Von der 



Tierhaltung 





zum Holocaust







 Ein vegetarisches Manifest von 



  Krishna candra





  

Unsere Beziehung zum 



Tier

 

Der Mensch hat sich eingeredet, die Krönung der Schöpfung zu sein. Anstatt nun voller Mitgefühl und Segen diese Verantwortung anzunehmen, sind wir schlimmste Übeltäter geworden und leben eine Weltanschauung, die einen glauben lässt, dass alle anderen Kreaturen nur dazu geschaffen seien, dem Menschen Nahrung und Pelze zu liefern, um gequält und ausgerottet zu werden. Man spricht den Tieren willkürlich ihren eigenen Existenzzweck ab.  

 

In der Bibel (2, 4-25) heisst es, wir sollen uns die Erde untertan machen. Dies bedeutet nicht, wie es in der Moderne verstanden und überhaupt erst möglich geworden ist, sie auszubeuten, sondern sie zu bebauen und zu pflegen. „Herrschen über die Tiere“ heisst als Ebenbild Gottes für die Tiere Verantwortung tragen, „ihnen Namen geben“ heisst, sich mit ihrem Wesen vertraut zu machen, sie als Teile der Gemeinschaft zu betrachten, ihnen das Recht auf Leben zuzugestehen. 

 

Wenn wir über die Beziehung des Menschen zu seinen Mitgeschöpfen, den Tieren, nachdenken, nimmt man erschreckend wahr, wie sehr unsere Gesellschaft auf institutionalisierte Gewalt gegen Tiere gegründet ist.

 

Wir befinden uns mit den anderen Geschöpfen dieser Erde im Krieg, seit der erste menschliche Jäger mit seinem Speer in den Urwald vorgedrungen ist. Überall hat der menschliche Imperialismus die Tiervölker versklavt, unterdrückt, ermordet und verstümmelt. Überall um uns herum liegen die Sklaven- und Vernichtungslager, die wir für unsere Mitgeschöpfe errichtet haben: Zuchtfabriken und Schlachthäuser – Dachaus und Buchenwalds für die besiegten Arten.

 

Wir schlachten Tiere, um sie zu essen, zwingen sie, zu unserem Vergnügen alberne Tricks auszuführen, erschiessen sie im Namen des Sports und rammen ihnen Haken ins Fleisch. Ihre ursprüngliche Heimat haben wir anektiert. 

 

Die folgenden Gedanken wollen anregen, unsere angewöhnte Haltung der Ausbeutung, die zur gängigen Denkart der Menschen in der Moderne geworden ist, zu hinterfragen und zu korrigieren. Das Angewöhnte ist bequem. Die Frage des Gewissens aber lautet: Ist es gerecht?

Alles, was das Tier kann, darf es auch. Der Mensch kann viele Dinge, die er nicht darf. 

 

Gegen die Tierquälerei zu sein ist einfach. So einfach, wie es ist, gegen Kriege, Terror und Armut zu sein: Es verpflichtet zu nichts. Konsequente Tierliebe, eine Liebe zur Mitgeschöpflichkeit, nämlich ein Tier nicht nur zu lieben, sondern tatsächlich auch nicht zu verspeisen, benötigt ein Engagement, eine Bemühung, denn damit ist man täglich konfrontiert - beim Essen.

 

Lebendige Tiere, Tiere, die muhen und quieken und gackern und blöken, Tiere, die riechen und essen und sich bewegen und uns ansehen, Tiere, die gestreichelt werden können, sollen Mitgefühl erwecken und das Gewissen ansprechen: "Haben wir ein Recht, sie zu essen?"

 

Unser Anliegen reicht über diesen Teilbereich der Tier-Konsumation hinaus: Wir halten es für unverantwortbar, dieses tiefste Gewissen weiterhin zu übergehen und unser tägliches Handeln von ihm abzuschneiden und auszuschliessen.

 

Man mag der Ansicht sein, dass uns vielleicht dringendere Probleme bedrängen als die Frage des Tierschutzes. Aber geht es im Leben nur um abstrakte Prioritäten? Oder vielleicht im Gegenteil gerade darum, an denjenigen Orten zu helfen und einzugreifen, an denen wir Unrecht und Leiden konkret begegnen? Und gerade mit der Ungerechtigkeit in Bezug auf Tiere werden wir jeden Tag konfrontiert. 

 

Die verharmloste Handlung des Fleischessens steht unseren fundamentalsten Werten entgegen: dem Recht auf Leben, dem Ansinnen, jegliches Leben zu schützen und zu bewahren, dem Vermeiden unnötiger Gewalt, dem Nicht-Töten auch dann, wenn Töten einen Vorteil erbringen würde. Die Untreue gegenüber unseren Überzeugungen und Anschauungen, die ja nichts anderes darstellen als Grundlagen menschliche Kultur, resultiert in einer Gleichgültigkeit, die vielleicht noch tragischere Folgen auf unserer Welt hat als die Tötung dieser Tiere selber.

 

Als aktiver Teil der Zivilgesellschaft möchten wir einen Anstoss geben, was wir mit der Zusammenstellung unseres täglichen Speiseplans eigentlich bewirken. Das Bewusstwerden einer Ungerechtigkeit ist ein erster Schritt zu deren Überwindung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Domestizierung von 


Tieren

 

 

Die Ausbeutung von Ziegen, Schafen, Schweinen, Rindern und anderen Tieren zwecks Gewinnung von Fleisch, Milch, Fell und Leder – euphemistisch „Domestizierung“ genannt – begann vor ungefähr 11'000 Jahren im Zweistromland. 

 

Der Übergang der nomadisierenden Völker zu Ackerbau und Viehzucht vollzog sich langsam. Jäger, die wilde Schafe erlegten, konzentrierten sich auf eine bestimmte Herde; diese wurde dann „ihre“ Herde, der sie folgten und für sich beanspruchten. Da sich Jungtiere leichter einfangen und domestizieren liessen, töteten die ersten Hirten die erwachsenen Tiere, die ihre Jungen beschützten, fingen den Nachwuchs ein und hielten ihn fern von seinem natürlichen Lebensraum und seiner Brutgemeinschaft. Während sie die Tiere wegen ihres Fleisches töteten, Milch und Wolle von ihnen gewannen oder ihre Arbeitskraft nutzten, lernten die Hirten, den Bewegungsdrang, die Ernährungsweise, das Wachstum und die Vermehrung der Tiere mittels Kastration, Fussfesseln, Brandzeichen, Ohrmarkierungen und Gerätschaften wie Lederschürzen, Peitschen, Ochsenziemern und schliesslich Ketten zu kontrollieren. 

 

Das Tier wurde zum Sklaven des Menschen. 

 

Um die Milch der weiblichen Tiere zu gewinnen, haben die Hirten diverse Methoden entwickelt, die verhindern sollen, dass die Jungtiere in deren Genuss gelangen. Da das Kalb für gewöhnlich anwesend sein muss, damit die Milch der Mutter zu fliessen beginnt, lässt man das Kalb zunächst saugen, aber sobald die Milch der Mutter zu fliessen beginnt, wird das Kalb weggenommen und man melkt die Mutter für sich selbst. 

 

Eine andere Methode, dem Nachwuchs die ihm zugedachte Milch vorzuenthalten, besteht darin, das Säugen und Saugen schmerzhaft und unmöglich zu machen. 

 

Die Nuer in Ostafrika binden dem Kalb einen Dornenring um die Schnauze, der die Mutter ins Euter sticht. Manche Hirten legen dem Kalb auch eine Art Maulkorb aus spitzen Stöcken um, damit es seiner Mutter nicht zu nahe kommt. Die Rwala setzen dem Kamelkalb einen spitzen Stift unterhalb der Nüstern ein, der das Euter der Mutter sticht, wenn es saugen will. Oder sie hüllen das Euter des Kamelweibchens in einen Sack oder ein Netz – meistens aus Ziegenhaar - , sodass das Kalb keine Milch trinken kann. Die Lappen schmieren Exkremente auf die Euter von Rentieren, um deren Kitze am Saugen zu hindern. 

 

Die Tuareg durchbohren dem Kalb zu diesem Zweck auch die Wange mit einem Stock. Eine andere Methode besteht darin, die Nasenscheidewand der Rinderkälber mit einem gegabelten Zweig zu durchstossen, der dann das Saugen sehr schmerzhaft macht. 

Um die Kamelkälber von ihren Müttern fernzuhalten, durchbohren die Tuareg auch ihre Oberlippe, stecken eine Wurzel hinein und binden sie an beiden Enden zu einem Knoten. Dadurch wird das Säugen unangenehm für die Mutter und das Saugen extrem schmerzhaft für das Kalb. Ausserdem zerschneiden die Tuareg ihren Kamel- und Rinderkälbern die Nase, damit sie nicht bei den Müttern saugen. 

 

Den Tieren wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Sie werden zu Gefangenen.

 

Die Papua in Neuguinea haben sich diverse Methoden ausgedacht, um zu verhindern, dass ihre Schweine an unerwünschten Stellen im Boden wühlen. Sie schneiden ihnen ein Stück von der Schnauze ab, damit sie wund wird und das Schwein beim Wühlen Schmerzen hat. 

An vielen Orten in Südamerika schränken die Menschen die Bewegungsfähigkeit ihrer Schweine ein, indem sie ihnen die Augäpfel entfernen, sie mit einem Stock durchbohren, „um das Wasser herauszulassen“, und die zerstörten Augen dann wieder in die Höhlen einsetzen. Wenn es dann an der Zeit ist, töten und essen sie die geblendeten Tiere. 

 

Eine gängige Kastrationsmethode in der USA besteht heutzutage darin, das Tier zu Boden zu drücken, ihm den Hodensack mit einem Messer aufzuschlitzen und die Testikel freizulegen. Dann packt man die Testikel und reisst sie von den Samenleitern ab. Manchmal kastriert man die Tiere auch mit einem Ring. Ein amerikanischer Rancher berichtet:

„Es ist schrecklich. Nachdem man dem Kalb den Ring um den Hodensack gezogen hat, rennt es verzweifelt, tritt um sich und schlägt mit dem Schwanz, bevor der Hodensack schliesslich taub wird. Es leidet offenkundig Höllenqualen. Dann dauert es noch ungefähr einen Monat, bis ihm die Eier abfallen.“

 

Unbarmherzigkeit und Gleichgültigkeit

 

Die Domestizierung der Tiere hatte Auswirkung auf die Beziehungen der Menschen sowohl zu ihren gefangenen Tieren als auch zueinander. 

Kaum waren die Tiere domestiziert, bauten die Hirten und Bauern mit Hilfe von Gleichgültigkeit, Rationalisierung, Leugnung und Beschönigung eine emotionale Distanz zu ihren Gefangenen auf. 

 

Die Beziehung der Menschen zu anderen Lebewesen wurde zu derjenigen, die sie heute ist – eine von Macht, Kontrolle und Manipulation geprägte Beziehung.

Seither bestimmt der Mensch über Leben und Tod „seiner“ Tiere. 

 

Gewalt erzeugt Gewalt. So hat die Versklavung der Tiere zu einem grösseren Mass an Herrschaft und Zwang in der menschlichen Geschichte geführt. Sie liess repressive, hierarchische Gesellschaften entstehen und entfesselte gewaltige, zuvor unbekannte Kriege. Im Übergang zur Viehzucht hat auch im politischen Leben eine interventionistische Denkweise Einzug gehalten. 

 

Die Domestizierung der Tiere förderte eine autoritäre Denkweise, weil die Herrschaft des Menschen über die niedrigeren Geschöpfe das geistige Analogon für die Ausbeutung der Menschen lieferte. Er erlernte, Unrecht mit der Begründung seiner Machbarkeit zu legitimieren. 

 

Mit der Entscheidung für die intensive Viehzucht hat der Mensch begonnen, Unbarmherzigkeit, Gleichgültigkeit und gesellschaftlich akzeptierte Gewalt und Grausamkeit sich ins Mark der Kultur einzuschreiben. Dadurch wurde die Bande der umfassenden Verwandtschaft mit anderen Bewohnern dieser Erde zerschnitten.

 

Einmal institutionalisiert und als Bestandteil der natürlichen Ordnung akzeptiert, öffnete die Ausbeutung der Tiere die Tür zu einem ähnlichen Umgang mit Menschen und ebnete damit den Weg zu Abscheulichkeiten wie der Sklaverei und dem Holocaust.

 

Die Unterdrückung der Tiere fungierte als Modell und Trainingsgelände für die Geisteshaltung der Ausbeutung anderer, wenn es für die persönlichen Interessen nützlich scheint. Im Umgang mit Tieren musste der Mensch Teile seiner Empfindungsfähigkeit und Mitgefühl abtöten. Die Beteiligung an Praktiken, die Grausamkeit, Schuldbewusstsein und schliesslich Gefühlslosigkeit zur Folge hatten, bleibt nicht bei Tieren stehen, sondern kippt auf die eigenen Artgenossen über.

 

Karl Jacoby schreibt in seinem Buch „Slaves by nature?“, dass es „nicht ein Zufall ist, dass aus jener Region, aus der die ersten Indizien für die Viehzucht stammen, dem nahen Osten, auch die ersten Indizien für Sklaverei kommen.“

 

Aufgrund eigener Interessen werden die Interessen der Tiere übergangen. Das ist ein Verhaltensmuster, das der Mensch im Umgang mit Tieren erlernt hat und das er dann genauso skrupellos auf seine Mitmenschen übertragen hat. 

 

 

Sklaven als Haustiere

 

In Sklavenhaltergesellschaften hielt man die Sklaven mit denselben Methoden unter Kontrolle wie die Tiere – man kastrierte sie, brandmarkte sie, peitschte sie aus, legte sie in Ketten und schnitt ihnen die Ohren ab. Das Postulat der menschlichen Vorherrschaft, mit dem die Menschen sich von der Fürsorge und Verantwortung für die Tiere lossagten, legitimierte auch die Misshandlung jener Menschen, die angeblich auf der Stufe von Tieren standen. 

 

In den europäischen Kolonien war die Sklaverei mit ihren Märkten, ihren Brandmalen und ihrer immerwährenden Arbeit eine Form des Umgangs mit Menschen, die man als Tiere betrachtete. 

 

Ein englischer Reisender berichtete, dass die Portugiesen Sklaven brandmarkten „wie wir die Schafe, mit einem heissen Eisen“. Ein anderer Reisender sah auf dem Sklavenmarkt in Konstantinopel, wie Käufer Sklaven ins Innere eines Hauses mitnahmen, um sie nackt zu untersuchen, und sie anfassten, „wie wir Tiere anfassen, um festzustellen, wie wohl genährt und stark sie sind.“ Ein Goldschmied aus dem 18. Jahrhundert pries „silberne Vorhängeschlösser für Schwarze und Hunde“ an. Per Zeitungsanzeige gesuchte entlaufene Sklaven waren oft mit einem eisernen Halsband abgebildet. 

 

Kastration von Schwarzen war eine Methode, die viele Amerikaner als notwendig verteidigten, um ein „lüsternes und barbarisches Volk im Zaun zu halten.“ (aus „The white Man’s burden – historical origins of racism“)

 

Die Brandmarkung wurde bis ins späte 18. Jahrhundert hinein überall in Nord- und Südamerika zur Kennzeichnung und Identifizierung von Sklaven eingesetzt. 

 

Bis 1833 durfte man den Sklaven in South Carolina auch die Ohren abschneiden. 

In Amerika fielen Schwarze – Freie wie Sklaven – juristisch in dieselbe Kategorie wie Haustiere. (Stefan Wise „Rattling cage)

 

Die Weltanschauung der menschlichen Gewaltherrschaft, die die Ausbeutung und Tötung von Tieren rechtfertigt, legitimiert auch die Unterdrückung von Menschen, die angeblich auf der Stufe von Tieren stehen. 

