Verzicht

Lieber Krishna

Verzicht auf etwas befreit vom Leiden daran, nämlich vom äusseren und inneren Verhaftetsein.
Wenn meine Praxis des Verzichts und der Genügsamkeit in der Sehnsucht nach dem Wesentlichen, nach Dir, wieder entfacht wird, wird eine ganz neue lebensfördernde Kraft freigesetzt:
Die Preisgabe des Überflüssigen ermöglicht mir nun eine Orientierung auf das Notwendige.
Genügsamkeit und konsequente Vereinfachung meiner Existenz durchbrechen meinen Zustand, in dem Bedürfnisse einfach nur aus Gewohnheit bereitgestellt werden müssen und deren Beschaffung mich so einnehmen, sodass sich in mir den Urgrund meiner Unzufriedenheit vernebelt: das Vergessen von Dir.
Lange Zeit dachte ich, meine Unzufriedenheit und Unerfülltheit resultiere aus dem "Zuwenig" in der Welt und meiner Unfähigkeit des Arrangierens äusserer Umstände. Nun sehe ich, dass das Zuviel bereits meine Sicht zu Dir, verdeckt hat.

Verzicht bedeutet nun in meinem Leben eine radikale Kehrtwendung - weg von meiner narzistischen und individualistischen Erfahrungswelt - hin zu einem offenen Blick zu Dir in Deiner gesamten Fülle.

In der Liebesbeziehung zu Dir verliert der Verzicht seine bisherige Bedeutung.
Ich als Mensch bin ein Wesen, das sich nicht selber genügt, das nicht "fertig" ist, und sich selber auch nicht zu einem vollendeten Ideal ausgestalten kann. Ich bedarf immer mehr, als ich mir selber zu geben im Stande bin. Von Kindesbeinen an habe ich gelernt, mit der Jagd nach den von mir beherrschten und durschauten Dingen die Sehnsucht nach einem unbegrenzten und wesentlichen Geniessen der reinen Seele (ohne all ihre Bedeckungen) in mir zu ersticken.
Als besitzender Mensch bin ich zu einem Menschen geworden, der besetzt ist.
Lebensstandard, Eigentumsbeschaffung, Komfort und weltliche Beziehungen sind zur "Haut" meines Glückes geworden, in die ich mich zu schmiegen gewohnt bin.
Deshalb ist die Entdeckung für mich schockierend, zu bemerken, dass ich noch nie so glücklich war als in den Momenten, wo mir all dies entfällt und ich "enthäutet" ganz unmittelbar wieder Fühlung bekomme mit der Wirklichkeit meiner Seele und ihrem Sehnen nach Dir.
Es ist eine so zarte und liebliche Wirklichkeit, die mich so berührt und empfänglich macht für Deine Gegenwart und Nähe.
Ich will nun gehen lassen, was mich besetzt (wo ich frecherweise Besitzanspruch habe für Güter, die ja eigentlich Dein sind), um frei zu werden von dem Bann der Sorge um Güter und zwischengeschlechtlichen Arrangierungen, die die Tiefendimension meines Lebens blockieren.

Ich bin nun einmal nicht mehr so entsagt, dass ich weiterhin getrennt vom Geliebtesten meiner Seele, Sri Sri Radha Govinda, leben kann.

Wesentlicher Verzicht ist nicht das Loslassen meiner erdachten Beziehung zu den Dingen in der Welt, sondern das mich weiterhin Fernhalten von dem ewigen Festival der Freude, meinem eigentlichen Geburtsrecht, meinem Fernbleiben von der eigentlichen Seelenheimat - von Dir.
Ich habe mich freiwillig Deiner Gemeinschaft entbehrt und die daraus entstandene Leere mit Dingen im Vergänglichen aufzuwiegen versucht.
Es tut mir leid.
Wenn ich denke, dass irgendein Beschwernis oder Leid, das ich in samsara (dem Kreislauf der Geburten und Tode) durchlebte, eine andere Ursache hat, als meine Trennung zu Dir, so ist das die perfekte Definition von maya (dem, was eben nicht ist).

Lieber Syamasundara, ich leide an der Trennung zu Dir - mir fehlt die Erfülltheit, die ich im persönlichen Umgang mit Dir ganz wirklich erfahre - und alleine meine Bewusstwerdung dessen entaktiviert das verkrampfte Suchen nach Ersatz in dieser Welt.


Wie könntest Du, der Allgegenwärtige, Dich vor mir verstecken, würde ich nicht ständig freiwillig meine Augen verschliessen vor Dir?