Wunschlosigkeit

Pläne, Ziele Lebensträume - von Kindheit an lernen wir, unsere als "Ziele" getarnten Wünsche als unumstösslich wichtig anzusehen und uns für ihre Erfüllung einzusetzen.
Gnadenlos treiben sie uns von einer Lebensstation zur nächsten, auf einen Wunsch folgt der nächste. duspurena analena (BG 3.39) Unersättlich und ewig unbefriedigend, leermachend. Sie sind lediglich eine Störung im Geist und die Bemühung sie zu erfüllen verstärkt nur meine Anhaftung. Aus Verblendung halte ich nun die Aufwühlung im Geist für Glück.

"Jenes Glück, das aus dem Kontakt der Sinne mit ihren Objekten entsteht und das am Anfang wie Nektar erscheint, doch am Ende wie Gift ist, gilt als Glück in der Erscheinungsweise der Leidenschaft." (BG 18.38)
Der Drang nach Befriedigung im Zeitweiligen bringt immer Leid. Er hat aber die einzigartige Eigenschaft, dass man denkt, er offerierte einem sofortiges Glück. Sobald der Langzeiteffekt kommt, verdampft das erhoffte Glück. Und wie das noch nicht schlimm genug wäre, Leid folgt. Maya wirkt so stark, dass man die Handlung gar nie mit ihren bitteren Früchten in Verbindung bringt und so einfach weiterleidet.

Nur durch Illusion kann man fortfahren, sich für das zu bemühen, was einem mit Sicherheit Leid gibt. Man wird nur Freude aus einer Handlungsweise ziehen können, die einem genau das Gegenteil des Erhofften gibt, wenn man einen Vorhang des Vergessens bekommt. Deshalb verbinden einen solche Wünsche mit der materiellen Energie.

Es ist erstaunlich, wie lange man mit sich selbst ringen muss, um die einfache Erkenntnis zuzugeben und zuzulassen: dass im Aufgeben meiner weltlichen Begierden immer mehr Freude liegt als in ihrer Erfüllung.

Nur selten - wenn überhaupt - nehmen wir uns die Zeit, innezuhalten, unser unstillbares Wünschen zu hinterfragen und die leidverursachende Unbeständigkeit unserer Ziele wahrzunehmen.
"Ruhelos, O Herr, ist unser Herz bis wir ruhen in Dir." (Augustinus, der in seiner Jugend ein sehr ausschweifendes Leben führte).

In Meditation nimmt man die Substanzlosigkeit und Unbeständigkeit aller Existenz wahr - und spürt fein und klar die Unsicherheit, die sich daraus ergibt. Wir kannten bisher die Begeisterung über das Schöne und Angenehme in dieser Welt. Aber selbst wenn das Angenehme andauern könnte, wären wir nicht in der Lage, es für immer und ewig auszuhalten (es würde zu einer Marter - wer kann sich den gleichen Kinofilm immer und immer wieder ansehen ohne eine Pause zu wollen? Wer könnte einem süssen Klang zuhören, der nie zu Ende geht?
Doch wenn wir die Erholung von einer Erfahrung suchen, tun wir dies - ironischerweise - indem wir eine andere weltliche Erfahrung suchen, was nur ein erneuter Druck in uns schafft. Wir suchen aber eine Erholung von diesem sich wiederholenden Spiel von Bemühung für Erfahrung, ständigen Überdruss, und Sättigung.
Nachdem der Geist sowohl die begeisterte Freude in Sinnesobjekten, als auch die völlige Leere erlebt hat, beginnt er sich, nachdem er lange Zeit nur Pendler dazwischen war, nach der Haltung des Gleichmuts und der Ausgeglichenheit zu sehnen. Man will aushängen immer nur auf Situationen reagieren zu müssen.
In diesem Zustand gibt es kein "Vorlehnen" in die Vorfreude auf eine bessere Zukunft, Hoffen und Erwarten, kein Greifen nach etwas, kein Festhalten, nicht einmal kleinste Impulse hin zu etwas anderem.

mad bhaktim labhate param (BG 18.54)
in diesem Zustand erlangt er reinen hingebungsvollen Dienst (para bhakti).

Da trete ich ein in einen Zustand, in dem ich ein isolierter Wahrnehmender bin von Objekten "da draussen", die ständig entstehen und vergehen.
Solange es im bedingten Zustand ein Subjekt (ein "Ich") gibt, das etwas kennt oder weiss, und ein Objekt, das gekannt wird, entsteht eine illusionäre Verbindung zwischen den beiden, eine Verknüpfung. Die Anhaftung an das Veränderbare ist aber Quelle von Leid (BG 5.22). Denn das geglaubte "Ich" ist nur eine Überstülpung von Konzepten, eine Anhäufung von alten Identifikationen und die Objekte sind nur vorbeiziehende, sich ständig ändernde Wellen der materiellen Energie, das heisst uns völlig wesensfremd.

Erst wenn ich als ewige Seele mich ausrichte auf nama, rupa, guna und lila, berühre ich wieder Wirklichkeit - und komme so zu mir selbst. Genauso wie die Nase nur auf Gerüche reagiert und absolut indifferent bleibt bei Farben, Geräuschen oder Formen, so ist auch die Seele unberührt, solange sie nicht mit dem in Berührung ist, das zu ihr gehört. Mit
Radha -Krishna.

Dies ist auch nicht eine "Erfahrung" oder ein "Erlebnis" in dem Sinne, wie wir das bisher kannten. Die Erfülltheit, die wir in dieser Beziehung zu Krishna erfahren, ist gänzlich anders und losgelöst von der uns vertrauten Art des Glücks, das wir bisher durch die Sinne zu finden trachteten.

"Der Geist wird durch das Eintreten in die Beziehung zu Krishna vollständig von allen materiellen mentalen Tätigkeiten gelöst. Dadurch erlangt man die Fähigkeit, durch den reinen Geist das Selbst zu sehen. Man erlebt einen unendlich freudvollen Zustand, grenzenloses Glück, das durch transzendentale Sinne wahrgenommen wird. So verankert, weicht man niemals von der Wahrheit ab, und man ist überzeugt, dass es keinen grösseren Gewinn gibt. In einer solchen Stellung gerät amn niemals, nicht einmal inmitten der grössten Schwierigkeiten, ins Wanken.
Dies ist in der Tat wirkliche Freiheit von allen Leiden, die aus der Berührung mit der Materie entstehen." (BG 6.20-23)

Aufgrund der bedingten Reflexe unserer materialistischen Kultur mag es uns schwer fallen, uns eine Art von Glück vorzustellen, die frei von jeglicher Erfahrung oder Sinnesempfindung (Agitation) entsteht.