Der deutsche Biologe und Philosoph Ernst Häckel (1834-1919), dessen Ideen starken Einfluss auf die faschistische Ideologie hatten, stellte die Behauptung auf, „da nichteuropäische Rassen psychologisch den Säugetieren (Affen und Hunden) näher stehen als den zivilisierten Europäern, müssten wir ihrem Leben einen vollkommenen anderen Wert zuschreiben.“ (R. Lifton „Ärzte im dritten Reich“ S.527). 

Die in der häckelschen Tradition ausgebildeten deutschen Antropologen wurden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu begeisterten Befürwortern der nationalsozialistischen Rassenhygiene.

 

Der Kolonialismus war die natürliche Erweiterung der menschlichen Vorherrschaft über das Tierreich. Die Mentalität des Beherrschens und Bezähmens dehnte sich aus. 

 

Entpersönlichung

 

 

In „politics and language“, einer im Jahre 1946 veröffentlichten Abhandlung, machte George Orwell (Autor von „1984“) deutlich, inwiefern politische Schriften und Reden oft die „Rechtfertigung des nicht zu Rechtfertigenden“ sind, das heisst, dass sie sich korrupter Sprache, Weitschweifigkeit, abgedroschener Ausdrücke, verschwommener Begriffe, Zweideutigkeit und sprachlicher Beschönigungen bedienen. 

 

Ein Beispiel, das er anführt: „Die Ghettos, in welche während der Zeit des Dritten Reiches die Juden eingesperrt waren, wurden „autonome Jüdische Territorien“ genannt; der Abtransport von Juden in die Konzentrationslager bezeichnete man als „Umsiedlung“ oder „Verlagerung“, den Massenmord an den Juden als „Sonderbehandlung“ oder „Endlösung in der Judenfrage“. Derartige Begriffe sind notwendig, wenn man Dinge ausdrücken will, ohne sie mit der Realität zu assoziieren. 

Heute wird Abtreibung als „Schwangerschaftsunterbruch“ bezeichnet und Schlächter im Schlachthof als „Veterinärangestellter“. Jeder wäre empört, wenn jemand sagen würde, er hätte gerade einen Muskel gegessen. In der beschönigten Sprache heisst das „Steak“ und wer wäre schon angezogen, wenn in einem Restaurant „Schweinehoden“ angekündigt würden. Deshalb schreibt man einfach „Rocky Mountain-Austern“. Chateau-briand ist nicht anderes als Rindsrücken.  

Gäbe es nichts zu verbergen, bestünde auch nicht die Notwendigkeit für beschönigende Worte. Dieses wohlüberlegte Täuschungsmanöver zeigt lediglich, wie verzweifelt der Mensch bemüht ist, sich seiner Taten nicht mehr bewusst zu sein zu wollen. 


Es macht es uns leichter,  Tiere oder Menschen zu töten, wenn wir sie uns nicht als solche vorstellen. Durch die politisch euphemisierte Sprache machen wir sie zu weniger als das, was sie sind. 

Und die unerwünschten Menschen werden als „Elemente“, „Abschaum“, „Ausländer“ oder im Fall der Abtreibung als „Zellgewebe“ bezeichnet. Dass man dann eine Rechtfertigung dafür hat, macht es eigentlich noch schlimmer. Die Ausdrucksweise der Nazis basierte auf dieser Verdrängung, Juden seien keine Menschen und sie zu töten sei daher kein Mord, sondern lediglich eine „notwendige Sonderbehandlung“, so ähnlich etwa wie das Absetzen von ungewollten Lagerbeständen. 

Was hier wirklich geschieht, ist eine Entpersönlichung, die das Verbrechen gesellschaftstauglich macht und natürlich auch gleichzeitig einen selber dabei entpersönlicht. Entpersönlichung heisst die Umwandlung von etwas Lebendigem in etwas Mechanisches. Es ist Verlust von Bewusstsein. 

 

Dem ersten Buch Mose zufolge (1,25-26) schöpfte Gott „die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Dann schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde und gab ihm die Herrschaft über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“

 

Diese missverstanden und  somit verhängnisvollen Worte haben den zerstörerischen Weg der westlichen Zivilisation grundlegend bestimmt. 

 

Die Bibel erinnert an eine weniger gewalttätige Vergangenheit und hofft auf eine weniger gewalttätige Zukunft. Dem erstem Buch Mose zufolge lebten Adam, Eva und die Tiere zu Beginn friedlich und harmonisch miteinander im Paradies, und Gottes Wille war, dass Mensch und Tier einander nicht fressen sollen. (Genesis, 1.29)

 

Die Entpersönlichung der Tiere begann schon mit Aristoteles, der den Tieren Vernunft absprach und sie der Kategorie der unbeseelten Gegenstände zuordnete.

Aristoteles schrieb in seiner „Politik“ (1. Buch, Kapitel 8), Tiere seien „der Menschen wegen da“; „die Natur habe sie alle um der Menschen willen gemacht.“ 

 

Damit wurde die Grundlage des Materialismus gelegt, eine Sichtweise der Welt, in der die Natur nur deswegen existiert, um den Interessen des Menschen zu dienen. Der inhärente Sinn in den Dingen wird nicht berücksichtigt und gänzlich übergangen. Man schafft sich den Sinn selber und fragt und forscht nicht nach der Absicht ihres Herstellers, ihres Schöpfers.

 

Aristoteles behauptete, die Herrschaft des Menschen über die Tiere erstrecke sich auch auf die Sklaven und beinhalte zudem die Herrschaft des Mannes über die Frau. 

Er schreibt: „Menschen, die hinter anderen zurückstehen, ähneln domizierten Tieren, weil sie Sklaven von Natur aus seien.“ Seine Pflichten unterschieden sich nicht von denen eines Arbeitstieres, und seine Erwerbung lässt sich mit der Jagd vergleichen.“ (Politik, 1. Buch Kapitel 5)

 

Diese Denkweise impliziert, man könne Tiere für seine eigenen Zwecke nutzen ohne Unrecht zu tun. Wie unser heutiges Recht klassifizierte auch das römische Recht Tiere als Eigentum und folglich als Sache ohne eigene Rechte. 

 

Das Christentum übernahm diese Doktrin von der Vormachtstellung des Menschen.

 

Augustinus (354-430) schrieb, das sechste Gebot („Du sollst nicht töten“) gelte nur auf Menschen, nicht für „vernunftlose Wesen, ob sie nun fliegen, schwimmen, laufen oder kriechen. Die gerechte Anordnung des Schöpfers hat ihr Leben und ihr Sterben unserem Nutzen angepasst.“ (Augustinus, „der Gottesstaat“, 1, 20)

 

Der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin (1225-1274) erklärte, es sei nicht verwerflich, Tiere zu töten, denn sie seien nicht um ihrer selbst willen, sondern für den Menschen erschaffen.“ (zitiert in <st1:City><st1:place>Salisbury</st1:place></st1:City> „Beast within“, S. 16)

 

Er stellte nicht nur in Abrede, dass Tiere Vernunft besässen, sondern sprach ihnen auch ein Leben nach dem Tod ab. Das heisst, man könne sie bedenkenlos und straflos erschlagen. Genau dies dachten die europäischen Einwanderer zur Zeit ihrer ersten Begegnungen mit den Eingeborenenvölkern von Afrika, Asien und Amerika. 

Mit der Absage an ein ewiges Leben der Tiere, der Entpersönlichung, legitimierte Aquin die Ausbeutung.  So begann der europäische Mensch als Vizeregent und Stellvertreter Gottes mit uneingeschränkter Befugnis die natürliche Welt zu regieren. 

 

Die grosse Kluft

 

Rene Descartes ausgearbeitete Doktrin lautete, „Tiere seien reine Maschinen oder Automaten, wie Uhren, fähig zu komplexem Verhalten, aber ganz und gar ausserstande zu sprechen, vernünftig zu denken und sogar etwas zu fühlen. 

Descartes Schüler behaupteten, Tiere empfänden keinen Schmerz, und ihre Schreie und ihr Gezappel seien rein äusserliche, mit keinerlei inneren Empfindungen verbundene Reflexe.

 

Die Rechtfertigung der menschlichen Vorherrschaft geht voran und befreit sich gleichzeitig auch immer mehr vom Verdacht eines Verbrechens.

Die antropozentrische Perspektive wird in der Geschichte wiederholt und bekräftigt und dadurch mehr geglaubt. In einer Zivilisation, die Tiere mit aller Selbstverständlichkeit ausbeutet, tötet und verzehrt, würde eine andere Denkweise auch zu viele beunruhigende moralisch-ethische Fragen aufwerfen. 

 

Die scharfe Trennlinie zwischen Mensch und Tier ist wichtig, wenn man ihr Fleisch essen will ohne den Beigeschmack von Schuld und Bedauern.

In einem Vorwort zu Dudley Giehls Buch über Vegetarismus schreibt Isaac Bashevis Singer (1904-1991): "Wir wissen heute, so wie wir es instinktiv schon immer gewusst haben, dass Tiere so leiden können wie Menschen. Ihre Gefühle und ihr Empfinden sind oftmals stärker als die der Menschen. Verschiedene Philosophen und Religionsführer versuchten ihre Schüler und Anhänger zu überzeugen, dass Tiere nichts weiter sind als Maschinen ohne Seele, ohne Empfindungen. Dennoch, jeder der irgendwann mit einem Tier zusammen gelebt hat – sei es ein Hund, Vogel oder selbst eine Maus – weiss, dass diese Theorie eine freche Lüge ist, ersonnen um die Grausamkeit zu rechtfertigen." 

Edgar Koberwitz (Vegetarier, Pazifist und Kriegsdienstverweigerer) schreibt, nachdem er fünf Jahre Konzentrationslager der Nazis überlebt hatte, über die Grausamkeit des Tötens von Tieren. Er erwähnt die süsse, lockende Stimme der Bäuerin, die den Hühnern goldene Körner hinstreut, sie dann an der Gurgel packt und tötet. „Ja, - ich fürchte mich vor diesen Händen. Sollten sie nicht zur ähnlichen Tat am Menschen fähig sein? Du sagst nein,  - ich sage ja! Denn alles beginnt im Kleinen, alles lernt man im Kleinen, ….auch das Töten.“

 

Kolonialismus

 

Nachdem die Tiere bereits als niedrigere Lebensform eingestuft worden waren, der es bestimmt war, ausgebeutet und geschlachtet zu werden, ebnete der Vergleich minderwertiger Menschen mit Tieren den Weg zur Unterjochung und Vernichtung dieser Menschen. In „Genocide. Its political use in the twentieth century“ schreibt Leo Kuper: „Die Tierwelt war eine fruchtbare Quelle von Metaphern der Entmenschlichung, sodass Menschen, die man als Tiere bezeichnete, wie Tiere gejagt und zur Strecke gebracht werden konnten.“

 

Hat man einmal die Entpersönlichung der Tiere etabliert, braucht man die menschlichen Feinde nur noch als Tiere zu bezeichnen und das Massaker verliert den Charakter des Massakers.

 

Bartolome de las Casas (1474-1566) beschreibt die spanischen Gräueltaten auf ihren Eroberungszügen in Südamerika. „Die Spanier, welche zu Pferde und mit Schwertern und Lanzen bewaffnet waren, richteten ein greuliches Gemetzel und Blutbad an. Sie drangen unter das Volk, schonten weder Kind noch Greis, weder Schwangere noch Entbundene, rissen ihnen die Leiber auf, und hieben alles in Stücke – nicht anders, als überfielen sie eine Herde Schafe.“

 

Bei einem Massaker in Kuba, das er miterlebte, fielen spanische Soldaten über eine Gruppe Kindern und alten Menschen her, um „jene Schafe und Lämmer niederzustechen, ihnen die Bäuche aufzuschlitzen und sie umzubringen.“

Sie drangen in ein grosses Haus ein und brachten darin so viele Menschen um, „dass das Blut in Strömen floss, als hätten sie viele Kühe getötet.“ (aus P.Hallie „Grausamkeit – der Peiniger und sein Opfer“ S. 147)

 

Der berühmte amerikanische Autor Frank Baum („Der Zauberer von Oz“) schreibt nach einem Massaker an Indianern im Jahre 1890: „Um unsere Zivilisation zu schützen, hätten wir lieber Nachsetzen und diese ungezähmten und unbezähmbaren Kreaturen ganz vom Antlitz der Erde tilgen sollen.“ (zitiert in Stannard „American Holocaust“ S. 145)

 

Der führende Psychologe und Pädagoge von Amerika, Stanley Hall (1844-1924) lobte die rasche Ausrottung der hoffnungslos dekadenten minderwertigen Rassen der Welt, die wie Unkraut im menschlichen Garten ausgerupft werden müssten. Anteilnahme am Schicksal der Opfer sei nicht angebracht, weil „wir aufgerufen sind, uns über die Moral zu erheben und die Bühne der Welt frei zu machen, auf dass jene überleben können, die am stärksten und darum am geeignetsten sind.“

 

Einer derjenigen, bei denen die Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner auf allergrösste Bewunderung stiess, was Adolf Hitler. Die Eroberung des nordamerikanischen Kontinents durch die weissen Angelsachsen inspirierte ihn und überzeugte ihn davon, dass genozidale Massnahmen gegen rassisch minderwertige Völker durchführbar waren. Sein Biograf John Toland schreibt, dass Hitler „sich oft lobend darüber äusserte wie effizient die roten Wilden, die durch die Gefangenschaft nicht gezähmt werden konnten, mit Hilfe von Nahrungsentzug und militärischer Übermacht ausgerottet worden waren.“ (John Toland „Adolf Hitler“ S. 702)

 

Ende des 19. Jahrhunderts, als den Amerikanern die wilden Indianer, die man jagen und töten konnte, im eigenen Land endlich auszugehen schienen, kam die US-Armee durch die Eroberung der Philippinen im Gefolge des spanisch-amerikanischen Krieges (1898) zu zahlreichen neuen „Indianern“. In dieser Militäraktion sind etwa 250'000 Zivilisten ums Leben gekommen. 

Tatsächlich waren die meisten amerikanischen Offiziere, die auf die Philipinen geschickt wurden, ehemalige Indianerkämpfer mit umfangreichen Erfahrungen in der Jagd auf „Wilde“.

 

Ein Soldat des Washington-Regimentes erzählte, Filipinos zu erschiessen mache ihm mehr Spass als Kaninchen zu töten. Obwohl die Soldaten einen schlammigen Bachlauf durchqueren mussten, wobei ihnen das Wasser bis zur Taille reichte, „machte es uns nicht das Geringste aus, denn wir waren in Kampfstimmung, und jeder von uns wollte Nigger töten.“

Menschen zu erschiessen sei ein „tolles Spiel und tausendmal besser als Kaninchen zu töten. Wir griffen sie an und haben sie niedergemacht wie Kaninchen; Hunderte, ja Tausende von ihnen.“ (S. Miller „Benevolent assimilation – the american conquest of the <st1:country-region><st1:place>Philippines</st1:place></st1:country-region>“ S.188)

 

Ende 1942 brachte die New York Times eine Karikatur heraus, die später im “Reader’s Digest” nachgedruckt wurde und dadurch ein viel grösses Publikum erreichte. Sie zeigte zwei weisse Soldaten, die mit dem Gewehr im Anschlag vor einem dichten Dschungel liegen, in dessen Bäumen es von Affen und japanischen Heckenschützen wimmelt. „Gib acht“, sagt der eine zum anderen, „nur die in Uniform.“. 

 

Bei einer riesigen patriotischen Parade mit einer halben Million Teilnehmern und drei Millionen Zuschauern, die im Juni 1942 in New York abgehalten wurde – der grössten Parade, die bis dahin in NY abgehalten wurde - , war ein Wagen mit der Aufschrift „Tokio – wir kommen“.

