Interreligiöser Dialog

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“

chinesisches Sprichwort

 

Dialog wird die Religionen verändern und zwar genetisch, das heisst von innen her und nachhaltig. 

Echte Begegnung bewirkt in der Tat eine Ausweitung des Bewusstseins sowie eine Stärkung der eigenen Identität. Dies gilt sowohl auf individueller wie auf kollektiver Ebene. Es gilt für die Begegnung zwischen einzelnen Menschen wie zwischen Völkern und Religionen. Für den Aufbau einer interreligiösen Dialogkultur bedeutet dies: Nicht Auflösung der inhaltlichen und institutionellen Unterschiede und eschatologischen Anschauungen, nicht Gleichmacherei ist das Ziel, sondern existenzielle Begegnung, in welche man eintritt mit der Sehnsucht, mehr über den unbegreiflichen Gott zu erfahren, der auch in den Worten der eigenen Tradition nicht vollständig beschreibbar ist. 

 Der eigene Standpunkt wird also entabsolutisiert, aber darf und soll dennoch klar vertreten werden. Im echten Dialog also erfährt man, wie begrenzt und ergänzungsbedürftig die eigene Tradition ist, aber man erkennt auch ihre Einzigartigkeit und Einmaligkeit. 

 Dem Atheisten war es gleichgültig, ob es da noch Menschen gab, die nicht Atheisten waren. Denn die ganze Existenz würde ohnehin einmal sinnlos in den Orkus stürzen. Aber für einen Glaubenden, der Sinn in der Welt sieht, erhebt sich die Frage, was für einen Wahrheitsgehalt Gott in den anderen Traditionen geoffenbart hat. 

Die verschiedenen religiösen Ansätze bekommen einen Sinn im Plan Gottes in dieser Welt als eine liebevolle Erziehungsmassnahme. 

Religiöse Traditionen sind der lebendige Ausdruck der kollektiven Sehnsucht grosser Bevölkerungsgruppen, der Widerschein von Tausenden von Jahren der Suche nach Gott. 

In der interreligiösen Begegnung darf keinerlei Motivation mitschwingen, den Gesprächspartner überzeugen zu wollen oder vor ihm eine Präsentation zu machen. Die Zeit der Abwertung anderer zwecks Selbstdefinition ist vorüber.  Man geht aber auch nicht standpunktlos und unverankert in die Begegnung ein und die Absicht ist nie synkretistische Verschmelzung. Ein tiefes Vertrauen in Gottes Unbegrenztheit bedarf dann keiner Nivellierung. Neues erwächst nicht durch Auflösung oder Gleichmachung der Gegensätze, sondern durch ihre integrierende Vereinigung. 

 

Die Begegnung mit der anderen Religion ist ein gemeinsames Zugehen auf die Wahrheit, es ist kompromisslose religiöse Partnerschaft ohne versteckte Ziele und Motive. Die Vielfalt der Kulturen und Religionen müssen wertgeschätzt und als Ausdruck der Unendlichkeit Gottes gesehen werden. Sie sind auch nicht die primitive Vorstufe zum eigenen religiösen Verständnis. Sie sind verschiedene Zugänge zu der allumfassenden Wirklichkeit, die wir Gott nennen. Man braucht sich aber gegenseitig, um voneinander zu lernen und um sich zu bereichern.