottes-Ergebung mit reinem Herzen und das Resultat davon wird Ehre und Ansehen sein. Warum?

Weil reine Bhakti die Eigenschaften von Radha-Krishna, der All-Anziehenden, im Herzen des Bhakta reflektieren lässt. Diese reine Bhakti wirkt auf alle Menschen anziehend und so erhält der Bhakta auch Ruhm. 

 

 

Im Madhurya-kadambini wird dieses Paradoxon thematisiert, indem Vishvanath Chakravarti das Thema von bhakti-uthottha-Anartha (Unreinheiten und Seelen-Lasten, welche aus der Praxis der Bhakti entspringen), anspricht. Damit ist hauptsächlich pratistha gemeint. 

Demut und Absenz von jeglicher Überhebung sind tatsächlich natürliche Eigenschaften der Seele. Deshalb wird eine aufrichtige Seele auf dem Ergebungs-Weg auch der Versuchung von pratishta keinerlei Aufmerksamkeit schenken. Die kreatürliche Demut eines echten Bhaktas widerspiegelt sich in seinem Verhalten und eine natürliche Folge seiner Gottesliebe. Pratishta wird auch diese zu imitieren versuchen. 

„Liebe zu Krishna hat eine einzigartige Eigenschaft und Wirkkraft: 

Sie erfüllt Höhergestellte, Ebenbürtige und Untergebene mit dem ununterbrochenen Geist des Dienens (dasya-bhava). 

(Caitanya Caritamrita 1.5.53)