Der New York Herald Tribune vom 14. Juni 1942 zufolge zeigte der Wagen „einen grossen amerikanischen Adler, der an der Spitze einer Bomberstaffel auf eine Schar gelber Ratten hinabstiess, die in alle Richtungen auseinander liefen.“ Die Menge „war hellauf begeistert.“

 

Für das japanische Militär waren die Chinesen Untermenschen, deren Ermordung moralisch ebenso wenig verwerflich war, als würde man ein Schwein schlachten oder eine Wanze zerquetschen. Ein japanischer General erklärte einem Kriegsberichterstatter: „Sie betrachten die Chinesen als Menschen, während ich in ihnen Schweine sehe. Ein Schwein ist noch wertvoller als das Leben eines chinesischen Menschen, da man Schweine essen kann.“

 

Dem Biografen von Himmler zufolge betrachtete Himmler seine Opfer nicht als Menschen, daher liessen ihn ihr Leid und ihr Schicksal völlig kalt. „Er sah in ihnen Ungeziefer und Schädlinge, wie jeder Landwirt sie vernichten musste, wenn er sich und seine Familie ernähren wollte.“ („Heinrich Himmler – der Architekt der Endlösung“ S. 327)

 

Ein Offizier in Nanking, der chinesische Gefangene in Zehnergruppen aneinander fesselte, in Gruben stiess und verbrannte, erklärte später, er habe dabei nichts anderes empfunden als beim Schweineschlachten. (I.Chang „Die Vergewaltigung von Nanking“ S. 225)

 

Die Amerikaner bezeichneten die Vietnamesen oft als Indianer. Für General W. Westmoreland waren sie hingegen „Termiten“. 

Als amerikanische Piloten im Golfkrieg 1991 auf dem Rückzug befindliche irakische Soldaten töteten, nannten sie dies „Truthahnjagd“; eilig Deckung suchende Zivilisten bezeichneten sie als „Kakerlaken“. 

Wie immer in Kriegszeiten entmenschlichen die Tiermetapher den Feind und erleichtern seine Vernichtung. Es ist die Expansion der Verrohung, die im Umgang mit Tieren ihren Anfang genommen hatte.

Der Gegner wird dann als überflüssig und entbehrlich, ja als Plage definiert. Und erst nach einer solchen Neudefinition können die meisten Nichtpsychopaten Unschuldige massakrieren, ohne massive Schuldgefühle zu entwickeln.

 

Die Entpersönlichung, die mit Tieren eintrainiert wurde, nimmt ihren Lauf. Nirgends ist die eiserne Faust so unverhüllt wie in der Unterdrückung von Tieren, welche als Trainingsfeld für weitere Formen der Unterdrückung dient.

 

 

Industrielles Töten

 

„Rings um uns herrscht ein System der Entwürdigung, der Grausamkeit und des Tötens, das sich mit allem messen kann, wozu das Dritte Reich fähig war, ja es noch in den Schatten stellt, weil unser System kein Ende kennt, und unaufhörlich Kaninchen, Geflügel, Vieh für das Messer des Schlachters auf die Welt bringt.“  J.M. Coethee „Das Leben der Tiere“

 

Der Gedanke der rücksichtslosen Ausbeutung, ist er einmal im Umgang mit Tieren eingeübt, überträgt sich auf Menschen.

 

Die Gewohnheit, zerschnittene und zerteilte Tierkörper auf dem Teller zu haben, reduziert die natürliche Schwelle der inhärenten Abneigung zum Töten und man verliert die Achtung vor dem Leben. Die Gewohnheit des Fleischessens reduziert das Feingefühl für das Verbrechen, das dafür zu geschehen hatte. Denn man war ja der Auftragsgeber für den Mord.

 

Da sich Schweinefleisch besser konservieren liess als Rind- und Lammfleisch, bevorzugten die Fleischer der frühen Kolonien in Amerika Schweine. 

Der erste Schritt zur Industrialisierung des Tötens geschah Mitte des 19. Jahrhunderts in Cincinnati. Grössere Schlachtbetriebe haben begonnen, die Schlachtung und die Fleischwarenherstellung zu kombinieren. 

 

Die Arbeiter haben die Schweine in ein grosses Gehege gepfercht und liefen buchstäblich über ihre Rücken und versetzten jedem mit einem speziell dazu konstruierten zweispitzigen Hammer einen tödlichen Schlag auf den Kopf. Dann nahmen andere Arbeiter die toten oder betäubten Tiere an Haken und schleiften sie in den Schlachtraum, wo sie ihnen den Hals aufschnitten und sie an den Hinterbeinen aufhängten, um sie ausbluten zu lassen. Dabei lief das Blut auf die mit Sägemehl bestreuten Böden, wo sich ein zähflüssiger Matsch bildete. 

Der ausgeblutete Kadaver wurde in einen Bottlich mit kochendem Wasser geworfen und anschliessend auf einen grossen Holztisch gelegt, wo Arbeiter die Haare und Borsten herausrupften und die Haut mit scharfen Messern abschabten. Dann trugen sie den Tierkörper zur nächsten Station und hängten ihn für den „Ausnehmer“ an einen Haken. Dieser entfernte die Innereien des Schweins…..

Auf diese Weise wurden aus dem 200 Kg schweren Lebewesen 100 Kg Schweinefleisch und 20 Kg Schweineschmalz.

 

1865 eröffneten die Union Stock Yards, eine Grossindustrie der Fleischwarenherstellung,  und machte Chicago zur neuen Schlachthauptstadt Amerikas. Es war ein riesiger Tötungskomplex, der mehr als 2.5 Quadratkilometer einnahm. Er stellte alle anderen Industriebetriebe jener Zeit in den Schatten. Gewisse Fleischwarenhersteller beschäftigten in ihren Anlagen mehr als 5000 Arbeiter. 1886 war es mit einem 160 Km langen Schienennetz umgeben, und jeden Tag wurden Hunderte Waggons voller Schafe, Schweine und Rinder in das gewaltige Stallsystem entladen. Um mit der zunehmenden Zahl von Tieren „fertig“ zu werden, die von überall her per Eisenbahn herangeschafft wurden, und um den Fleischhunger der wachsenden Bevölkerung zu stillen, führten die Schlächter das Förderband ein. 

 

Durch den Einsatz des Fliessbandes konnte ein Tier in kürzester Zeit getötet, zerlegt, gereinigt und in handelsübliche Stücke geschnitten werden. 

Rund um die Union Stock Yards schossen Nebenprodukt-Industrien aus dem Boden, die aus dem ehemaligen Abfall wie Blut, Knochen, Hörner, Hufe, Eingeweide und verdorbenes Fleisch Industriegüter wie Dünger, Leim, Seife, Öl und Talg produzierten. 

 

Von der Eröffnung der Union Stock Yards bis zum Jahr 1900 wurden dort insgesamt 400 Millionen Tiere geschlachtet (das sind fast 40'000 Grosstiere pro Tag!). Diese Zahl ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was gegenwärtig geschieht. In der heutigen Zeit brauchen amerikanische Schlachthöfe ein paar Tage, um so viele Tiere zu töten. 

 

Als die Lobby der Fleischindustrie im Jahr 1905 die Verabschiedung eines Gesetzes im Kongress verhinderte, das Normen für die Fleischbeschau eingeführt hätte, beschloss ein sozialistisches Wochenblatt eine eigene Untersuchung durchzuführen. Sie beauftragte Upton Sinclair, einen Sozialisten, Sozialkritiker und Aufdecker von Missständen, für die  Nachforschungen im Schlachtimperium. Nach vielen Wochen Recherchen in abgerissener Kleidung, machte er ausführliche Notizen über alles, was er sah. Daraus schrieb er dann „Der Dschungel“, ein Buch, das sofort eine Sensation wurde und das von der Fleischindustrie hart bekämpft wurde. 

 

„In der Yards bringt einem der Gruppenführer auf eine Galerie, von der aus man die weite Fläche von Ställen überblicken kann – alle gefüllt mir Rinder – so weit das Auge reicht. Bei der Frage, was mit all den Rindern geschehen wird, sagt er: „Bis heute Abend sind sie alle geschlachtet, ausgenommen und zerteilt.“

 

Nebendran sieht man einen nicht abreissenden Strom von Schweinen, die über eine Reihe von Rampen bis zum obersten Stockwerk hinaufsteigen. Er erklärte, die Schweine würden von ihrem eigenen Gewicht „im Laufe der für ihre Umwandlung in Büchsenfleisch notwendigen Verarbeitungsprozesse“ wieder herunterbefördert.“

 

Er beobachtet, wie ein Arbeiter das erste hereinkommende Schwein am Hinterbein packt und an ein grosses, sich drehendes Eisenrad kettet, das es in die Luft reisst. Dann wird es an eine Transportschiene übergeleitet, an der es, zu Tode erschrocken und kreischend, durch die Halle schwebt. 

„Inzwischen wurde ein zweites hochgerissen, ein drittes, ein viertes und immer so weiter, bis sie in Doppelreihe da baumelten, jedes aufgehängt an einem Bein, wild um sich schlagend – und quickend! Der Lärm war grauenhaft; er drohte das Trommelfell zu zerreissen, und man befürchtete, dass dieser Krach die Wände sprengen müsse. Da war hohes Quicken und tiefes Quicken, grimmiges Grunzen und qualvolles Wimmern; zwischendurch verebbte es mal kurz, setzte aber gleich wieder von neuem ein, noch greller und durchdringender, schwoll an, wie es ohrenbetäubender nicht mehr ging. 

Weder das Quiken der Opfer noch die Tränen der Zuschauer haben jedoch irgendwelche Auswirkungen auf diese „Schweinefleischgewinnung“ per Fliessband. Arbeiter stechen die Schweine blitzschnell ab, bis das Quiken zusammen mit dem Herzblut versiegt.“

 

Auf der anderen Seite werden 400-500 Rinder pro Stunde geschlachtet. Wenn die Tiere hereinkommen, werden sie in einen schmalen Gang getrieben und in Einzelboxen gesperrt, in denen sie sich weder bewegen noch umdrehen können. 

Während sie noch brüllen, beugt sich einer der mit einem Vorschlaghammer bewaffneten „Betäuber“ über den Rand der Box und wartet auf eine günstige Gelegenheit für einen Schlag. „Von den schnell aufeinanderfolgenden Schlägen hallte der ganze Raum wider. Kaum war das Rind zusammengebrochen, wandte sich der Betäuber schon dem nächsten zu, während ein zweiter Mann einen Mechanismus betätigte, der die Boxwand hochgehen liess, so dass das Tier, noch immer ausstossend und zuckend, aus der Falle mit ihrem leicht schrägen Boden hinausrutschte…“

 

Die Männer verrichteten „hochspezialisierte“ Arbeit, und jeder hatte seine festumrissene Aufgabe. Sie arbeiteten ruckzuck und buchstäblich um Laufschritt. Der Stecher rennt die Reihen der Rinder entlang und schneidet ihnen mit einem Streich die Kehle durch…

Hinter dem Stecher schiessen Sturzbäche hellroten Blutes auf den Fussboden. Auf dem steht bereits zollhoch Blut, obwohl ein paar Männer unentwegt bemüht waren, es in Abflusslöcher zu schwabbern…..

 

Das war 1906…

Die heutige Tierschlachtung unterscheidet sich von jener zu Beginn des 20. Jahrhundert in erster Linie durch die viel höheren Geschwindigkeiten der Schlachtbänder und die enorm gestiegenen Mengen. Das grausame, schnelle und straff organisierte, gewinnorientierte System von Folter und Mord, in dem man die Tiere nicht als Mitgeschöpfe betrachtet und ihr Leiden und Sterben für belanglos hält, tötet heute an einem einzigen Tag mehr Tiere als alle Schlachthöfe zu Sinclairs Zeit in einem Jahr. 

 

Die grundlegenden Arbeitsabläufe der Fliessbandschlachtung sind jedoch noch weitgehend die gleichen wie vor hundert Jahren. Bei Rindern beginnt die Prozedur noch immer mit dem Betäuber. Dieser benutzt heutzutage allerdings keinen Vorschlagshammer mehr, sondern einen Bolzenschussapparat, der dem Tier einen zehn Zentimeter langen Stahlbolzen ins Gehirn schiesst……

 

Mit diesem Prozess, bei dem Tiere an Ketten aufgehängt und rasch von einer Station zur nächsten befördert werden, bis sie sich schliesslich in Fleischstücke verwandelt hatten, wurde unsere moderne industrielle Zivilisation um ein neues Element beschert: die Neutralisierung des Tötens, verbunden mit einem extrem hohen Grad der Distanzierung. Zum ersten Mal wurden Maschinen zur Beschleunigung des Massenschlachtens eingesetzt und der Mensch sah sich zum blossen Komplizen gemacht, der sich dem Tempo und den Vorgaben des Fliessbandes anzupassen hatte… ohne zu Denken und  ohne Gewissen. 

 

Wie das 20. Jahrhundert zeigen sollte, war es nur ein Schritt vom industrialisierten Töten in amerikanischen Schlachthöfen bis zum fliessbandmässig organisierten Massenmord deutscher Nazis. 

Von den Schlachthöfen in Chicago haben die Nazis gelernt, wie man Körper verarbeitet. 

 

Henry Ford übernahm die Idee dieser Art der Herstellung später dann für die Autoindustrie. Erfunden und entwickelt wurde sie im industriellen Schlachten von Tieren.

Der Automobil-Mogul Henry Ford schreibt in seinen Memoiren, dass er die Idee für die Fliessbandfertigung dem Besuch eines Schlachthofes in Chicago als kleiner Junge zu verdanken habe. Und Jeremy Rifkin schreibt, dass die bemerkenswertesten Innovationen im industriellen Design zuerst in den Schlachthäusern Anwendung fanden. Dieser Fakt wird – begreiflicherweise – auch von Historikern gerne verschwiegen. Man verweist lieber auf die Automobilindustrie als Schrittmacher der industriellen Innovation. 

Im 20. Jahrhundert brachten zwei der modernen Industriestaaten der Welt – die USA und Deutschland – Millionen Menschen und Milliarden anderer Lebewesen zu Tode. Jedes der beiden Länder leistete seinen eigenen einzigartigen Beitrag zum Blutbad dieses Jahrhunderts: Amerika gab der Welt den Schlachthof und Nazideutschland schenkte ihr die Gaskammer.

 

In den Mordzentren sind Geschwindigkeit und organisatorische Effizienz von zentraler Bedeutung. Der reibungslose Ablauf trägt dazu bei, dass den Mördern gar nicht erst moralische Skrupel kommen. Die Organisatoren von Massenmorden versuchen ihr Tun so mechanisch, eintönig und planmässig wie möglich zu gestalten. Die routinemässige Durchführung des Massakers reduziert die Notwendigkeit, nachzudenken und Entscheidungen zu treffen, und verringert das Risiko, dass den Beteiligten die moralische Dimension ihrer Taten bewusst wird. 

 

In den Union Stock Yards in Chicago staunte Upton Sinclairs Protagonist Jurgis Rudkus über die „kaltblütige, unpersönliche Weise, in der die Schlachthofarbeiter die Schweine in die Luft hievten, ohne auch nur die Vorspielung eines Mitgefühls, ohne Opferung einer einzigen Träne. 

Als die Deutschen 1944 Ungarn besetzten und dessen grossen jüdischen Bevölkerungsanteil nach Ausschwitz zu deportieren begannen, war der gewaltige Menschenschlachthof auf dem Gipfel seiner Effizienz. Lange Züge transportierten die ungarischen Juden zum Nebenlager Birkenau. Ein dreispuriges Rangiergleis führte direkt zu den neuen, mit voller Leistung arbeitenden Krematorien, sodass die Züge in schneller Folge ankommen und entladen konnten. Noch während die letzten Leichen aus den Gaskammern geholt und in die Brandgrube hinter dem Krematorium geschleift wurden, zogen sich diejenigen, die als nächste vergast werden sollten, bereits in der Halle aus. 

(Kogon „Massentötungen durch Giftgas“ S. 236)

 

 

Kranke und Alte


Wer krank, geschwächt oder verletzt in einem Mordzentrum eintrifft, stört den effizienten Betriebsablauf. 

