Das Risiko wagen


Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür sind Schiffe nicht gebaut. (William Shed)

 

Das Bedürfnis nach Sicherheit ist eine der Hauptmotivationen menschlichen Handelns.

Im Streben nach Geld, für das die Menschen den grössten Teil ihres Lebens hergeben, lebt der Gedanke der Absicherung. Man sucht einen sicheren Arbeitsplatz und möchte sich absichern gegenüber Gefahren, gefeit sein gegen möglichst alle Risiken, indem man so viele Versicherungen abschliesst. Die Versicherungen verdienen Vermögen mit dem Sicherheitsdenken der Menschen. 

Doch wir sprechen im Deutschen auch davon, dass etwas „todsicher“ ist. Darin liegt die Erfahrung, dass übertriebene Sicherheit auch den Tod bringen kann, dass sie das Leben abtötet. Vor lauter Sicherheit kann nichts mehr wachsen, strömen, sich entwickeln. Im Versuch, alles Risiko auszuschalten, kann nichts Neues entstehen. Wenn man nur noch Sicherheit möchte, wird plötzlich die gesamte Welt zur Bedrohung: der Verkehr, andere Menschen, jeder Moment (in dem man einen Herzinfarkt bekommen könnte), denn es gibt nicht die absolute Sicherheit. Man weiss, dass man in dieser Welt auf einer ganz dünnen Eisdecke läuft, die jeden Moment einbrechen kann. Aber in den Sicherheitsarrangierungen auf der Eisoberfläche entgeht einen die Möglichkeit der Selbstfindung, des Erkennens der eigenen Identität (BG 2.44)

 

Für den Weg der Selbstwerdung braucht es das Risiko, die Erkenntnis, dass man nichts zu verlieren hat und das, was man wesentlich ist, nie reduziert werden kann. Das setzt unerhörte Energien frei und gibt die geistige Flexibilität, die einen erst auf gefährliche Abenteuer einlassen lässt. Man muss durch die Abgründe seiner bedingten Identität hindurch, durch Dunkelheit und Verlassenheit, durch Einsamkeit und Bedrängnisse.

 

Der Betende wandert einen langen Weg, der fast unbeschreiblich reich ist, voll von erstaunlichen Erfahrungen, von Freuden und Seligkeiten; aber er geht auch durch Wüsten und vereiste Länder, in denen man keinen Ton vernimmt, wo das Grauen wohnt, an Abgründen vorüber und durch Gefährdungen, von denen sich der Wanderer zuvor nicht hat träumen lassen. Vorausgesetzt immer, dass er ein Wanderer ist, denn man kann auch als Betender stehenbleiben.

Das Risiko, alles für die Vacare deo, für das Freisein für Gott zu geben, ist Verehrung, ist ein Zeichen, auf das Krishna wartet. dadami buddhi yogam tam yena mam upayanti te (BG 10.11) und er wird es erwidern.

Sören Kierkegard schreibt einen Satz, der alle Liebhaber routinierter Gewohnheiten aufschreckt: „Nichts riskieren bedeutet, seine Seele aufs Spiel setzen.“

Das Seelenleben braucht das Risiko, der Abschied von den vermeintlichen Sicherheiten.

Krishna sagt in der Bhagavad Gita: "Wer sich nicht um eine andere Unterkunft (kein Heimatgefühl in den Sicherheitsarrangierungen mehr fühlt) sorgt als der Dienst zu meinen Füssen, ist mir sehr lieb." (Bg 12.19)

 

Immer wieder geht es in einem Leben, das den Wachstum sucht, um das Loslassen, Loslassen von Sicherheiten, von Besitz – nicht nur materiellem Besitz. Immer wieder sind wir im Leben aufgefordert, uns von manchem lieben Vorstellungen zu lösen, um uns wieder neu auf neue Wege führen zu lassen.  

 

Riskieren meint, etwas beginnen, dessen Ausgang ungewiss ist. Und dieser Sprung in das Dunkle macht frei, verortet die eigene Existenz nicht in den starren Verbürgerlichungen eines flachen Alltags. Das Risiko legt neue Wege frei, und eckt an an dem Gewöhnlichen und Stabilen, Durchschnittlichen, Vernünftigen, Üblichen und Ordentlichen, denn es betrachtet die Normalität ist ein grausamer Begriff für die Verarmung des Lebens

Wer das Leben verpasst oder verweigert, dessen Seele erstarrt, verkümmert und verdorrt.