Spannungsfeld von Zufriedenheit und Sehnsucht
Ein Spannungsfeld, das in den inneren Weg integriert werden darf, ist die Dichotomie zwischen Zufriedenheit und Sehnsucht.
Zufriedenheit ist da, wenn Erfüllung nicht mehr an Lebensumstände gebunden wird, was ein Gewohnheits-Akt war, dem wir lange Zeit aufgesessen sind.
Das ist nicht eine satte Zufriedenheit, die unbeweglich macht und die ständig in Befürchtung vor dem Neuen ist.
Das griechische Wort für Frieden «eirene», kommt aus der Musik und meint die Harmonie der unterschiedlichsten Töne. Also ein Zusammenklingen inmitten grosser Unterschiedlichkeit. Zufriedenes Leben ist nicht Eintönigkeit, Einschmelzung oder Vereinheitlichung der Vielheit, sondern Hinbezug all unserer Unterschiedlichkeit auf den Einen, welcher alles zu harmonisieren vermag. Auf diesem Ergebungsweg zu Ihm wohnt bereits die Ahnung von Ihm inne, was der Seele sofort diesen tiefen Frieden schenkt.
Der andere Pol ist die Sehnsucht. Sie verweist uns immer über alle Begrenzungen hinaus und verleiht uns die eigentliche Würde. Die Weltübersteigung macht uns lebendig. Sehnsucht ist nicht die Abwendung von der Banalität des äusseren Lebens, um in grandiose Träume eigener Grösse zu flüchten. Vielmehr befähigt diese Sehnsucht nach dem Letztlichen, welche immer nur von Radha-Krishna selber gestillt werden kann, Ja zu sagen zur Durchschnittlichkeit des äusseren Lebens.
Viele weichen von schmerzlichen Erfahrungen lieber aus. Auf dieser Fluchtbewegung existiert aber keinerlei Ruhe.
In der heiligen Sehnsucht wird man ausgesöhnt, dass der Beruf und die Beziehungen zu Menschen die Sehnsucht des Innersten nie ganz zu erfüllen mögen und auch gar nicht brauchen.
Dann wird man einverstanden mit seiner eigenen Begrenztheit und seinen Fehlern. Die Sehnsucht geht über das alles hinaus und relativiert die Verkrampfung in die zeitweilige Welt. Sie befreit einen vom verbissenen Streben danach, Lebenserfüllung in Beruf, Erfolg oder Anerkennung von der Welt her zu erhalten.
Diese Sehnsucht lässt uns weit werden. Sie lässt Raum für die Unvollkommenheit von sich selbst und der Mitmenschen und braucht nicht mehr zu verurteilen. In der Bhagavad Gita (9.13) und für den heiligen Benedikt ist das weite Herz das Wesensmerkmal für den geistlichen Menschen.
Die momentan gegebene Lebensrealität anzunehmen bedeutet aber keine Resignation. Die heilige Sehnsucht weitet vielmehr mitten in der Banalität des Alltags das eigene Gemüt auf das hin, was den Alltag übersteigt. In dieser Umarmung wird das Gewöhnliche aussergewöhnlich.
Sehnsucht und Zufriedenheit sind zwei Pole, die zusammengehören. Sie kommen nicht nacheinander, sondern sie haben zeitgleich ihren Platz im spirituellen Leben.
Weil die Sehnsucht sich in Radha-Krishna verorten darf, gibt es augenblicklich Zufriedenheit auch in der Begrenztheit drin. In der Sehnsucht hat man bereits Anteil an der Wirklichkeit des ewigen Vrindavan. Sie ist die Spur dahin.