In Treblinka wurden die Neuankömmlinge zunächst von einem Mitglied des Lagerpersonals aufgefordert, ihr Gepäck und Wertsachen abzugeben und sich für die Dusche fertig zu machen, die vor der Weiterreise erforderlich sei. Dann schickt man die Alten, Kranken und Verletzten sowie die Mütter mit kleinen Kindern „zur ärztlichen Versorgung“ in die „Krankenstation“. Das verstärkte den Eindruck, dass es sich bei der ganzen Aktion tatsächlich, wie von den Deutschen behauptet, um eine Umsiedlung weiter östlich handelte. 

Während die einen Wärter also diejenigen, die vergast werden sollten, zum Entkleidungsbereich trieben, führten andere die Kandidaten für die „Krankenstation“ zur Hinrichtungsgrube. 

An der Grube mussten sie sich auf Befehl der Wärter ausziehen und sich zusammen auf einen Erdhügel nahe der Grube setzen. Dann wurden sie von den Wärtern erschossen, zunächst mit Gewehren, später jedoch mit Pistolen und per Genickschuss. 

 

Tiere, die krank, geschwächt oder verletzt in den Schlachthöfen eintreffen, waren immer ein Problem für die Fleischindustrie. 

 

„Eine Arbeiterin auf einem Schlachtbetrieb in Deutschland erzählt: „Auf der Farm, wo ich arbeite, schleifen sie die lebenden Sauen, die nicht mehr aufstehen können, aus dem Käfig. Sie binden ihnen ein Metallseil ums Ohr. Die Tiere schreien vor Schmerzen. Sie schleifen sie über den Beton, der ihnen die Haut aufreisst, und das Metallseil zerreisst ihnen die Ohren. Völlig erschöpfte Sauen wirft man auf einen Haufen, wo sie bis zu zwei Wochen liegen bleiben, bis sie mit dem Lastwagen abgeschleppt werden, um gewinnbringend zu Tiermehl verarbeitet zu werden.“ (Slaughterhouse, S.130)

 

Da die Fleischindustrie die Tiere zum Schlachten schickt, sobald sie genug Fleisch auf den Knochen haben, wird die natürliche Lebenszeit dieser ganz jungen Tiere um ein Vielfaches verkürzt. Mästhähnchen, die überwältigende Mehrheit aller Tiere, die getötet und gegessen werden – sind bei der Schlachtung erst sieben Wochen alt. Da ihre natürliche Lebensspanne 15-20 Jahre beträgt, ist diesen künstlich aufgeblähten Tierbabys also nur weniger als ein Prozent dieser Zeit vergönnt. Es sind also Vogelbabys mit riesigen, aufgedunsenen Leibern. 

 

 

Holocaust

Eines Morgens sieht Herman in Brooklyn eine Bucht im Sonnenschein liegen, „voller Boote, von denen viele, die in früher Dämmerung aufs offene Meer hinausgefahren waren, gerade zurückkamen. Fische, die noch vor ein paar Stunden durchs Wasser geschwommen waren, lagen mit glasigen Augen, verletzten Mäulern und blutbefleckten Schuppen auf den Bootdecks. Die Fischer, reiche Sportangler, wogen die Fische und prahlten mit ihren Fängen.

Jedesmal, wenn Herman Zeuge gewesen war, wie Tiere umgebracht wurden, hatte er denselben Gedanken gehabt: In ihrem Verhalten der Kreatur gegenüber waren alle Menschen Nazis. Die Selbstgefälligkeit, die der Mensch anderen Gattungen gegenüber an den Tag legte, demonstrierte die extremsten rassischen Theorien, das Prinzip, dass Macht vor Recht geht.“

(Isaac Bashevis Singer „Feinde“ S. 217)

 

In Deutschland gab es antisemitische Stimmen schon lange bevor die Nazis an die Macht gelangten. Martin Luther (1483-1546), Initiator der protestantischen Reformation schrieb: „Wenn ich jemals einen Juden taufen sollte, so würde ich ihn lieber wie eine giftige Schlange ersäufen. Ich kann die Juden nicht bekehren…. Aber ich kann ihnen den Schnabel schliessen, so dass ihnen nicht anderes übrigbleibt, als auf dem Boden ausgestreckt liegen zu bleiben.“

Luther liess keinen Zweifel daran, dass „der Tod seine persönliche Endlösung der Judenfrage“ war. 

 

"Wenn ich könnte, so würde ich ihn [den jüdischen Mitbürger] niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren."

(1543, Tischrede, zitiert nach Hans-Jürgen Böhm, Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht, Eigenverlag, Postfach 53, 91284 Neuhaus, 1994, S. 250)

 

"Diese Taugenichtse und Ausplünderer sind keiner Gnade und keines Mitleids wert."

(Rede vom 18.12.1536, zitiert nach Böhm, a.a.O., S.250)

 

Martin Luther fordert dazu auf, die jüdischen Häuser und Versammlungsorte zu vernichten

"... dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke, ... dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre ... "

(Martin Luther über die Juden - Weg mit ihnen! Hrsg.: Landesbischof Martin Sasse, Freiburg 1938, S. 9)

 

Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) behauptete, die Juden könnten nicht in die deutsche Kultur assimiliert werden, da „ihr Materialismus und ihre Habgier lediglich eine animalische Existenz erlaubten.“

 

Der Komponist Richard Wagner (1813-1883) schrieb, die „jüdische Rasse sei der geborene Feind der Menschheit und vergifte die deutsche Kultur.“ Seine Frau Cosima schmähte die Juden immer wieder als Würmer, Läuse, Insekten und Bazillen. 

 

(die beiden letzten Zitate aus: J. Weiss „Der lange Weg zum Holocaust – die Geschichte der Judenfeindschaft in Deutschland“ S. 42,  S.100, S.199)

 

Es ist klar, was Hitler meinte, als er in „Mein Kampf“ schrieb: Die Nationalisierung unserer Masse wird nur gelingen, wenn bei allem positiven Kampf um die Seele unseres Volkes ihre internationalen Vergifter ausgerottet werden.“

(870. Auflage, 1943, S.372)

Als Hitler später die Endlösung in die Wege leitete, setzte er die Juden erneut mit Bazillen gleich und erklärte, der Versuch, sie zu eliminieren, sei „der gleiche Kampf, den Pasteur und Koch haben kämpfen müssen.“ (F.Redlich „Hitler – Diagnose des destruktiven Propheten“ S. 205)

 

Die Domestizierung und Versklavung von Tieren diente als Modell und Anregung für Menschensklaverei. Die neuen Tierzuchtmethoden der Auslese übertrug sich auf den Menschen und führte zu eugenischen Massnahmen wie Zwangssterilisationen, Euthanasiemorden und Genozid. Und die industrielle Schlachtung von Rindern, Schweinen, Schafen und anderen Tieren ebnet auf moralischer Ebene den Weg zum Holocaust.

Zuerst beuten die Menschen die Tiere aus und töten sie; dann behandeln sie andere Menschen wie Tiere und verfahren mit ihnen genauso. 


Es ist bezeichnend, dass die Nazis mit ihren Opfern wie mit Tieren umgingen, bevor sie sie umbrachten. Viele Praktiken der Nazis zielten darauf ab, die Ermordung von Menschen so erscheinen zu lassen, als würden Tiere geschlachtet. 

Die Nazis zwangen die Todeskandidaten, sich vollständig zu entkleiden und eng zusammenzurücken, was Menschen normalerweise nicht tun. Nacktheit suggeriert, dass es sich um Tiere handelt, und nackte, zusammengedrängte Leiber erinnern an eine Rinder- und Schafherde. Diese Formen der Entmenschlichung erleichterte es, die Opfer zu erschiessen oder zu vergasen. 

Um jedes Mitgefühl und Freundlichkeit (Schwäche) auszumerzen, mussten manche SS-Leute zwölf Wochen lang einen deutschen Schäferhund grossziehen und den Welpen dann unter Aufsicht einer Offiziers von Hand erdrosseln. 

Kinder zu erschiessen war unter anderen deshalb problematischer, weil es aus nächster Nähe geschah. Die Mütter mussten ihre Babys zu dem als Massengrab vorgesehenen Grube hintragen. Dort rissen ihnen die Henker die Kinder aus den Armen, hielten sie auf Armeslänge von sich, schossen ihnen ins Genick und warfen sie dann in die Grube. Einigen Zeugen zufolge wurden die Erschiessungen in solcher Eile vorgenommen, dass viele Opfer lebend in die Grube fielen oder geworfen wurden. Der Stapel der wirr in der Grube gehäuften Opfer blieb in Bewegung und hob uns senkte sich. 

 

Ein israelischer Psychologe, der Kinder von Nazi-Tätern interviewte, sprach mit einem Deutschen…

„Mein Vater kam zu mir, kurz bevor er starb. In seiner Beichte sagte er mir, dass in all den Jahren ihm die braunen Augen eines sechsjährigen Mädchens keine Ruhe gelassen hätten. Er war ein Wehrmachtssoldat in Warschau während des Aufstandes im Ghetto. Eines Morgens kam ein sechsjähriges Mädchen zu ihm gelaufen und hielt ihm die ausgestreckten Arme entgegen. Er konnte sich noch an den Blick in ihren Augen erinnern, erschreckt und vertrauensvoll zugleich. Dann befahl ihm sein Vorgesetzter, sie mit dem Bajonett niederzustechen – was er auch tat. Er hat sie getötet. Aber der Blick in ihren Augen hat ihn sein Leben lang verfolgt. (aus: „Die Last des Schweigens – Gespräche mit Kindern von Nazi-Tätern“ S.246)

 

Diese Verunglimpfung und Entmenschlichung der Opfer durch Tiermetaphern erleichterten es der SS im Verein mit den grauenhaften und menschenunwürdigen Zuständen in den Lagern, ihre Arbeit zu erledigen, denn wenn man die Häftlinge wie Tiere behandelte, dann fingen sie auch irgendwann an, wie Tiere auszusehen und zu riechen. Durch die Ghettoisierung, Aushungerung, den Dreck und die Brutalität wurden sie entmenschlicht. Und dann kann man abschlachten. In „Hitlers willige Vollstrecker“ stellt Daniel Goldhagen fest: „Je minderwertiger und erniedrigter die menschlichen Opfer sind, desto leichter fällt es einer auf der Ausbeutung und Schlachtung von Tieren gegründeten Zivilisation, sie zu töten.“

 

Von den Tierzüchtern Amerikas ausgehend ist Eugenik (Rassenreinhaltung) entstanden. Schwarze und andere sozial Unerwünschte wurden zwangssterilisiert (kastriert), damit sich die unreine Geninformation nicht weiter verbreite. Dieses Gedankengut wurde dann später von den Nazis noch „perfektioniert“ in den Todesmaschinen des Dritten Reiches.  

 

Als Gitta Sereny 1971 in einem Düsseldorfer Gefängnis Franz Strangl, den Lagerkommandanten von Treblinka, interviewte, fragte sie ihn: „Wenn sie sowieso umbringen wollten, warum dann all diese Demütigungen und Grausamkeiten?“

Er antwortete: „Um die, die diese „Massnahme“ ausführen mussten, vorzubereiten; um sie zu konditionieren. Damit sie das tun konnten, was sie dann taten.“

(Gitta Sereny „Am Abgrund – Gespräche mit dem Henker“ S. 116)

 

Die philosophische Entpersönlichung der Tiere (und auch die praktische Entpersönlichung: das Schlachten geschieht ausserhalb des gesellschaftlichen Sichtfeldes) erfüllt denselben Zweck: man kann sie dann leichter töten. Die Verspottung des Opfers, bevor es getötet wird, ist in den Stammeskulturen ein verbreitetes Ritual. Es trägt dazu bei, dass sich der Schlächter emotional und symbolisch Distanz zu dem Tier verschafft.

 

Ich frage mich, ob es einen Unterschied zwischen dem institutionalisierten und industrialisierten Töten von Schweinen und zu Schweinen erklärten Menschen gibt. Viele würden einwenden, moralische Einwände bräuchten nicht auf Tiere ausgedehnt werden, aber genau dasselbe sagten die Nazis in Bezug auf die Juden. 

 

1920 brachten zwei in Amerika studierte Akademiker, Karl Binding, ein Jurist, und Alfred Hoche, Professor für Psychiatrie und Neuropathologie eine Schrift mit dem Titel „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ heraus. Darin vertraten sie die Ansicht, das deutsche Gesetz solle den „Gnadenakt“ der Tötung lebensunwerter Patienten erlauben, also an Patienten, deren Leben „absolut zwecklos“ und eine Belastung für die Angehörigen und die Gesellschaft sei. Die Begriffe, mit denen sie die Patienten beschrieben („Ballastexistenzen“, „Defekte“, „leere Menschenhülsen“) gingen später in die Nazi-Terminologie ein. 

 

Wenn man die Konzentrationslager betrachtet, dann kommt einem all dies bekannt vor. Denn das meiste, was die Nazis in den Lagern taten, auf der ganzen Welt tagtäglich geschieht. Die in Ausschwitz angewandten Verarbeitungsmethoden waren eine bizarre Form dessen, was in der modernen „Tierverarbeitung“ geschieht. 

Viele Lebewesen werden in widerwärtigen Behausungen zusammengepfercht; ohne Nahrung und Wasser transportiert; in Schlachthöfe getrieben, wo die Schmerzens-Schreie der unschuldigen Opfer im Maschinenlärm verhallen. 

 

"Auschwitz fängt da an, wo jemand einen Schlachthof anschaut und denkt: Es sind ja nur Tiere." (Theodor Adorno, Jude, deutscher Philosoph, Soziologe und Musiktheoretiker, einer der führenden Vertreter der Frankfurter Schule und Mitbegründer der "kritischen Theorie")

Ein Vergleich ist nicht Gleichsetzung. Es gibt erschreckende Parallelen zwischen dem, was die Nazis Juden  und anderen angetan haben, und dem, was wir heute Tieren antun.

Tiere werden behandelt wie die schlimmsten Verbrecher – obwohl das„Verbrechen" der Tiere einzig darin besteht, keine Menschen zu sein.

„Im September beginnt die Jagdsaison in der Schweiz. 200'000 Tiere sind zum Abschuss freigegeben.“ (Bündner Bote im September 2006)

Ein grosser Unterschied zwischen dem Holocaust an Menschen und dem massenhaftes Töten von Tieren besteht zweifellos :

Was die Bevölkerung seinerzeit von den KZs wusste, lässt sich heute mit Sicherheit nicht mehr feststellen. Absolut sicher aber ist, dass der heutige Holocaust an Tieren allgemein bekannt ist – weil er tagtäglich annonciert wird: In der Zeitung stehen die genehmigten Abschusszahlen für Jäger, die Kapazitäten von Schlachthäusern, die Zahl der „verbrauchten" Versuchstiere usw. Und im Fernsehen gibt es dazu laufend die 
entsprechenden Reportagen und Dokumentationen.

Den bedeutsamen Unterschied existiert im Hinblick auf die Rolle der Bevölkerung: 
Heute wissen alle darüber Bescheid, was in Tierfabriken, auf Tiertransporten und hinter Schlachthof- und Labormauern passiert! Und die Menschen wissen das nicht erst seit heute, 
sondern seit Jahrzehnten. Und seit Jahrzehnten hat sich an diesem ununterbrochenen, Tag und Nacht weltweit praktizierten Holocaust gegenüber Tieren nichts Substantielles geändert. Es 
gab und gibt keinen allgemeinen Aufschrei, es gab und gibt keine grosse Empörung und es gab und gibt keinen nennenswerten Widerstand. Der Holocaust an Tieren ist seit Jahrzehnten bekannt und wird seit Jahrzehnten akzeptiert. 

Indifferenz dem Leiden anderer gegenüber ist die grösste Verrauhung  menschlicher Existenz. Wir verlieren unser Menschsein in dieser bewusst gewählten Ignoranz dem Schicksal anderer gegenüber.

Bert Brecht schreibt in einem Gedicht darüber:

 

O ihr Unglücklichen!

Eurem Bruder wird Gewalt angetan, und ihr kneift die Augen zu!

Der Getroffene schreit laut auf, und ihr schweigt?

Der Gewalttätige geht herum und wählt seine Opfer

Und ihr sagt: "uns verschont er, denn wir zeigen kein Missfallen."

