Wünsche als Droge
Du hast einen Wunsch
Du strebst danach, diesen Wunsch zu erfüllen
Und irgend einmal wird er auch erfüllt.
Nun fühlst du dich glücklich, zufrieden – erfüllt eben.
Es dauert aber nicht lange, bis der nächste Wunsch im Bewusstsein auftaucht und der Friede ist vorbei.
Du strebst danach, auch diesen Wunsch zu erfüllen – kämpfst dich durch und nach einiger Zeit – nach Jahren, Jahrzehnten oder schon nach 5 Sekunden wird auch dieser Wunsch erfüllt.
Und du fühlst dich einen Moment befriedigt.
Doch dann kommt wie aus dem Nichts – der nächst anstehende Wunsch. Betäubt durch den Hoffnungsschimmer, den Streif am Horizont, müht man sich für die Fata Morgana.
(Die Kraft der Versuchung ist deshalb stark, weil ihre Wirkweise im Verborgenen liegt und demjenigen nicht offensichtlich ist, der nur in den Schein hineinschaut und sich mit Masken zufrieden gibt.
Ein unerfüllter Wunsch ist ein Impuls aus der Gedankenwelt, ein Anstoss aus der Identifikation mit dem Unwirklichen und wenn der Griff danach geschieht, dann fühlt man sofort die abtrennende Wirkung.
Es ist möglich, diesen Moment genau zu beobachten, Zeuge zu werden von der spaltenden Kraft jeden unerfüllten Wunsches und der Entrückung ins Äussere, die durch das eigene Greifen danach geschieht.
Der Griff nach einem unerfüllten Wunsch, der im Bewusstsein auftaucht, verursacht unverzüglich Leid. In dieser Gewahrwerdung erkennt man aber auch die Möglichkeit, das Greifen danach loszulassen und sich in der inneren Stille zu entspannen und die Erfahrung zu machen, dass sich der Wunsch in dem Moment wieder verflüchtigt.
Der Wunsch, der Impuls aus der Gedankenwelt verflüchtigt sich im Nichts in dem Moment, wo man die Beziehung zu diesem Gedanken aufgibt, wo man das Greifen einstellt.
In spirituellen Lehren wird viel davon gesprochen, falsche Wünsche aufgeben zu müssen. Das schafft häufig einen grossen Druck für den Suchenden. Wenn beobachtet wird, dass ein unerfüllter Wunsch nichts anderes ist als ein Impuls der Gedankenwelt (vasana), der im Bewusstsein auftaucht, dann gibt es keine Notwendigkeit, irgendeinen Wunsch zurückzuweisen. Denn damit festigt man ihn. Es ist eigentlich auch gleichgültig, ob dieser Gedanke auftaucht oder nicht, aber man berührt diesen Wunsch einfach nicht. )
Und so verbrachten wir unzählige Leben – im sinnlosen Kampf mit Wünschen, von denen wir glaubten, es seien unsere und deren Erfüllung würde Zufriedenheit schenken.
Aber schon in der Erfülltheit breitet sich Öde und Leere aus. Man spürt, dass dies nur das verzweifelte Ringen um Ersatzbefriedigung ist. Ersatz für Wesentliches.
Die meisten Menschen brauchen viele Leben, um in der letztlichen Konsequenz zu erkennen und anzuerkennen, dass all diese Wünsche zwar nicht falsch sind, aber nicht wirklich frei und schon gar nicht erfüllt, zufrieden und glücklich machen.
Es gibt keinen einzigen Wunsch des menschlichen Geistes, der glücklich macht - obwohl doch gerade dies die Verheissung in jedem Wunsch war.
Wenn man nach dem sucht, was vergänglich ist bedeutet das eigentlich nichts anderes, als nach dem Tod zu suchen. Was ist das für ein armesliges Leben, nach dem Tod zu suchen? Nach dem, was einem sowieso bald verlassen wird.
Martyanam kim utasisah (Srimad Bhagavatam 1.18.13)
Deshalb hat man Angst. Angst, dass einem alles verlassen wird – und man beginnt, sich festzuhalten.
Die Frage ist: Was bleibt?
Na tvevaham jatu nasam (Bhagavad gita 2.12)
Was ist, was war und was bleibt? Das ist das einzige, was wirklich von Interesse ist. Was die Wünsche suchen.
Sich mit Vergänglichem zufriedenzugeben ist eine fruchtlose Mühe ohne Ernte. Immer wieder säen, immer wieder beackern, immer wieder bearbeiten, aber wo bleibt die Ernte? Niemandem fällt auf, dass diese Ernte ausbleibt, die Ernte all dieser vielen leben voller unerfüllter Wünsche. Aber man ackert einfach wild weiter.
Es fühlt sich so gut an, die kleinen Momente des Glücks, die kleinen Momente von Frieden und Freiheit, wenn man ein einem wunderschönen Ort in der Natur reist oder dieser kleine Moment unglaublicher Nähe mit einem geliebten Menschen. Nicht dass diese Momente nicht wünschenswert wären. Aber ist es das, wonach man wirklich sucht?
Oder: Endlich hat man alles Geld der Welt. Endlich kann man sich alles leisten, was man sich je leisten wollte. Aber ist es dadurch vorbei mit der inneren Armseligkeit?
Man ist müde… man ist so erschöpft, dass man keine Kraft mehr hat für das, was man wirklich will.