Was ist das für eine Stadt, was seid ihr für Menschen!?

Wenn in einer Stadt ein Unrecht geschieht, muss ein Aufruhr sein

Und wo kein Aufruhr ist, da ist es besser, dass die Stadt untergeht

Durch ein Feuer, bevor es Nacht wird."

 

Und wenn man Haarspalterei betreibt, indem man behauptet, Treblinka sei ein Unternehmen gewesen, das nur dem Tod und der Vernichtung gedient habe, während die Fleischindustrie letztlich dem Leben diene (wenn ihre Opfer erst einmal tot sind, werden sie schliesslich nicht zu Asche verbrannt oder verscharrt, sondern sie werden zerteilt, verpackt, gebraten und bequem zu Hause verspeist), dann kann das die Opfer menschlicher Genusssucht ebenso wenig trösten, wie es die Toten in Treblinka getröstet hätte, wenn man zur Legitimation ihrer Tötung vorgebracht hätte, dass ihr Körperfett in Seifen und ihr Haar in Matratzenfüllung umgewandelt würde.

 

Glückliche Lebewesen werden zu handlichen Leichenteilen reduziert und das, was zuvor unser Freund, das Tier, war, wird nun erstaunlicherweise plötzlich Nahrung genannt. Der heutige Tier-Holocaust findet in aller Öffentlichkeit statt, ja er wird überall inseriert und plakatiert und gilt gesellschaftlich sogar als akzeptabel.

Es existiert eine totale Entfernung des Konsumenten vom Ursprung des "Konsumgutes" Fleisch, dem Tier. Die Mehrheit sieht heute in diesem Geschöpf, mit dem nur die wenigsten überhaupt noch in näheren Kontakt treten, vornehmlich den Rohstoff für eine Vielzahl von Produkten. 

Und für eine kleine Minderheit nachdenklicher Menschen war es ein beseeltes, schamlos ausgebeutetes und gequältes Opfer menschlicher Rücksichtslosigkeit. Geschundene Kreaturen, welche nur noch für Geschmacksstimulation auf unserer Zunge zu existieren scheinen.

Edgar Kupfer-Koberwitz war 1940 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert worden. In seinen letzten drei Jahren in Dachau war er in der Verwaltung der Lagerhallen des Konzentrationslagers beschäftigt. Diese Stelle ermöglichte es ihm, ein geheimes Tagebuch mit Hilfe gestohlener Papierstreifen und Bleistiftstummeln zu führen. Er vergrub seine Aufzeichnungen und barg sie wieder, nachdem Dachau am 29. April 1945 befreit wurde.

Das Folgende wurde im KZ Dachau inmitten aller erdenklichen Grausamkeiten geschrieben. Es wurde heimlich in einer Krankenbaracke aufgezeichnet, in der er während seiner Erkrankung untergebracht war; zu einer Zeit als der Tod tagtäglich präsent war und zwölf Tausend Mitgefährten innerhalb von vier Monaten verloren gingen, das heisst starben.

„Lieber Freund,

Du hast mich gefragt, warum ich kein Fleisch esse, und Du wunderst Dich über die Gründe meines Verhaltens. Ich weigere mich Tiere zu essen, weil ich mich nicht von anderen Lebewesen, die gelitten haben und getötet wurden, ernähren kann. Ich weigere mich dies zu tun, weil ich selbst so schmerzensreich gelitten habe, dass ich den Schmerz anderer fühle, wenn ich mich meiner eigenen Leiden erinnere. Ich fühle mich glücklich, da niemand mich verfolgt; warum soll ich andere Lebewesen verfolgen oder der Grund ihrer Verfolgung sein?

Ich fühle mich frei, da ich kein Gefangener bin; warum sollte ich der Grund dafür sein, andere Lebewesen zu Gefangenen zu machen und sie ins Gefängnis zu bringen? Ich fühle mich glücklich, da mir keiner ein Leid zufügt; warum sollte ich anderen Lebewesen Leid zufügen oder der Grund dafür sein, dass ihnen Leid zugefügt wird? Ich fühle mich glücklich, da niemand mich verletzt; warum sollte ich andere Lebewesen verletzen oder töten oder der Grund dafür sein, dass sie zu meiner Freude und Bequemlichkeit verletzt oder getötet werden. Diese Lebewesen sind kleiner und hilfloser als ich es bin, aber kannst Du Dir einen vernünftigen Menschen mit edlen Gefühlen vorstellen, der bereitwillig diese Tatsache als Grund benutzt, das Recht für sich in Anspruch nimmt, die Schwäche oder die geringere Grösse auszunutzen? Glaubst Du nicht, dass es gerade des Grösseren, des Stärkeren, des Mächtigeren Pflicht ist, die schwächeren Lebewesen zu schützen, statt sie zu verfolgen, statt sie zu töten? "Adel verpflichtet" und ich möchte in einer edlen Weise handeln. Ich glaube, dass Menschen so lange getötet und gefoltert werden, solange Tiere gequält und getötet werden. Aus dem gleichen Grund wird es weiterhin Kriege geben. Der Grund liegt darin, dass das Töten an kleinen Objekten geübt und perfektioniert wird - moralisch und technisch gesehen. Es ist höchste Zeit, über die vielen kleinen und grösseren Gewalttaten und Gemeinheiten, die wir selbst begehen, entrüstet zu sein. Da es viel einfacher ist, kleine Schlachten zu gewinnen, statt grosse, denke ich, sollten wir erst versuchen, unsere Bereitschaft gegenüber kleinen Gewalttaten und Gemeinheiten zu verringern. Sie vermindern oder besser noch sie ein für alle Mal zu überwinden. Dann wird die Zeit gekommen sein, in der es uns leichter fallen wird zu kämpfen, so dass wir sogar die gewaltigen Verbrechen überwinden können.

 

Kritik zum Holocaust-


Vergleich

 

Die Kritiker des Holocaust-Vergleiches verwechseln Vergleich und Gleichsetzung. Bei einem Vergleich gibt es immer Aspekte, die gleich sind, und Aspekte, die verschieden sind. Sonst wäre es ja kein Vergleich, sondern eine Gleichsetzung. Worauf es beim Vergleich ankommt, ist, daß sich das Verglichene in relevanter Hinsicht ähnelt. Und das ist beim Holocaust gegenüber Menschen und dem, was wir heute Tieren antun, ohne Zweifel der Fall:

Die Opfer heute sind andere als damals, aber das System von Einpferchen, Missbrauch, Vorurteil und Abschlachten ist dasselbe. Alljährlich werden alleine in Europa zehn Milliarden Tiere in Konzentrationslagern, die wir `Massentierhaltung`nennen, gepfercht. Nach vielen Jahren kontinuierlichen Leidens werden sie Zusammengetrieben und mit LKWs bei jedem Wetter Hunderte von Kilometern gekarrt, bevor man sie durch die Tore zur Schlachtebene treibt und tötet. All dies geschieht, während der Durchschnittsbürger sein normales Leben lebt und seine Augen vor dem Leiden verschließt. Vergleiche mit dem Holocaust sind unausweichlich, nicht nur weil wir Menschen mit den Tieren die Fähigkeit des Leidens gemein haben, sondern auch weil die von der Regierung sanktionierte Unterdrückung 
von Abermillionen Lebewesen einfach hingenommen wird, obwohl jeder etwas tun könnte, um sie zu beenden.

Voreiligkeit 

Der Holocaust-Vergleich wird in aller Regel instinktiv und unbedacht verurteilt: als menschenverachtend, ungeheuerlich, geschmacklos, beleidigend, verharmlosend usw. Und dann geschieht, was immer geschieht, wenn voreilig und hysterisch bewertet wird, anstatt sich vorher einmal in Ruhe die Fakten anzusehen: Eine irrationale und hektische Verwirrung verhindert jede vernünftige Diskussion. 

Totschweigen

Es werden vergangene Massaker an Menschen gezeigt. Und es werden gegenwärtige Massaker an Tieren gezeigt. Nichts wird verharmlost. Nichts wird dramatisiert. Alles wird nüchtern dokumentiert.

Was soll, was KANN daran falsch sein? Was kann daran falsch sein, die Fakten zu zeigen? Fakten vorsätzlich zu unterschlagen, hat einen Namen: Totschweigen.

Vergleichen von Menschen und Tieren

Warum soll der Mißbrauch von Menschen auf alle Fälle schlimmer sein als der Mißbrauch von Tieren? Warum soll der Mißbrauch von Menschen nicht mit dem Mißbrauch von Tieren verglichen werden dürfen? Was ist der moralische Unterschied zwischen Menschen und Tieren, der diese unterschiedliche Bewertung und Behandlung von Menschen und Tieren rechtfertigen soll? 

Ist es die unterschiedliche Behaarung oder Anzahl der Beine? Oder ist es die höhere Intelligenz des Menschen? Aber warum soll man jemanden quälen dürfen, weil er weniger intelligent ist?

Ist es die unsterbliche Seele des Menschen, die nach christlicher Ansicht den Tieren fehle? Aber WIELANGE ein Wesen lebt, ist doch für die Frage, wie wir es behandeln, WÄHREND es lebt, bedeutungslos. Und wenn wir wirklich eine unsterbliche Seele haben, dann haben wir auch eine Aussicht auf eine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits, die uns für hier erlittenes Leiden und Unrecht entschädigt. So gesehen, müßten wir Tiere sogar BESSER behandeln, weil sie nur dieses eine Leben und keine Aussicht auf ausgleichende Gerechtigkeit haben. 

Der Punkt ist schlicht: Es gibt keinen Unterschied zwischen Menschen und Tieren, der unsere Bewertung und Behandlung von Tieren rechtfertigen könnte: "Die Frage ist nicht: können sie DENKEN? oder: können sie SPRECHEN?, sondern: können sie LEIDEN?" 

Aber auch die Merkmale, die beim Gefoltertwerden und Ermordetwerden keine Rolle spielen, stützen in keiner Weise die übliche Bewertung und Behandlung von Tieren. Denn KEIN Merkmal, das von irgendjemandem als moralisch relevant angesehen wird, verläuft entlang der Speziesgrenze Mensch - Tier. Mehr noch: Es gibt immer Menschen, bei denen das 
betreffende Merkmal sogar SCHWÄCHER ausgeprägt ist als bei vielen Tieren:

Viele geistig behinderte oder senile Menschen zum Beispiel, sowie alle kleinen Kinder befinden sich auf einem deutlich NIEDRIGEREN Niveau als viele Tiere - etwa Hunde, Katzen, Rinder und Schweine, denen wir in Versuchslabors, Tierfabriken und Schlachthöfen tagtäglich unsägliche Qualen zufügen.

An dieser Tatsache ist nicht zu rütteln. Tierrechtler ziehen daraus aber nicht den Schluß, daß die betroffenen Menschen schlechter als bisher behandelt werden sollten, sondern daß die betroffenen Tiere besser als bisher behandelt werden sollten!

Behandeln von Menschen und Tieren

Große Geister haben diese Erkenntnisse und Forderungen längst vorweggenommen. 


"Ich entsinne mich, dass ich während eines Urlaubaufenthalts 
von 1967 im russischen Wald bei Cavidovo zum ersten Mal eine 
solche 'Hühnerfabrik' gesehen und besucht habe und dass 
mein erster Eindruck - und er hat sich später nie geändert - der 
war: das muss für die armen Tiere ja schlimmer sein als was 
wir im Konzentrationslager die Jahre hindurch haben ausstehen 
müssen!" Martin Niemöller

„Seit ungefähr fünfzehn Jahren wird den Ethnologen in zunehmendem Maße bewußt, daß das Problem des Kampfes gegen Rassenvorurteile auf menschlicher Ebene ein viel umfassenderes Problem widerspiegelt, das noch dringender einer Lösung bedarf. Ich spreche von dem Verhältnis zwischen dem Menschen und anderen lebenden Arten. Es ist zwecklos, 
das eine Problem ohne das andere lösen zu wollen. Denn die Achtung gegenüber den eigenen Artgenossen, die wir vom Menschen erwarten, ist lediglich ein Einzelaspekt der allgemeinen Achtung vor allen Formen des Lebens." Claude Lévi-Strauss 

„Solange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben." 
Leo Tolstoi

Es gibt einen naheliegenden und bei Lichte besehen geradezu selbstverständlichen Zusammenhang zwischen unserem Umgang mit Tieren und unserem Umgang mit Menschen. Zwei vergleichsweise harmloses Beispiele mögen dies verdeutlichen: 

Ein Bauer hat eine Kuh, einen Esel und ein paar Hühner, mit denen er über Monate und Jahre „unter einem Dach" lebt und „zusammenarbeitet", indem er die Milch der Kuh und die Eier der Hühner verwendet sowie den Esel seinen Karren ziehen läßt. Sobald seine „Kameraden" ihm aber nicht mehr nützlich sind, erschießt er sie oder hackt ihnen den Kopf ab. 

Oder der übliche Umgang mit Gänsen, den ein Redakteur der „Salzburger Nachrichten" offenkundig auch noch ziemlich lustig findet: „Die Gänse folgen Tag für Tag dem Hüter voll Vertrauen ins Nachtquartier. Sie werden demnächst ebenso vertrauensselig wie ahnungslos hinter ihm zur Schlachtbank marschieren." 

Kann wirklich irgendjemand, der sich auch nur ansatzweise um ein unbefangenes Urteil bemüht, allen Ernstes glauben, daß ein solches treu- und herzloses Verhalten gegenüber Tieren ohne Einfluß auf den Umgang mit Menschen bleibt? „Ethik gegenüber dem Menschen und Roheit gegenüber den Tieren", schreibt Robert Jungk, „sind zwei Verhaltensweisen, die sich nicht vereinbaren lassen, denn Grausamkeit gegen Tiere geht nahtlos in Grausamkeit gegen Menschen über." 

Jüngste Forschungsergebnisse 

Der Zusammenhang zwischen Grausamkeit gegenüber Tieren und Grausamkeit gegenüber Menschen ist zwar seit langem bekannt, wurde aber erst in jüngerer Zeit wissenschaftlich 
erforscht. Im folgenden zitiere ich aus der Dissertation „Zum psychologischen Zusammenhang zwischen der Gewalt gegenüber Tieren und der Gewalt gegenüber Menschen" von Astrid Kaplan (Universität Klagenfurt, 2003). 

Kaplan zeigt, daß Gewalt gegenüber Tieren und Gewalt gegenüber Menschen oft gemeinsam auftreten und sich wechselseitig aufschaukeln. (S. 87) So haben etwa „alle Kinder, die in den letzten Jahren an den verheerenden Schulmassakern beteiligt waren, ... vorher an Tieren `geübt`." (S. 121) Eine US-Studie aus dem Jahre 1997 zeigt, daß Jugendliche, die wegen Tiermißbrauch verurteilt wurden, fünfmal (!) wahrscheinlicher Gewalt gegenüber Menschen ausüben. (S. 152) 

In einer Arbeit für die US-amerikanische Bundespolizei heißt es: „Mörder ... fangen oft damit an, als Kinder Tiere umzubringen und zu quälen." Fast alle Serienmörder haben Tiere gequält, 
bevor sie Menschen umbrachten. (S. 154) 

Beeindruckend und beängstigend sind auch die sozioökonomischen, „vernichtungstechnischen" und forschungshistorischen Zusammenhänge. Die Ausbeutung von Tieren war und ist das Modell und diente und dient als Inspiration für die Gräueltaten, die Menschen einander antun. 

 

Die Versklavung von Tieren („Domestikation") führt zur Versklavung von Menschen, die Fließbandschlachtung von Tieren zur Fließbandschlachtung von Menschen (Holocaust) geschlichtlich gesehen führte die Tierzucht zu Zwangssterilisation, Euthanasie und Genozid führte. 

Leider können diese Zusammenhänge und Entwicklungen hier nicht systematisch dargelegt werden, weshalb wir uns mit biographischen und psychologischen Splittern begnügen müssen:
- Der T4-Chefmanager (T4 steht für das 
NS-Euthanasie-Programm) Victor Brack hatte ein Diplom in 
Agrarindustrie der Universität München.
- Der Koordinator des Organisationsbüros für die Euthanasie 
behinderter Kinder, Hans Hefelmann, hatte ein Doktorat in 
Agrarwissenschaften.
- Bevor Bruno Bruckner im Tötungszentrum Hartheim arbeitete, 
war er Portier in einem Linzer Schlachthaus.
- Willi Mentz, ein besonders sadistischer Wärter in Treblinla, war 
vorher Melker. 
- Heinrich Himmler entschloß sich erst nach seinem 
kommerziellen Mißerfolg als Hühnerzüchter, Menschenzüchter 
zu werden. 
- Ulrich Graf, Hitlers persönlicher Leibwächter, war vorher 
Schlächter. 

In Robert Jay Liftons Buch „Ärzte im Dritten Reich" erläutert Der 
SS-Arzt Dr. B. den Prozeß der Anpassung an den Massenmord:

„Wenn Sie zum ersten Mal eine Selektion sehen .... ( ... ) Sie sehen, wenn Kinder und Frauen selektiert werden. Dann ist man so geschockt, daß man also ... das kann man nicht 
beschreiben. Und nach wenigen Wochen kann man es gewöhnen. Und das kann man ... niemand erklären. ( ... ) Das kann man nur erleben .... ( ... ) Aber ich glaube, ich kann Ihnen 
einen Eindruck verschaffen. Wenn Sie ... einmal in ein Schlachthaus gehen, wo Tiere geschlachtet werden. Es gehört auch der Geruch dazu ... nicht nur die Tatsache, daß die 
umfallen und so weiter. Sie werden wahrscheinlich kein ... das Steak schmeckt nicht mehr. Und wenn Sie es zwei Wochen lang jeden Tag machen, dann schmeckt Ihnen Ihr Steak so gut wie früher auch." 

Der jiddische Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, der im Holocaust viele Familienmitglieder, darunter seine Mutter und seinen jüngeren Bruder, verlor, schreibt im Vorwort zu einem Buch über den Vegetarismus (S. 232):

„Solange Menschen das Blut von Tieren vergießen, wird es 
keinen Frieden geben. Es ist nur ein kleiner Schritt vom Töten 
von Tieren zu den Gaskammern Hitlers und zu den 
Konzentrationslagern Stalins. ( ... ) Solange Menschen mit 
Messer oder Pistole dastehen, um jene umzubringen, die 
schwächer sind als sie, wird es keine Gerechtigkeit geben."

 

 

 

SPEZIESISMUS

 

„Wenn der Mensch den Tiger umbringen will, nennt man das „Sport“. Wenn der Tiger den Menschen umbringen will, nennt man das Bestialität.“ George Bernhard Shaw

 

Wie klug muss ein Schimpanse sein ehe es Mord ist, ihn zu töten?

 

 

Der Sozialisierungsprozess führt uns durch verschiedene Phasen hindurch: die Überwindung der Selbstjustiz, der Sklaverei, Menschenopfern, Kannibalismus und Hexenverbrennungen, die Einführung von Völkerrecht… und dem Akzeptieren, dass auch Tiere ein Recht auf Leben haben. Wir haben erkannt, dass Hautfarbe oder Geschlechtszugehörigkeit nicht Gründe zur Diskrimination sind, keine Rechtfertigung zur Ausbeutung darstellen.

Warum soll man jemanden quälen dürfen, töten und auffressen, nur weil er zu einer anderen Art gehört, eine andere Lebensform hat? 

 

Viele Menschen sind empört, dass man in China Hunde und Katzen isst – aber warum sollten Kühe und Schweine essbarer sein? 

 

Noch bis vor 120 Jahren gab es Sklaverei in Amerika, heute ist sie geächtet, einst waren Menschenrechte eine Minderheitenangelegenheit, heute sind sie, zumindest vom Anspruch her, universell. Bis in die 70 Jahre war Rassismus in den USA normal. Heute ist dies gesellschaftlich überwunden.
Das Kollektiv ist vernünftiger und moralischer als die Individuen, die es konstituieren. Und dies wird auch zur Verwirklichung von Tierrechen führen. 

 

Es ist eine irrationale Angelegenheit, wie wir mit Tieren umgehen. Wie ist es möglich, Tiere, zwischen denen keinerlei biologischer oder psychologischer Unterschied besteht, der rationalerweise als moralisch relevant bezeichnet werden könnte – zum Beispiel Hunde und Schweine -, einmal zu lieben und zu verhätscheln und das andere Mal zu quälen und zu töten?"

 

Tiere sind entweder geliebte Haus- und Kuscheltiere oder tauchen unter in einer anonymen Masse, die wir dann töten lassen und auf dem eigenen Teller aufessen. 

 

 Wenn es um das Recht geht, Leid zu vermeiden, ist es irrelevant, zu fragen, ob es sich um Schwarze, Weisse, Frauen oder Männer handelt. 

 

Jeremy Bentham schrieb 1781 in seiner „Introduction to the principles of morals and Legislation: “Die Franzosen haben bereits entdeckt, dass die Schwärze der Haut kein Grund dafür ist, ein menschliches Wesen schutzlos der Laune eines Peinigers auszuliefern. Es mag der Tag kommen, da man erkennt, dass die Zahl der Beine, der Haarwuchs oder das Ende des os sacrum gleichermassen unzureichende Gründe sind, ein fühlendes Wesen dem selben Schicksal zu überlassen. Was sonst ist es, das hier die unüberwindbare Trennlinie ziehen sollte? Ist es die Fähigkeit zu denken, oder vielleicht die Fähigkeit, sich zu äussern? Aber ein ausgewachsenes Pferd oder ein Hund sind unvergleichlich vernünftigere und verständigungsfähigere Wesen als ein Kind, das erst einen Tag, eine Woche oder selbst einen Monat alt ist.

Die Frage ist nicht: können sie denken? Oder: Können sie sprechen?, sondern: können sie leiden?“

 

Gewalt gegen Menschen - Gewalt gegen Tiere

Es gibt die strukturelle Ungerechtigkeit, die man nicht  hinter den Schutzschild "Das ist doch was ganz anderes!" zurückdrängen kann. 
 

Weshalb sollten äussere Merkmale bei dem ethischen Entschluss, Mitmenschen keinen vermeidbaren Schmerz zuzufügen, eine Rolle spielen?

Ganz einfach; weil sie völlig irrelevant sind. Frauen, Männer, egal welcher Rasse, können gleichermassen leiden. Schmerzempfindung wohnt nicht nur weissen Männern inne, sondern so gut wie jedem Lebewesen. Deshalb geht es beim Grundrecht der Leidensminderung nicht darum, was für eine Hautfarbe jemand besitzen würde. 

 

Im Speziesismus wird diese Frage konsequent weitergedacht: ist es denn relevant, ob das betreffende Lebewesen überhaupt ein MENSCH ist?

Wenn wir wirklich Leid verhindern wollen, ist da nicht die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, zentral? Und dabei ist es völlig irrelevant zu fragen, wie intelligent das Wesen sei oder welche Körperform es hätte. 

 

Speziesismus = Diskriminierung aufgrund der Spezieszugehörigkeit

(analog zu Sexismus = Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

 und Rassismus = Diskriminierung aufgrund der Rassenzugehörigkeit)

 

Sexismus, Rassismus und Speziesismus – bei allen dreien existiert eine willkürliche Diskriminierung der Interessen anderer. 

 

Inwieweit verdrängen wir die Tatsache, dass jahraus, jahrein Milliarden von Fischen so abgeschlachtet werden und in inwieweit übersehen wir die Schlachthöfe, hinter deren anonymen Mauern Massaker stattfinden -  natürlich alles gemäss EU-Richtlinien, die wir für ganz human halten.....

 

Auch ohne moralische Gleichsetzung von Hundshaien und Menschen darf man hier wohl an die Völkermorde in unserer Geschichte denken. 

„Solche Wesen sterben keine echten Tode, weil sie nie so gelebt haben wie wir. Wir haben die wahren Empfindungen und das subtile Einfühlungsvermögen, was sie doch nicht haben. Wenn dem wirklich so ist, warum können wir dann bewusst diesen Genozid an Tieren weiter täglich mitverursachen durch jeden einzelnen Fleischkonsum?? Leute wie wir haben die komplexen Nervensysteme, Erinnerungen und autobiographische Fähigkeiten - und anscheinend einen erschreckenden Sinn für Grausamkeit, den wir zivilisatorisch zu rechtfertigen suchen...

 

Fleischkonsum stellt einen Interessenskonflikt dar. Einerseits sind da die Menschen, die ihren Gelüsten nach schmackhaftem Essen nachkommen wollen und andererseits Tiere, die dafür ihr Leben lassen müssen.  

 

Es geht nicht um die Frage, ob Fleisch gesund sei oder nicht, nicht einmal darum, ob die Tierzucht ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, sondern allein um die Frage: können Tiere leiden? Denn dann haben sie auch ein Recht, nicht getötet zu werden – auch wenn der menschliche Gaumen nach ihnen verlangen würde.

 

Wir müssen uns gar nicht fragen, ob sie in den Himmel kommen können, ob sie Vernunft haben, ob sie sprechen, zählen oder abstimmen können, wir müssen uns nur die eine Frage stellen: „Können sie leiden?“ Und zu ihrem Unglück sind sie nur allzu leidensfähig. 

 

Leider verirren sich aber dabei Tiere auf unsere Teller und Speisepläne, oder mit den Worten Plutarchs ausgedrückt „zieren wir immer wieder unseren Tisch mit toten, verwesenden Körpern, die kurz zuvor noch geschrien und gebrüllt, sich bewegt und gelebt haben....“

Warum?

Jeder weiss, dass das Fleischessen mit dem Töten der Tiere verknüpft ist. Doch wer könnte schon dem vor Angst bebenden Rind den Todesstoss versetzen?

 

„Wer mit dem Messer die Kehle eines Rindes durchtrennt, und gegenüber den Angstschreien taub bleibt, wer kaltblütig das schreiende Böcklein abzuschlachten vermag, und den Vogel verspeist, dem er selbst das Futter gereicht hat – wie weit ist ein solcher noch vom Verbrechen entfernt? Oder was sollte sonst ein Verbrechen sein?“ (Phytagoras)

 

Wer liebt es zu töten? Warum esse ich bedenkenlos weiter? Nur weil es mir mundet? Weil mir ihr Fleisch schmeckt? Darf ich so bedenkenlos einfach über das Leben anderer verfügen?

Steht das Blutmeer in einem Verhältnis mit meinem befriedigten Gaumen? Warum steht auf dem Fleischpaket der Name der Kuh nicht mehr drauf? 

Woher aber nehmen wir das Recht, andere Lebewesen grausam auszubeuten, willentlich zu quälen und ihnen ein schreckerfülltes Ende zu bereiten, nur mit der Begründung, dass es uns schmeckt, dass wir es gerne tun? Könnte man mit dieser billigen Begründung nicht auch andere Gewaltverbrechen rechtfertigen? Was könnte ich nicht noch alles mit dem Argument rechtfertigen, nur dass es mir zur Zeit gerade angenehm erscheint? Würde aber irgendein Gericht der Welt eine solche Erklärung für einen Mord, eine Vergewaltigung oder eine Folter gutheissen? (Es hat dem Quäler Freude bereitet...) Hier geht es nicht um die absolute Gleichstellung von Mensch und Tier, aber um eine legitime Fragestellung.

 

Wir töten Tiere nur für ein paar Sekunden „Geschmack“ auf unserer Zunge. 

„Aus wie viel Marterstunden der Tiere lötet der Mensch auch nur eine einzige Festminute für seine Zunge zusammen!“

 

Der moralische Imperativ fordert, das Leid so gut wie möglich zu reduzieren. So muss ich mich ehrlich fragen, ob ich mir durch den Verzicht auf Fleisch wirklich grössere Leiden zufüge, als das von mir verspeiste Tier in einem angstvollen Schlachthaustod erdulden musste.

Und woher nehme ich mir überhaupt das Recht, das Leben eines Tieres auszulöschen, das aufs neue anzuzünden mir die Macht fehlt? Normalerweise töte ich ja nicht einmal selbst – ich lasse töten. Meine Nachfrage aber erzwingt ein Angebot...

 

Will ich weiterhin gedankenlos im Blute sterbender Kreaturen essen, und mich der stummen Bitten seitens der Tiere verschliessen? „Ich möchte nur leben“. 

 

 

Mut zur Konsequenz:


Vegetarische Ernährung

 

Das Wort „Vegetarier“ leitet sich ab vom lateinischen „vegetus“, was „unversehrt, gesund, frisch und lebendig“ bedeutet. Das Fleisch, das Menschen essen, ist entbeint, verdorben und tot.

 

Die Natur hat die Menschen mit einem Reichtum von Nahrungsmitteln zur vollwertigen Ernährung versehen, sodass man nicht angewiesen ist, Tiere zu verspeisen. Diese Art der Ernährung würden wir verabscheuen, hätten wir uns nicht seit Generationen durch Brauch und Sitte an die makabere Praktik gewohnt, aus unseren Mägen Gräber für tote Tierkörper zu machen.

 

„Welch’ abscheuliches Verbrechen ist es, Eingeweide in Eingeweiden zu begraben.“ Pythagoras

 

„Ihr nennt Raubtiere – Löwen, Tiger und Schlangen  - gefährlich, während ihr selbst eure Hände mit Blut besudelt und ihnen in keiner Art der Grausamkeit nachsteht. Und doch ist das Töten für sie das einzige Mittel zu überleben, während es für euch ein überflüssiger Luxus ist. Warum tut ihr so, als ob die Erde nicht imstande wäre, euch zu erhalten und zu ernähren?“ (Plutarch, 70 n.Chr)

Wenn jeder Mensch, der Fleisch essen will, die Tiere selber schlachten müsste, könnten die wenigsten überhaupt noch Fleisch verzehren. Dies zeugt noch von einer gewissen Grundmoralität im Charakter des Durchschnittsmenschen. Die meisten Fleischesser würden zur vegetarischen Lebensweise übergehen, wenn sie sich Fleischnahrung nur dadurch verschaffen könnten, dass sie selber die Tiere schlachten, ihnen die Gedärme aus dem Bauch nehmen und die Tierleichen zerstückeln. Alle Fleischesser aber, welche eingestehen, dass sie aus ethischen Gründen zu solchem Mord unfähig wären und Abscheu dagegen empfänden, sprechen sich damit selber das Recht zum Fleischessen ab. Arbeitsteilung ist zwar notwendig; aber wenn ein Mensch eine Arbeit deshalb nicht ausführen will, weil sein ethisches Gefühl sich dagegen sträubt oder weil er sich vor der abstumpfenden (denn infolge der Gewöhnung an die Verursachung der rohen Handlung des Schlachtens, stumpft das Fleischessen das Mitleid und das Gerechtigkeitsgefühl ab) Wirkung dieser Arbeit schützen will, so handelt er ungerecht, wenn er andere Menschen veranlasst, sie auszuführen. 

 

Nun werden einige einwenden: "Aber ich als einzelner kann ja doch nichts verändern oder bewirken. Wenn ich aufhöre, Fleisch zu essen, so nützt das den Tieren gar nichts, weil die anderen weiter Fleisch essen werden. Mein Nichtfleischessen fällt doch überhaupt nicht ins Gewicht!"

Dies ist, moralisch gesehen, eigentlich eine merkwürdige Argumentation. Bedenken wir: Jeden Tag verhungern auf der Welt Tausende von Menschen. Jeden Tag werden Tausende von Menschen umgebracht. Wenn ich jetzt auch noch einen umbringen würde, so fiele das auch nicht ins Gewicht! Im praktischen Leben denken und handeln wir nicht so. Mehr noch: Eine solche "Rechtfertigung" erschiene uns völlig abwegig. Warum sollte das in bezug auf unseren Umgang mit Tieren anders sein?

 

„Sie haben soeben zu Mittag gegessen; und wie sorgfältig auch immer das Schlachthaus in einer taktvollen Entfernung von einigen oder mehreren Kilometern verborgen sein mag: sie sind mitschuldig.“ Ralph Waldo Emerson

 

„Gerechter Gott! Aus wie vielen Marterstunden der Tiere lötet der Mensch eine einzige Festminute für seine Zunge zusammen!“ Jean Paul (1763-1825)

 

Wer weiterhin Fleisch isst, tut dies nicht, weil er nicht weiss, was er damit Tieren antut, sondern weil er es nicht wissen will- weil es ihm einfach egal ist.

Je grösser das Wissen eines Menschen um ein Verbrechen, das er duldet, ist, desto roher und abgestumpfter wird er.

 

Im Mai 2003 gab es einen Aufschrei der Empörung als ein dänischer Künstler die Besucher einer Ausstellung einlud, lebende in einem Mixer schwimmende Goldfische zu zerhacken. Man brauchte nur auf den Knopf zu drücken. Er erhielt eine Geldstrafe wegen Tiermisshandlung. 

Der Zynismus rechtfertigt die Massentötung für unseren Verzehr, aber irgendwie scheint der Gedanke, Tieren das Recht auf Leben zuzugestehen eben doch nicht ganz verdrängbar zu sein. Nun ist man empört über ein zerhackter Goldfisch – und übergeht die Tausenden von Kühe, die täglich verspeist werden...

 

Das Bewusstwerden einer Grausamkeit ist vielleicht ein erster Schritt derer Überwindung. Wir essen die Tiere aus Gewohnheit, und die Einzelschicksale werden aus dem Bewusstsein evakuiert. Der Verzehr unserer Mitgeschöpfe ist ein toleriertes Verbrechen.

Aber: Wo Recht zu Unrecht degradiert, wird Widerstand Pflicht.

 

Aber die Tiere fressen sich doch auch; wieso sollte dies denn uns vorenthalten sein?

 

Es ist interessant, dass genau diejenigen, die immer wieder des Menschen Sonderstellung betonen (Krone der Schöpfung, Gottesebenbildlichkeit, Vernunftbegabtheit) beim Fleischessen plötzlich ihre Ähnlichkeit mit den Tieren betonen. 

Aber unter zivilisierten Menschen gilt nicht das Recht des Stärkeren. Nicht das Können zählt, sondern inwiefern ich die Handlung verantworten kann. Nicht die Machbarkeit, aber die Gerechtigkeit

Tiere können nichts, was sie nicht dürfen, der Mensch aber sehr viel. Tiere können deshalb nicht unsere moralischen Vorbilder sein, weil sie gar nicht moralisch handeln können. 

Mit dem Argument, dass sich Tiere unter sich manchmal töten, könnten wir uns ja auch dafür einsetzen, dass Frauen ihre Männer, Eltern ihre Kinder und wir alle unsere Fäkalien essen, da Spinnen, Bären und Schweine manchmal dergleichen tun.

Kann man unser millionenfaches Abschlachten mit dem Argument rechtfertigen, dass es gewisse Tierarten aus einer Überlebensnotwendigkeit heraus tun? Und wir tun es ja nur, um den Geschmacksknospen im Gaumen einige Reize zu verleihen.

 

Aber wir haben doch schon immer Fleisch gegessen…

 

Ein Fehler bleibt auch dann ein Fehler, wenn ich ihn für Tausende von Jahren begehe. Die Beständigkeit in meiner Fehlhaftigkeit macht nicht ein Unrecht zu einem Recht, nur weil ich mich nun an das Fehlverhalten gewöhnt habe und die ethischen Bedenken aus meinem Leben evakuiert habe. Ein Unrecht bleibt auch dann ein Unrecht, wenn es alle verüben und wird deshalb nicht plötzlich gerecht, nur weil es gesellschaftlich anerkannt ist. Wieso sollten wir uns dann gegen Kriege einsetzen, die es ja auch schon seit „immer“ gab? 

 

Ästhetik

 

Eine Schale mit Früchten ist von Natur aus ein Genuss für das Auge, während der Geruch und Anblick toter und verwesender Tiere den meisten Menschen tiefst zuwider ist. Frisches Gemüse oder Früchte bedürfen keiner Verschönerung und können ohne Bedenken, so wie sie sind, auf den Tisch gestellt werden. Aber beim Kadaver einer Kuh kann ich das nicht tun – er bedarf der geschickten Hand eines Metzgers, um sein wahres Aussehen und vor allem seine Herkunft zu verbergen. Diese beschönigende Verschleierung drückt sich auch in der Sprache aus: ein Steak ist ein Muskel, Chateaubriand ein Stück aus dem Rücken eines Kalbes und Rocky-mountain Austern sind nicht anderes als Schweinehoden... Diese Euphemismen dienen dazu, einem die brutale Realität der Herkunft und Identität der verspeisten Tiere vergessen zu lassen. 

„Ich esse Fleisch“ – das klingt so harmlos verdinglicht. Der Vorgang, der mir das Fleisch verschafft, ist der grausame Akt des Tötens, der sich in diesem heruntergeschluckten Bissen leiblicher Faser manifestiert. Fleischvertilger leben vom täglichen Sterben ihrer Nächstverwandten. Genauer gesagt vom nächtlichen Sterben, denn geschlachtet wird nachts. Die Menschen haben eben doch ein schlechtes Gewissen, so fliessbandrollend zu töten. Das Geächze und Geschreie ihrer lieben Mitlebenden zu hören würde den Zusammenhang zwischen deren Angst und Not und dem heruntergeschlungenen Rinderschmorbraten wiederherstellen.

 

Je wehrloser ein Wesen ist, gegen das ein Mensch Unrecht verübt, desto mehr stumpft er sein Gerechtigkeitsgefühl dabei ab.

„Wage es, weise zu sein! Höre auf, Tiere zu töten! Wer die Stunde des rechten Lebens hinausschiebt, gleicht dem Bauern, der darauf wartet, dass der Fluss versiegt, ehe er ihn überquert.“  Horaz (65 v. Chr.) 

 

 

Vom Recht des Stärkeren zur 

Verantwortung des Stärkeren

 

Wir leben zwar", schreibt Alexander Solschenizyn, "im Computerzeitalter, aber noch immer nach dem Grundgesetz der Steinzeit: Wer den grösseren Knüppel schwingt, hat auch recht. Bloss wahrhaben wollen wir es nicht."

Wir müssen vom sogenannten "Recht des Stärkeren", das, eingestanden oder nicht, de facto unser Handeln bestimmt, zum Prinzip der „Pflicht des Stärkeren“ kommen. Aus der „Berechtigung“, den Schwächeren auszubeuten, muss die Verpflichtung werden, den Schwächeren zu beschützen - und zwar nicht nur formal und auf dem Papier, sondern tatsächlich und tagtäglich. 

Wir können uns auf das „Recht des Stärkeren“ berufen, aber wir müssen nicht. Genau damit verliert es für den Menschen jene Verbindlichkeit, auf die man sich berufen wollte. Es wird zu einer Entscheidungsmöglichkeit unter vielen. 

Aus der Natürlichkeit des „Recht des Stärkeren“ folgt nicht seine moralische Richtigkeit. Überlegenheit gibt zwar Macht, aber nicht ethisch begründetes Recht. 

Schlachthofbesuch

Im Schlachthaus, wo die Schmerzensschreie der unschuldigen Opfer menschlicher Genusssucht in unser Herz eindringen, muss man sich ehrlich und aufrichtig die Frage stellen, ob man durch Fleischkonsum weiterhin Auftragsgeber des Tötens bleiben möchte?

 

Kurz hinter der Hygiene-Schleuse schlägt einem der intensive Gestank getöteter Tiere entgegen…. Ein älterer Herr auf der Schlachthof-Führung musste sich in die Darmwanne übergeben. Wir erhalten die Anweisung, flach zu atmen, damit der Geruch des Todes nicht den Würgreiz auslöst. Seit drei Uhr morgens treiben Bauern Tiere über die Rampe in den grellgrünen Stall. Es ist unerträglich laut vom Brüllen, Schreien und Stampfen der Tiere, die ihr Schicksal genau kennen…. Sie können sich nicht wehren, sie können nicht mehr fliehen. Das Licht soll gedämpft sein, die Farben beruhigend. Inmitten der fahlen Beleuchtung stehe ich nun – hilflos neben meinen Freunden - und mit ihnen geschieht in den nächsten Minuten das Unfassbare. Es sind geschundene Kreaturen menschlicher Essenslust. Ich fühle Empörung über die Gier und Anmassung des Menschen….

 

Die letzten Minuten ihres Lebens verbringen Rinder einzeln fixiert in Boxen. Unendliche Verzweiflung ist in ihre Augen geschrieben. „Bitte hilf mir!! Steh nicht einfach tatenlos da Was habe ich euch angetan? Warum sollte ich weniger Recht auf Leben haben wie du?“ 

Hilflos stehe ich mit grossem Herzweh nebenbei. 

Dem panikerfüllten Warten des braunen stämmigen Jungstiers in der Todeszelle setzt ein junger Mann ein Ende. Er tippt die Nummer in den Computer, lädt die Bolzenschussmaschine und drückt sie dem Stier auf die Stirn. Immer noch hoffe ich auf Wunder. Es darf doch nicht geschehen…

Aber es geschieht tagtäglich. Tausende unschuldige Opfer – nur aus einer Begründung: weil an fein gedeckten Tischen Leute sitzen, die nun einfach einmal Lust haben, sie zu verspeisen.

„Warum?“

Das wunderschöne Tier macht verzweifelt seinen letzten Versuch der sinnlosen Grausamkeit zu entkommen. Es wirft seinen Kopf hin und her, will ausweichen, kann aber nicht, da es in der Todesbucht festklemmt. Resigniert schauen die angsterfüllten wunderschönen riesigen Augen auf mich und wartet ohnmächtig auf den Knall. Ein Bolzen schiesst sich 8mm ins Hirn des Tieres.

Der Knall ist dumpf… der riesige Leib fällt in sich zusammen.

 

Ich stelle dem Schlächter die Frage, ob er das gerecht fände und was er dabei denke. Die Antworten sind knapp, „keine Ahnung“, „ja, an nichts“.

 

Vor dem nächsten Schuss schaut er mich an als wollte er mir sagen: „Stör mich nicht in meinem Job – ich töte im Auftrag jedes einzelnen Fleischessers“

 

Das im besten Fall bewusstlose Rind stürzt in die Tötungsbucht. Ein Mann, dem das Blut in verzweigten Rinnsalen über die Plastikschürze fliesst, nimmt das Tier in Empfang und legt ihm eine Kette an den Fuss. Der massige Körper schnellt in die Höhe, und kopfüber gondelt es strampelnd in den Tod. Einige Tiere sind dabei noch bei vollem Bewusstsein.

Mit langer Klinge schneidet der Anstecher die Hauptschlagader des zuckenden Tieres. Ich starre traurig ins Rot, das sich wie ein breiter Strom unter dem Tier in einem Becken sammelt. Unwirklich grosse ausblutende Tierleiber, die riesigen grauen Zungen hängen aus den offenen Mündern, segeln am Förderband auf mich zu und reissen mich aus meiner Erstarrung. 

 

Weiter hinten stehen Männer blutüberströmt, die mit stoischer Miene und grimmigem Gerät die Tiere öffnen. Einer zwackt mit einer überdimensionierten Gartenschere Ohren und Hörner ab. Der Kopf wird abgeschlagen…. Die blutigen, abgetrennten Köpfe der Kühe hängen zu Dutzenden auf Stahlhaken – Trophäen unserer Barbarei – und nicht viel erinnert daran, dass dies vor kurzer Zeit lebendige, sensible Gesichter waren, die mich mit wunderschönen Augen flehend anschauten. Eine Frau zieht ihnen mit Hilfe einer Maschine die Haut ab. 

Die nackten Rinderkörper rücken am Laufband weiter. Erhöht auf einer Gitterplattform stehen Männer und sägen an den immer kleiner werdenden Tierleichen herum. Es hat sich ein Übergang vollzogen… vom Tier zum Fleisch.

Das Unfassbare ist geschehen. Die Erde beschwert von einem nie wieder rückgängig machbaren sinnlosen Tod. 

Fleisch ist ein Stück Lebenskraft; solange es lebt!

 

An allem Verbrechen sind nicht nur die schuld, die es verüben, sondern auch die, die es nicht verhindern.

Wenn man sich nicht wehrt, erteilt man damit dem Status quo seinen Segen, und das stellt bereits eine Entscheidung dar.

Die Billigung eines Verbrechens ist genauso ein Verbrechen wie das Verbrechen selbst. 

Es ist ein fataler Fehler, nichts zu tun, weil man glaubt, nur wenig tun zu können.

Sich nicht zu engagieren ist auch ein Votum – nämlich für die bestehenden Zustände. 

Abraham Lincoln sagte einmal: „Damit ein Unrecht geschieht, brauchen nur genügend gute Leute nichts tun.“

    

Martin Luther King ruft seinen Gegnern zu: 

„Werft uns ins Gefängnis, wir werden euch trotzdem lieben! Wir werden so lange an euer Herz und an eure Seele appellieren, bis wir auch euch gewonnen haben.“

In diesem Sinne ist auch dieser Aufruf zu verstehen. Eine Fürbitte für die Tiere, ein Aufruf aufzuhören, sie zu verspeisen.

Jeder Bissen Fleisch ist direkter Auftrag für das Töten derjenigen, die einem lebendig auf der Weide so viel Freude schenken, die genauso ein Anrecht auf Leben haben wie wir.

 

„Wirklich, während die Erde, die beste aller Mütter, so grosse Schätze gebieret, hast du nur Freude mit grimmigem Zahne düstere Wunden zu kauen, barbarischen Brauch zu erneuern? Dies wagt ihr zu essen, ihr sterblichen Menschen, so mächtig hungert euch nach der verbotenen Speise. O tut es, ich bitte euch, tut es nicht! O öffnet die Herzen den mahnenden Worten! Wenn ihr den Gaumen lechzt an den Gliedern erschlagener Ochsen, wisst: ihr kaut eure eigenen Ackerbauern.“ (Ovid in seinen „Metamorphosen“)

 

„Wie konnten sie sich solch’ eine Beschäftigung aussuchen?“ fragte ein entsetzter Zuschauer einen Arbeiter im Zürcher Schlachthof. „Wir tun nur die Dreckarbeit für sie, mein Herr“, war die Antwort, die ihn zum Schweigen brachte.

 

Weil die barbarische Brutalität unseres Umgangs mit Tieren noch nie so offenkundig war, waren auch Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit des Nichtwissens um diese Brutalität noch nie so gering. Wer weiterhin Fleisch isst, tut dies nicht, weil er nicht weiss, was er damit Tieren antut, sondern weil er es nicht wissen will- weil es ihm einfach egal ist. Je grösser das Wissen eines Menschen um ein Verbrechen, das er duldet, ist, desto roher und abgestumpfter wird er. Viele Pazifisten bestätigen, dass diese Indifferenz den Leiden anderer gegenüber schon mehr Opfer erzeugt hat, als der rohe Zorn oder die Gewaltsucht. 

Enge Beziehungen zwischen Menschen und Tieren sind ja alles andere als selten. Man liebt sein Haustier innig. Ist es nicht inkonsequent, EIN Tier zu hätscheln, während man andere, die genauso sensibel sind und die einem ebenfalls „überhaupt nichts getan haben", aufisst und zulässt, ja sogar veranlasst, dass sie zu Tode gequält werden? 

Tierschutz heute

 

Der SS-Mann Ernst Göbel, der Kindermordaktionen leitete, missbilligte die Brutalität, mit der einer seiner Schergen – ein Mann namens Abraham – Kinder tötete. „Einige Kinder fasste er an den Haaren an, hob sie vom Erdboden ab, schoss ihnen in den Hinterkopf und warf sie dann in die Grube.“ Göbel sagte, nach einer Weile habe er das nicht mehr mitansehen können und ihm gesagt , er solle  das sein lassen. Damit meinte ich, er solle die Kinder nicht an den Haaren hochheben, er solle sie anständiger töten. (D. Goldhagen „Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“)

 

Das spiegelt vieles von dem wider, was das heutige Verständnis von Tierschutz darstellt. 

 

Das Problem ist nicht das Quälen und Umbringen, sondern das technische Niveau, auf dem es stattfindet! Das ist so, wie wenn man Folter und Todesstrafe nicht abschaffen wollte, sondern sich lediglich dafür engagierte, dass sie in moderneren Anlagen stattfinden!

 

Diese Menschensicht hat eklatante Unvereinbarkeiten, Heuchelei zur Folge: "Meine Katze, mein Hund liebe ich so". Es sind Individuen zu denen man ein persönliches Verhältnis hat. Doch die Anonymität der verspeisten Opfer macht einen unsensibel für ihre Schmerzens-Schreie.

 

Einen Menschen zu quälen, zu foltern, ihn hungern zu lassen und ihn schliesslich zu töten, ist grausam. Einen Menschen in ein „artgerechtes“ Zimmer zu stecken, ihn mit Fernsehen, gutem Essen und mit Büchern zu versorgen, um ihn dann nach einer kurzen Frist ebenso zu töten – ist genau gleiches Unrecht – einfach nur die Inszenierung ist weniger grausam (aber vielleicht noch heuchlerischer?)

 

Humanes Töten

 

Der Versuch, das Töten „humaner“ zu gestalten, gehört zu den typischen Merkmalen von Tötungsaktionen und entbehrt nicht einer gewissen bitteren Ironie. Mit „human“ meinen die Täter, dass die Morde effizienter vonstatten gehen und weniger belastend für die Mörder sind. 

 

Wer „human“ tötet, behauptet oftmals, die Opfer litten dabei wenig oder gar nicht. Diese Behauptung hilft, die Schuldgefühle zu lindern und macht das Weitermorden akzeptabler. 

 

In dem politischen Testament, das Hitler am Tag vor seinem Selbstmord in seinem Berliner Bunker schrieb, sprach er von der „humanen“ Methode, die bei der Vernichtung der Juden angewandt worden sei. 

Die Humanität der Vernichtungsprozesses war ein entscheidender Faktor seines Erfolges. So wurde diese „Humanität“ nicht zum Vorteil der Opfer, sondern allein zum Wohle der Täter entfaltet. 

 

„Der Tag wird kommen, an dem das Töten eines Tieres genauso als Verbrechen betrachtet werden wird wie das Töten eines Menschen." (Leonardo da Vinci) 

 

Parallelwelt

 

Erstens existieren zwei Parallelwelten: Einerseits unsere  („westliche") Welt der Menschen, in der es heute, historisch  betrachtet, extrem ruhig und zivilisiert zugeht. Andererseits die Höllenwelt der Tiere in Schlachthöfen, Versuchslabors usw. Und zweitens wissen die Menschen über diese parallele  Höllenwelt für Tiere genau Bescheid. Berichte und Bilder über sie finden sich schliesslich täglich in der Zeitung. 

Nun könnte man sagen: Gut, interessant, aber etwas Neues ist das nun eben nicht. Denn zu unserer vergleichsweise  paradiesischen „westlichen" Menschenwelt gibt es ja nicht nur eine parallele Höllenwelt für Tiere, sondern auch eine parallele  Höllenwelt für Menschen: zum Beispiel in Afrika und Asien, auch hier passieren tagtäglich schreckliche Dinge und auch dies ist  uns wohl bekannt. 

Einen entscheidenden Unterschied zwischen der parallelen  Hölle für Menschen und der parallelen Hölle für Tiere gibt es aber schon: Die Schreckensorte der Menschen sind in aller Regel geographisch weiter entfernt und zweitens gibt es für uns  kaum Verhaltensweisen, mit denen wir diesen gequälten Menschen direkt und sicher helfen könnten – weil die 
Wirkzusammenhänge vielschichtig und unsere Einflussmöglichkeiten vage sind.

Das ist bei den Schreckensorten der Tiere ganz anders, die sind mitten unter uns: Schlachthöfe und Versuchslabors befinden sich in unserer unmittelbaren Umgebung. Und der Zusammenhang zwischen unserem Verhalten und dem Schicksal dieser Tiere ist zumindest teilweise extrem direkt und einsichtig: Jedem Fleischesser muss etwa einleuchten, dass es 
einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen den Tieren auf seinem Teller und den Tieren im Schlachthof! 

Der Schluss liegt also nahe: Die Menschen, denen es gut geht, rühren vor allem deshalb keinen Finger für diejenigen, denen es schlecht geht, weil Ihnen deren Schicksal schlicht egal ist. 

Wenn das Foltern und Morden in ihrer unmittelbaren Nähe stattfindet, und man es eigentlich weiss oder zumindest ahnt – und untätig bleibt… was ist das für ein Mensch? 

Der Gedanke, dass das, was wir gerade genüsslich in unserem Mund kauen, vor einiger Zeit ein lebendiges Wesen mit Fleisch und Blut war, wird von den meisten Fleischessern verdrängt. Wäre sich ein Mensch voll darüber bewusst, könnte er kaum mehr Fleisch essen. Schlagartig würden die meisten Konsumenten eine natürliche Abscheu vor dem Schlachtprodukt Fleisch entwickeln. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden mit einem Kind einen Schlachthof und danach einen Bio-Garten besuchen. Jedes Kind würde sofort erkennen, was für den Menschen die natürliche Nahrungsquelle ist.

 

Fleisch muss deshalb in einer Form präsentiert und serviert werden, die die Assoziation zum lebendigen Tier verschwinden lässt. So sehen die Endprodukte aufgrund der Bearbeitung nie wie echte Leichenteile aus, denn sie werden auf verschiedenste Weise bearbeitet, gefärbt, gepökelt usw. Sogar die Form muss durch Eingeweideentfernung und Zerschneiden verfremdet werden, bis hin zur Umwandlung in Wurst, "Fleischkäse" usw.

 

Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi (1828-1910) war ein überzeugter Verfechter des Vegetarismus. Er sagte: "Fleischessen ist ein Überbleibsel der grössten Rohheit; der Übergang zum Vegetarismus ist die erste und natürlichste Folge der Aufklärung. Vegetarismus gilt als Kriterium, an welchem wir erkennen können, ob das Streben des Menschen nach moralischer Vollkommenheit echt und ernst gemeint ist."

 

Alexandra Tolstoi, die Tochter Leo Tolstois, erzählt in ihrem Buch "Tolstoi -- Das Leben meines Vaters" folgende Anekdote: "Meine Tante liebte das Essen, und wenn man ihr nur Vegetarisches anbot, entlud sich ihre Entrüstung mit der Äusserung, dass sie nicht jeden alten Dreck essen würde. Daraufhin verlangte sie nach Fleisch, vorzugsweise Geflügel. Als sie uns das nächste Mal zum Abendessen beehrte, war sie erstaunt, ein lebendes Huhn festgebunden auf ihrem Platz vorzufinden.

Auf ihrem Teller lag ein grosses Messer.

"Was soll das?", fragte sie.

"Du wolltest Huhn", sagte Tolstoi, der kaum in der Lage war, seine Erheiterung zu verbergen. "Keiner von uns will es töten. Also haben wir alles vorbereitet, damit du es selbst tun kannst."

 

Eine Frau, die in Holocaust alle Angehörigen verloren hatte, betrat eine Tierhandlung, um Vogelfutter zu kaufen, und da es Winter war, trug sie ihren Kaninchenfellmantel. Als sie an einem Kaninchenkäfig stehen blieb, um ein paar Zwergkaninchen zu streicheln, hörte sie hinter sich eine Frauenstimme, die sehr laut sagte: „Finden sie es nicht heuchlerisch, dieses Tier zu streicheln, wenn du dabei seine ganze Familie am Leib trägst?“

 

In diesem Zwiespalt leben die fleischessenden Tierfreunde… einerseits liebt man die Tiere, erfreut sich an ihnen, und andererseits ist man durch den Fleischkonsum Auftraggeber für ihre Tötung. 

 

 

Nachhall

Ein totes Rind oder Schaf auf der Weide gilt als Kadaver. Dasselbe Aas, zerlegt und auf dem Teller liegend, wird als Nahrung bezeichnet. 

 

Man kann nicht einerseits etwa Menschenrechte fordern und andererseits Tierrechte mit Füssen treten. 

Wer früher nicht wissen wollte, was in KZs mit Juden geschah, war ein feiger Mitläufer. Wer heute nicht wissen will, was in KZs mit Tieren passiert, ist ein egoistischer Mittäter. Am moralischen Stellenwert des Nicht-wissen-Wollens hat sich nichts geändert.

 

Viele denken, dass ihre Entscheidung zur vegetarischen Lebensweise ja nichts bewirken würde. Ganz abgesehen, dass der Vegetarier seine Komplizenschaft  von Tiermorden beendet, braucht diese Welt das mutige und konsequente Eintreten Einzelner für Ideale, die vom Gewissen her als richtig verstanden werden. Das ist unerlässliche Voraussetzung für jede grundlegende Veränderung und Entwicklung. 

Alle grossen Verbrechen in der Weltgeschichte funktionieren nur durch die vielen kleinen Mitläufer, die sich vor der persönlichen Verantwortung drücken und deren „Rechtfertigung“ immer dieselbe ist: „Was hätte ich alleine tun können?“ Auf mich kommt es doch gar nicht an.

 

Solidarität bezeichnet das Zusammengehörigkeitsgefühl mit allem Lebendigen. Der Mensch lebt nicht allein. Er ist auf  das Gegenüber bezogen. Da sind Tiere miteingeschlossen.

Solidarität verpflichtet uns, uns für das Gemeinwohl aller einzusetzen. Solidarität ist immer universal.

Solidarität schliesst alle Wesen mit ein, gerade die Unterdrückten und Wehrlosen – und dazu gehören die Tiere.

 

Solidarität möchte uns befreien von der Blindheit, mit der wir über die Not anderer hinwegsehen. Sie möchte uns sensibilisieren für die Brüder und Schwester neben uns. Sie weckt in unserem tiefsten Innern das Bewusstsein, dass wir um Grunde zusammengehören, dass wir einen gemeinsamen Ursprung haben, dass wir monogen sind, aus Gott geboren, verwandt.

Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: 'Nein!'"

 

Wer die Wahrheit nicht weiss, ist ein Dummkopf. Aber wer sie weiss und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher. Wenn die Wahrheit zu schwach ist sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen."

Bertolt Brecht

 

Viele Dinge werden nicht getan, weil sie unmöglich scheinen. Viele Dinge scheinen unmöglich, weil sie nicht getan werden.

Man erzähle den zukünftigen Generationen nicht, man hätte von all dem nichts gewusst…..

 

"Keine Schneeflocke in der Lawine wird sich je verantwortlich fühlen."

Wir müssen Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Schweigen ermutigt den Folterknecht, niemals den Gefolterten.

 

Es ist erschreckend, dass nur wenige Menschen bereit waren, den Juden während des Holocaust zu helfen, und dass ihr Leben einfach weiterging – auch als die Asche der verbrannten Juden aus den Schornsteinen der Krematorien auf ihre nahe gelegenen Städte regnete.

 

Inmitten unserer hoch entwickelten westlichen Kultur, inmitten all den strahlenden Monumenten unserer Geschichte, Kunst, Religion und Wissenschaft, gibt es die dunklen Bereiche. Das sind die Tierfabriken und Schlachthöfe – gesichtslose, geschlossene Bereiche, in denen die Gesellschaft ihr schmutziges Geschäft der Misshandlung und Ermordung unschuldiger, fühlender Wesen abwickelt. Das sind unsere Dachaus, unsere Buchenwalds, unsere Treblinkas…..Wie die braven deutschen Bürger haben wir eine ziemlich gute Vorstellung davon, was dort geschieht, aber wir wollen es lieber nicht so genau wissen….. 

Genau das macht unsere Komplizenschaft noch gemeiner.  

 

Wir sind Mitglieder einer Gesellschaft, die schon seit langer Zeit einen täglichen Holocaust an Tieren verübt. 

Du sollst kein Täter sein; du sollst kein Opfer sein; du sollst aber auch kein Zuschauer sein. 


Den Vegetarismus auch aktiv zu lehren bedeutet Einsatz für Gerechtigkeit: es ist die Identifikation mit den Machtlosen und Verwundbaren, den geknechteten und unterdrückten Opfern. Sofern wir nicht an den faschistischen Grundsatz glauben, dass Macht vor Recht geht, haben wir kein Recht, unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, Schaden zuzufügen und ihre Körper zu essen.

Wie lange will man das Inferno ansehen und schweigen?

 

Was haben die Tiere getan, das sie dies verdient hätten? 

 

Fleischessen ist eine grässliche Form des Vergnügens –und ist die Geschichte noch nicht Mahnmal genug? Was ist das für ein Vergnügen, wenn man nachdenkt, wie Fleisch zu Fleisch wurde?

Unser Glück darf nicht auf dem Unglück anderer beruhen. 

 

Beim Betrachten von Würsten in einem Schaufenster sprach ich zu ihnen: 

„Ihr seid einmal lebendig gewesen, ihr musstet leiden, aber jetzt habt ihr ausgelitten. 

Gibt es irgendwo im Kosmos eine Gedenktafel, auf der von euch steht?

Man erkennt eure ursprüngliche Form nicht mehr, verwischt ist das schwerzerfüllte Gesicht. Vielleicht seid ihr noch gefüllt von der Angst und dem Schrecken eurer Vergangenheit?

Dass ihr vor kurzem ein fühlendes Wesen gewesen wart, will niemand mehr wissen….

Unsere Lust, Fleisch zu essen, hat euch so verformt…..“

 

 

Ein fühlender und denkender Mensch sollte doch zum Schluss kommen, dass man nicht friedfertig sein kann, wenn man gleichzeitig andere Lebewesen tötet, dass man nicht für Gerechtigkeit sein kann, wenn gleichzeitig Wesen, die schwächer sind als man selbst, zur Schlachtbank führen und sie quälen und morden lässt – durch das Essen von Fleisch.

 

Wie kann man empört sein gegen das Blutvergiessen in der Welt und andererseits am Blutvergiessen selber beteiligt sein indem man sich nicht aktiv dagegen wehrt?


Wie kann man an Mitgefühl und Gerechtigkeit glauben während man gegenüber den Tieren genau das Gegenteil praktiziert, bloss weil sie schwächer und weniger intelligent sind?

 

Wer Fleisch isst oder auf die Jagd geht, erklärt sich mit der Grausamkeit der Natur einverstanden und mit jedem Bissen Fleisch oder Fisch, das er isst, erklärt er: Wer die Macht hat, hat das Recht. 

Vegetarismus ist der Ausdruck des Protestes gegenüber dieser Haltung. 

 

Die Fleischindustrie ist ja nicht der einzige Bereich, in dem Dinge, die wir verurteilen, geschehen. Beim Wettrüsten war es beispielsweise genauso. Was haben wir da gemacht? 

Wir haben dagegen demonstriert! Fleisch zu verweigern, ist auch eine Art Demonstration. Wir zeigen damit, dass wir es falsch finden, unschuldige, leidensfähige Lebewesen für so triviale Zwecke wie unsere Geschmacksvorlieben zu quälen und umzubringen. Fleisch zu verweigern, ist hier aber nicht irgendeine Demonstration, sondern die einzig glaubwürdige und daher die einzig erfolgversprechende Demonstration.

 

Mit der Gleichgültigkeit der Menschheit gegenüber den Tieren wird es wahrscheinlich nicht so bald vorbei sein, aber es ist wichtig, dass es Menschen wie dich gibt, die ihren tief empfundenen Protest gegen das Töten und Quälen der Hilflosen artikulieren.

 

Vor 130 Jahren haben wir geschwiegen beim Sklavenhandel, weil es „nur“ Schwarze waren. Vor 60 Jahren haben wir geschwiegen, weil es „nur“ Juden waren. 

Wollen wir heute weiter schweigen, weil es „nur“ Tiere sind?